| # taz.de -- Wohnen in Bremen: WG de luxe | |
| > Studentenresidenzen gelten als gute Anlage: Private Investmentfonds | |
| > setzen auf Wohnheime - und gerade Bremen ist für sie ein ziemlich | |
| > attraktiver Markt. | |
| Bild: Wohnresidenzbewohnerin: Judit Arranz Jimenos. | |
| Die Mieten steigen, günstige Wohnungen werden knapp. Das Viertel kämpft | |
| gegen die Stadtaufwertung, Tenever dafür. Wohnungsbündnisse werden | |
| geschmiedet, zugleich Luxuswohnungen gebaut. Wie leben die Menschen in | |
| armen und reichen Vierteln? Die taz beleuchtet, wie BremerInnen wohnen und | |
| sich der urbane Raum verändert. | |
| Für eine Studentenbude ist die Küche in Judit Arranz Jimenos Wohnung | |
| erstaunlich aufgeräumt. Abgewaschenes Geschirr türmt sich auf dem | |
| Abtropfbrett, der Gasherd glänzt, der Tisch ist fast leer geräumt. „Wir | |
| hatten gerade Revision“, erklärt die 20-jährige BWL-Studentin. | |
| Sie wohnt in der „Galileo Residenz“, dem ersten Studentenwohnheim in | |
| Bremen, das profitorientiert arbeitet. Um zu überprüfen, ob Möbel, | |
| Küchengeräte und Geschirr intakt sind, steht ein Mal im Monat ein | |
| Hausmeister vor der Tür des Zweierapartments. „Letztes Mal habe ich die Tür | |
| nicht sofort geöffnet, da ist er einfach so reingekommen“, erzählt die | |
| Erasmus-Studentin aus Madrid. In ihrer Privatsphäre fühlt sie sich aber | |
| nicht gestört, schließlich würde nur der Gemeinschaftsbereich überprüft. | |
| Bloß die Ansprüche bei den Inspektionen findet sie „übertrieben“. 40 Euro | |
| mussten sie zahlen, weil der Deckel einer Fernbedienung am heißen Toaster | |
| geschmolzen war. | |
| Arranz Jimeno und ihre Mitbewohnerin scheinen den Kabelfernseher nicht oft | |
| zu benutzen. Eine spanische Flagge verdeckt den Bildschirm. Judit versteht | |
| sich gut mit ihrer deutschen Wohnungsgenossin. „Wir machen öfter mal | |
| Abendessen zusammen“, sagt sie. „Ich habe sehr viel Glück gehabt mit ihr.�… | |
| Die beiden Studentinnen wohnen im Block A der Galileo Residenz. Die | |
| britische Firma Victoria Hall, die bereits in Großbritannien mehrere | |
| Wohnheime unterhält, hatte mit dem Projekt den Sprung auf den deutschen | |
| Markt gewagt. Das Konzept geht auf: Die Wohnungen sind nach Angaben der | |
| Wohnheimverwaltung immer voll belegt, knapp 50 Personen stehen zwei Monate | |
| vor Semesterbeginn auf der Warteliste. 284 Zimmer bietet die Residenz an, | |
| verteilt auf Wohnungen für zwei, drei, acht oder neun Personen. Wer, auf | |
| die Miete von 345 Euro noch zehn Euro drauflegt, bekommt einen der bunten | |
| Balkone, die aus der grauen Fassade hervorstechen. | |
| Mit wem man zusammenwohnt, entscheidet der Zufall. Nicht alle Bewohner sind | |
| so zufrieden mit ihren Mitbewohnern wie Arranz Jimeno. Ihre Freundin Begoña | |
| Iglesias Gutiérrezlebt in einer 9er-WG und ist gerade ziemlich genervt. Sie | |
| ist mit dem Putzdienst dran, um die Wohnung für die monatliche Überprüfung | |
| herzurichten. „Die wissen schon, dass es hier keine Teller gibt“, erzählt | |
| sie. „Man darf kein Besteck in der Küche lassen, weil es gestohlen wird.“ | |
| Nun bewahrt sie ihren eigenen Satz Geschirr im Zimmer auf. Zusammenkünfte | |
| und Diskussionen haben nichts gebracht. Mehr als ein kurzes „Hallo“ tauscht | |
| sie mit ihren Mitbewohnern nicht aus, die Atmosphäre in der WG ist | |
| angespannt. Das Servicepersonal an der „Reception“ im Erdgeschoss ist in | |
| solchen Fällen machtlos. Sie sind für Verwaltungsangelegenheiten zuständig, | |
| geben die Post aus oder helfen bei Fragen. „Wenig studentisch“ nennt | |
| Iglesias Gutiérrez das Konzept. Hier leben auch Gastforscher oder | |
| Mitarbeiter aus dem angrenzenden Technologiepark. Da das Wohnheim privat | |
| ist, kann sich hier jeder einmieten. „Es ist eher ein Apartmenthaus als ein | |
| Studentenwohnheim“, sagt sie. „Meine Nachbarn kenne ich gar nicht richtig.�… | |
| Die offenen Treppenaufgänge, die direkt zu den Wohnungstüren führen, laden | |
| kaum zum Verweilen ein. Judit und Begoña unternehmen viel mit anderen | |
| Austauschstudenten und treffen sich mit ihnen auf der Parkfläche vorm | |
| Wohnheim oder in dem Café, das ins Gebäude integriert ist. | |
| Ähnliche Erfahrungen mit der anonymen Atmosphäre des Wohnheims hat auch | |
| Marvin Hoffmann gemacht. „Als ich mich hier beworben habe, dachte ich, dass | |
| es so ein Studentenwohnheim ist wie im Film“, erzählt der Jurastudent aus | |
| Brake. Nun lebt er mit einem Austauschstudenten zusammen. „Eine reine | |
| Zweck-WG“, man störe sich nicht. Hoffmann hat vor einem Jahr sein Studium | |
| an der Uni begonnen – als Massen von Studienanfängern aus Niedersachsens | |
| doppeltem Abi-Jahrgang und nicht mehr wehr- oder zivildienstpflichtige | |
| junge Männer den Wohnungsmarkt fluteten. Unter 300 Euro sei nichts zu haben | |
| gewesen. Obwohl er von Brake aus leichter nach Wohnungen hätte suchen | |
| können, zog er eines der 17 Quadratmeter großen Zimmer vor. „Einfach, | |
| schnell, möbliert“, waren für ihn genug Argumente. | |
| Einen Steinwurf von der Hochglanzresidenz entfernt steht das | |
| Campus-Wohnheim des Studentenwerks. Schmutzig-weiß ragt es in den Himmel, | |
| Gitter versperren die Aussicht von den Balkonen. Ein krasser Gegensatz zu | |
| den Aussichtsterassen im dritten Stock des Galileo-Gebäudes und den | |
| Panoramafenstern in den schicken Apartments. Marvin hatte sich auch für ein | |
| Zimmer in einem der subventionierten Wohnheime des Studentenwerks beworben, | |
| wo ein Zimmer 190 Euro im Monat kostet. Ein bis zwei Semester muss man auf | |
| einen Platz warten, da die meisten Wohnungen für die Regelstudienzeit von | |
| fünf Jahren vermietet werden. Außerdem dürfen Bewerber über nicht mehr als | |
| 1.050 Euro im Monat verfügen. | |
| Das ist unattraktiv für Austauschstudenten, die höchstens ein Jahr bleiben | |
| oder für die „einkommensstarke Studentenschicht“. Und genau diese Gruppen | |
| haben Manager von Bau-Investmentfonds jetzt für sich entdeckt: Pünktlich | |
| zum Wintersemester eröffnet schräg gegenüber der Galileo Residenz ein neues | |
| privates Wohnheim mit 327 Zimmern. Die Mieten fürs Zimmer im Einzel- oder | |
| Doppelapartment beginnen bei 398 Euro. Jürgen Ramos von der | |
| verantwortlichen Investmentgruppe „Kapitalpartner Konzept“ stellt klar: | |
| „Das sind keine Wohnheime. Wir bauen Wohnungen für Leute, die sich das | |
| leisten können.“ Die Projekte sollen nachhaltig, aber eindeutig | |
| renditeorientiert sein. | |
| Die Rechnung der Fondsmanager für mögliche Geldgeber ist einfach. Es gebe | |
| 1.720 Wohnheimplätze in der Hansestadt bei gleichzeitig 30.000 Studenten – | |
| Tendenz steigend. Die Analysen des Immobilieninvestors haben gezeigt: Immer | |
| mehr Schulabgänger fangen ein Studium an. Dazu komme der Zufluss aus dem | |
| Ausland. „In Deutschland kann man relativ günstig leben und gleichzeitig | |
| gut studieren“, so Ramos. | |
| Tatsächlich ist allein die Zahl der Erasmus-Studenten an deutschen | |
| Hochschulen in den letzten zehn Jahren um fast die Hälfte auf über 22.000 | |
| gestiegen. Und 2010/11 waren an der Bremer Uni 230 Erasmus-StudentInnen | |
| eingeschrieben, sogar 259 waren es an der Hochschule mit ihrem | |
| internationalen Profil. | |
| Davon finden sich viele im Galileo-Wohnheim wieder. Marvin begegnet öfters | |
| Serben und Russen auf seinem Flur, Iglesias Gutiérrez hat zwei Brasilianer | |
| als Mitbewohner. Auf den Gängen hört man viel Englisch und Spanisch. Wie | |
| Arranz Jimeno wollen viele bereits eine Wohnung sicher haben, bevor sie | |
| nach Bremen kommen, und sich nicht in einem fremden Land durch WG-Castings | |
| kämpfen: „Galileo“, sagt sie, „war der erste Treffer bei Google.“ | |
| 13 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Nantke Garrelts | |
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