# taz.de -- Festival „Tanz im August“: Das Diktat der Maschinen | |
> Der japanische Choreograf Saburo Teshigawara gehört zu den Großen der | |
> Tanzszene. Nun eröffnet sein Stück „Mirror and Music“ das Festival Tanz | |
> im August. | |
Bild: Choreograf Saburo Teshigawara gilt als einer der Großen der internationa… | |
Das Licht wird gebrochen. Mechanische Flügel rotieren davor. Im Licht | |
bewegen sich die Körper auf der Bühne nicht, wohl aber im Schatten. Man | |
sieht Stillstand und ahnt, dass das täuscht. So beginnt „Mirror and Music“ | |
des japanischen Choreografen Saburo Teshigawara mit der Verunsicherung, dem | |
zu trauen, was man erkennen kann. | |
Teshigawara, 1953 in Tokio geboren, gehört mit seiner Compagnie Karas seit | |
mehr als zwanzig Jahren zu den großen Namen der internationalen Tanzszene. | |
Mit ihm eröffnete am Wochenende das Festival Tanz im August auf der Bühne | |
der Berliner Festspiele – zuletzt war er vor neun Jahren hier zu sehen. | |
BERLIN taz | Die Erfahrung des Alterns, des möglichen Verlustes von | |
Souveränität und die Angst vor der Schwäche hat er mit hineingenommen in | |
einen Solopart in „Mirror and Music“. Eben noch malte er als virtuoser | |
Kalligraf Linien in den Raum, ließ die Energie in Wellen von den Zehen bis | |
zu den Fingerspitzen gleiten, auf unsichtbare Widerstände stoßen und | |
zurückprallen, ein wunderbares Spiel aufsteigender und wirbelnder Kräfte. | |
Und unvermittelt bricht die Sicherheit, ein Zaudern und Entgleisen | |
schleichen sich ein, seine Hände wedeln über dem großen, kahlen Schädel, | |
als ob er sich unter ihnen verkriechen wolle, bis er sie wiedergefunden hat | |
– die Kraft, die er so meisterlich beherrscht. | |
## Man wird überrollt | |
Der plötzliche Bruch, das Überrolltwerden von einem anderen Zustand, ist | |
ein wiederkehrendes Element in der Komposition von „Mirror and Music“. | |
Teshigwara lässt unvereinbare Klangräume ineinanderrasseln, oft | |
überfallartig. Da ist ein großer elektronischer Krach, oft monoton dröhnend | |
wie in großen Maschinenhallen, der sich wie eine Wand über die barocken | |
Tänze und Lieder (von Dietrich Buxtehude) schiebt. | |
Und während die fliegenden Läufe und Kurven, die leicht und jubelnd | |
hochgeworfenen Arme der acht Tänzer und Tänzerinnen zu der barocken Musik | |
stets etwas von einer fröhlichen Feier des Lebendigen haben, geraten ihre | |
Körper im diffusen Lärm, der keine die Zeit gliedernden Strukturen mehr | |
aufweist, unter Druck, verwringen sich auch grotesk und grimassierend. Man | |
glaubt immer wieder, auf ein düsteres Bild der Moderne gestoßen zu werden, | |
letztendlich als ein Moloch, der dem Einzelnen seine Souveränität nimmt. | |
Ein wenig holzschnittartig ist diese Polarität. | |
Dabei leben die Choreografien von Teshigawara und seiner Gruppe Karas auch | |
gerade davon, es mit der Erfahrung der Beschleunigung im Zeitalter der | |
elektronischen Datenströme aufgenommen zu haben. Die Modulation der Zeit | |
durch den Körper wird selten so deutlich erfahrbar wie in ihren Stücken. | |
Auch jetzt verblüffen Saburo Teshigawara selbst und eine Tänzerin wieder | |
mit einer Geschwindigkeit, mit der sie das eh schon rasante Tempo der | |
anderen und der Musik überholen; im schnellen Vorwärtsgang verdichten sich | |
die in die Luft geschriebenen Zeichen. | |
Es gibt Sequenzen, da sind vor allem Schatten zu sehen, stehende und | |
laufende Schatten. Man fühlt sich einen Moment an die ersten Bilder der | |
Menschen auf den Wänden von Höhlen erinnert, kurz darauf an die ruckelnde | |
Mechanik von frühen Filmen und dann an das Zerstieben des Bildes vom | |
Menschen in Tausende von Pixeln. Und in jeder dieser Erscheinungsformen | |
blitzt die Angst vor dem Ende auf, vor dem auch das dauerhafteste Bild | |
niemand bewahren kann. Über eine kurze Strecke einen solchen Horizont an | |
Vorstellungen zu öffnen, darin ist die Compagnie Karas noch immer | |
großartig. | |
13 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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