# taz.de -- Popmusiker Konstantin Gropper: Ganz großes Kino | |
> Auf seinem dritten Album schreibt Konstantin Gropper Musik zum Film. Mit | |
> Talent und Kalkül schafft er ein menschliches und spannendes Werk. | |
Bild: Berührt mit seiner Musik auch bei Live-Auftritten: Konstantin Gropper. | |
Bleich, eher brav gekleidet, sehr freundlich und beinahe zurückhaltend | |
sitzt einer der größten Popstars des Landes in einem schmucklosen | |
Kellerraum im bourgeoisen Teil Kreuzbergs hinter einem Teller mit Obst und | |
Schokoladendrops. | |
Und ringt mit Worten: In welche künstlerischen Gefilde er steuere, was es | |
mit dem sperrigen und arg dramatischen Titel „The Scarlet Beast O’Seven | |
Heads – La Bestia Scarlatta Con Sette Teste“ seines dritten Albums auf sich | |
habe, warum es sich musikalisch und inhaltlich der Welt des Films widme und | |
wie er arbeite, das alles beantwortet Konstantin Gropper so ernsthaft und | |
uneitel, dass man fast meinen könnte, er spräche über einen Fremden. | |
Hört man die Musik, die Gropper unter dem Namen Get Well Soon im Alleingang | |
komponiert, aber mit befreundeten Musikern auf die Bühne bringt, überrascht | |
diese seltsame innere Distanz umso mehr. Denn die Musik von Get Well Soon | |
ist so gar nicht zurückhaltend, sondern sehr dramatisch, voller Pathos und | |
ganz, ganz großer Gefühle. Wo Gropper im Gespräch bedacht und leise | |
spricht, singt er auf seinen Alben mit aufwühlender, bebender Stimme von | |
Liebe und Tod oder, wie auf dem letzten Werk „Vexations“ von Seneca, | |
Büchner, Homer, Sloterdijk und Sartre. | |
Als er vor vier Jahren mit seinem ersten Album „Rest Now, Weary Head! You | |
Will Get Well Soon“ auf der Bildfläche der Popmusik erschien, war erst das | |
Staunen groß und dann das Lob. Denn während das Album nach David Bowie, | |
Beirut, Sufjan Stevens und Arcade Fire klang, stammte Gropper, heute 29, | |
aus dem schwäbischen Biberach. Einem nun wirklich jedes Glamours und jeder | |
Exzentrik unverdächtigem Ort. | |
Statt sich, wie das die üblichen Pop-Mythen vorsehen, mit großer Geste aus | |
der Provinz in die Kaschemmen der wilden Großstadt zu flüchten, studierte | |
Gropper sein Handwerk ausgerechnet an einer unter Musikromantikern eher | |
verpönten Popakademie im ebenfalls kaum glamourösen Mannheim. | |
Für Gropper kein Nachteil, im Gegenteil: „Das Mannheimer Nachtleben“, sagt | |
er, „macht es schon eher einfach, sich auf die Musik zu konzentrieren.“ Der | |
Prozess des Komponierens sei für ihn „schon sehr emotional. Ich bin dann | |
auch kaum ansprechbar. Und muss mich fast schon zwingen, meine Lieder | |
irgendwann auch mal jemandem vorzuspielen.“ | |
## Eigenbrötler | |
Anders als fast alle anderen erfolgreichen deutschen Bands der vergangenen | |
Jahre, entstammt Konstantin Gropper keiner Subkultur, keiner Szene. Eine | |
Coverversion für die Band Hundreds, eine Zusammenarbeit mit Mikroboy, Musik | |
für eine Aufführung von Bulgakows „Der Meister und Margarita“ am Schauspi… | |
Frankfurt und ein paar musikalische Beiträge für das bald erscheinende | |
Debüt des Heidelberger Krypto-Rappers Muso – ansonsten erscheint Gropper | |
als veritabler Eigenbrötler. | |
Neben dem Studium an der Popakademie werkelte Gropper über drei Jahre an | |
seinem Debütalbum und wurde dafür sogar vom englischen NME mit freundlichen | |
Worten bedacht: Ein Baby-Nick-Cave sei er, stand im Olymp in Sachen | |
Popkritik zu lesen, und seine Musik sei „anrührender Stoff“. Die Tour war | |
ausverkauft und „Rest Now Weary Head!“ stieg auf Platz 28 der deutschen | |
Charts ein. | |
Wenn sich Konstantin Gropper nun mit seinem dritten Album der Filmemacherei | |
und Filmmusik zuwendet, dann ist das gleichzeitig eine logische | |
Weiterentwicklung wie auch eine Rückkehr auf sicheres Terrain, wie er | |
selbst einräumt: „In gewisser Weise kann man das neue Album schon als | |
Reaktion auf das letzte verstehen, das sehr klassisch recherchiert war, mit | |
klassischen Zitaten und klassischen Themen. Auch wenn es immer etwas unsexy | |
ist, selbstreferenziell zu sein: Mit dem neuen Album widerspreche ich mir | |
auf eine Art schon selbst.“ | |
Schon lange vor der Arbeit an „The Scarlet Beast O’ Seven Heads“ besang er | |
in „Werner Herzog gets shot“ den Tod des Regisseurs und steuerte Lieder zu | |
Soundtracks bei – etwa für „Palermo Shooting“ von Wim Wenders und „Same | |
Same But Different“ von Detlev Buck. Zudem veröffentlichte Gropper die | |
Bonus-CD „Songs For/From Films“, auf der er unter anderem Bowies „ I’m | |
Deranged“ aus David Lynchs „Lost Highway“ sowie den durch den Film | |
„Junikäfer“ bekannt gewordenen Stevie-Wonder-Song „Harmour Love“ cover… | |
## Kalkuliertes Namedropping | |
Und schließlich schrieb Gropper die düstere, wunderbar unruhige Musik für | |
die vielgelobte Arte-Bumsfilmsaga „Xanadu“ um das Auf und Ab eines | |
französischen Pornofilmproduzentenclans. „Grundsätzlich waren Film und | |
Filmmusik schon immer Einflüsse für mich“, erklärt Gropper. „Doch durch … | |
Arbeit für Filme wurde das natürlich nochmals konkreter – und ich habe auch | |
Lust bekommen, den Spieß umzudrehen und statt Musik zu einem Film Musik für | |
einen Film, der erst gemacht werden müsste, zu komponieren.“ | |
Die Hinwendung zum Film ist aber auch eine Reaktion auf die Kritik am in | |
der Tat überkandidelten und intellektuell trotz Groppers zeitweisem | |
Philosophiestudium in Heidelberg etwas unausgegorenen zweiten Album | |
„Vexations“. Dieses wurde seinerzeit als Konzeptalbum zum Thema | |
„Stoizismus“ angekündigt und erging sich, wie es Ex-Spex-Chefredakteur Max | |
Dax beschrieb, in „Namedropping der schlimmsten Sorte“. | |
Dieses Namedropping hatte – und hat auch auf dem neuen Album – allerdings | |
vor allem damit zu tun, wie Gropper arbeitet. So impulsiv und emotional | |
aufwühlend seine Musik wirkt, so sorgfältig komponiert und recherchiert ist | |
sie. „Ich gehe meistens so vor, dass ich einen Fundus anlege, mit Samples, | |
Vorlagen und Ideen, aus dem ich mir dann das rauspicke, von dem ich glaube, | |
dass es im Kontext eines Liedes funktioniert“, erklärt er. | |
Gropper, der als Student des Pop begann, ist gereift und heute quasi ein | |
Wissenschaftler des popkulturellen Zitats. Seine Lieder sind musikalische | |
Essays, fein komponierte, aber auch etwas verkopfte „Déjà-écoutés“, wie | |
Gropper selbst sie nennt: Collagen aus eingefangenen Musiken und | |
Stimmungen, von denen man glaubt, sie schon einmal gehört zu haben. Bloß: | |
wo? | |
## Verspielt und abwechlungsreich | |
Etwa das etwas kalauernd betitelte zweite Stück „Let Me Check My Mayan | |
Calendar“ auf „The Scarlet Beast“ beginnt mit einer kurzen Fanfare wie aus | |
einem Detektivfilm der 50er, schwingt hinüber zu einer | |
Easy-Listening-Melodie. Es folgen ein paar seichte Takte Zwischenspiel aus | |
einem Sandalenfilm oder Western, um dann einem süßlich summenden Chor den | |
Weg zu bereiten und in einem zwitschernden Trommelwirbel zu enden – und da | |
sind gerade mal 48 Sekunden Spielzeit vergangen. | |
Nicht immer sind die Referenzen auf „The Scarlet Beast“ derart dicht und | |
unklar. „Roland, I Feel You“, die erste Single, ist beispielsweise nicht | |
nur ein treibendes, nervöses Stück mit zahlreichen hübschen | |
Ziggy-Stardust-Momenten, sondern auch ein Auseinandersetzung mit dem | |
ebenfalls aus dem Schwäbischen stammenden, ebenfalls der großen Geste | |
zugeneigten sowie unerschrocken zitierenden Roland Emmerich. | |
Hinter all dem Pomp und der Zartheit offenbart sich auf dem neuen Album | |
letztlich auch Gropper als Grübler, als Bastler und schwäbischer Schaffer, | |
als jemand also, der sich nicht auf sein Genie verlassen mag, sondern im | |
Zweifel auf seinen Fleiß zurückgreifen kann. Und auf einen Ordner auf der | |
Festplatte, in dem all die magischen Momente gesammelt wurden. | |
Und Gropper erweist sich auch als jemand, für den Musik weniger ein Ventil | |
für Impressionen und Gefühle ist, sondern vielmehr eine Welt, die er selbst | |
schafft: „Ich will Stimmungen erzeugen und nicht einfach nur wiedergeben“, | |
sagt der Sänger. „Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich schon | |
eher bei David Bowie als bei Bob Dylan sehen.“ | |
## Konstruierte Menschlichkeit | |
Entsprechend hat Gropper nichts, gar nichts dem Zufall überlassen, wie er | |
erzählt: „Beim letzten Album wollte ich noch, dass die Musik möglichst groß | |
klingt. Dieses Mal war es genau andersherum: Ich wollte die Lieder am Ende | |
wieder schlechter klingen lassen, um der Musik etwas Unperfektes zu geben. | |
Ich wollte mehr Charme und mehr Menschlichkeit. Und dazu habe ich versucht, | |
etwas Staub auf die Lieder draufzulegen.“ | |
Und so verwegen und skurril das klingt, dass ausgerechnet ein doch eher | |
prätentiöses Konzeptalbum über die künstliche Welt des Films das | |
menschlichste Album von Get Well Soon sein sollte – so ist das wohl eben, | |
wenn man die Sache beinahe wissenschaftlich angeht. | |
27 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Erk | |
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