# taz.de -- Kommentar Urteil zu Breivik: Ein Anfang ist gemacht | |
> Die Richter haben sich nicht vor ihrer Verantwortung gedrückt: Das Urteil | |
> gegen Breivik macht den Weg frei, um den Rassismus in Norwegens Mitte zu | |
> diskutieren. | |
Bild: Breivik wird weggesperrt, der Rassismus bleibt. | |
Der Prozess hat uns nicht alle Antworten gegeben. Diese Einschätzung von | |
Inga Bejer Engh, Staatsanwältin im Verfahren gegen den Terroristen Breivik | |
– vor gut zwei Monaten, am letzten Verhandlungstag in Oslo festgestellt – | |
gilt auch für das am Freitag vormittag verkündete Urteil. | |
Immer aber wird die Frage, ob die schlimmste Bluttat in Norwegen seit Ende | |
des Zweiten Weltkriegs wirklich „nur“ auf das Konto eines psychisch kranken | |
und damit strafrechtlich nicht verantwortlichen Menschen gehen sollte, vom | |
Gericht eindeutig mit „Nein“ beantwortet. | |
Viele Kommentatoren hatten vorab gewarnt, dass sich das norwegische | |
Rechtswesen blamieren könnte, wenn es wie vor mehr als 60 Jahren den | |
Angeklagten für unzurechnungsfähig erklären würde – nicht nur der | |
Nationaldichter Knut Hamsun, sondern auch die für die Judendeportationen | |
und die Hinrichtung von Widerstandskämpfern verantwortliche norwegische | |
Politiker waren damals kurzerhand für psychisch krank erklärt worden, womit | |
sich das Gericht vor einer wirklichen Aufarbeitung der Nazi-Kollaboration | |
drücken konnte. | |
Sich auch jetzt also hinter der Psychiatrie verstecken anstatt sich der | |
Erkenntnis zu stellen, dass der Massenmörder in diesem Land, in dieser | |
Zeit, in diesem Umfeld aufgewachsen ist? „Nein“, sagten jetzt die | |
RichterInnen. | |
Ohne die Inspiration durch Islamhasser, ohne ein politisches Klima, in dem | |
Fremdenfeindlichkeit stubenrein geworden ist, wäre ein Anders Breivik nicht | |
zu dem geworden, was er nun ist. Im „Kindermörder“, wie einige Medien ihn | |
seit seinem Massaker auf Utøya konsquent nennen, zeigen sich die äußersten | |
Konsequenzen rassistischer Ideologie. | |
„Einer von uns“ ist Breivik, mahnte die Schriftstellerin Anne Holt kurz | |
nach der Tat: „Made in Norway“. Und von einem Verrat an den Opfern des 22. | |
Juli 2011 sprach der Bischof von Oslo, würde es in der norwegischen | |
Gesellschaft nicht zu einer dauerhaften, durchgreifenden Änderung kommen. | |
Ein Jahr ist seither vergangen, ohne dass sich viel geändert hätte. Es wird | |
also höchste Zeit damit anzufangen. Das Urteil macht den Weg frei. | |
24 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Norwegen | |
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