# taz.de -- Jürgen Trittin über Werder und Wiesenhof: "Es gibt eben Grenzen" | |
> Jürgen Trittin hat sein Ehrenamt als Nachhaltigkeitsbotschafter bei | |
> Werder Bremen niedergelegt - wegen des neuen Trikot-Sponsors Wiesenhof | |
> Dessen Geschäftsmodell werde zu Recht kritisiert. | |
Bild: Will dem Fußball verbunden bleiben, nur Wiesenhof nicht: Jürgen Trittin. | |
taz: Herr Trittin, war das Ihr allererster Rücktritt? | |
Jürgen Trittin: Oh, das weiß ich gar nicht. Aber Scherz beiseite: Ich habe | |
entschieden, nicht mehr als Umweltbotschafter für Werder Bremen zur | |
Verfügung zu stehen… | |
Sie hatten das Amt erst vor einem knappen halben Jahr angetreten. | |
Das ist richtig. Ich bin im März vom Verein gefragt worden, und hatte | |
spontan zugesagt, weil ich schon seit meiner Schulzeit Fan von Werder | |
Bremen bin. Aber ich halte es für unvereinbar, für Nachhaltigkeit zu werben | |
und sich von einem definitiv nicht nachhaltigen Massentierhalter sponsern | |
zu lassen. Deshalb habe ich der Geschäftsführung klargemacht, dass ich | |
dafür nicht mehr zur Verfügung stehe. | |
Aber – ist der Anlass dafür wirklich so zwingend? | |
Ja. Es gibt eben Grenzen. | |
Und Wiesenhof ist der Inbegriff des Bösen? | |
Wiesenhof ist neben Rothkötter einer der Großen seiner Branche. Das | |
Geschäftsmodell geht so: Mit importierten Futtermitteln, in der Regel auf | |
abgeholzten Regenwaldflächen angebaut, werden in Massentierhaltung | |
Hühnerbrüste produziert. Die übrigen Teile der Hühner werden in | |
Schwellenländer exportiert und untergraben dadurch massiv die Agrarmärkte. | |
Das ist ein Geschäftsmodell, das zurecht in der Kritik steht, gerade auch | |
in Norddeutschland und insbesondere in Niedersachsen, wo es Menschen | |
scharenweise in Bürgerinitiativen treibt. Der Protest dagegen ist auch | |
nicht nur eine Haltung von Städtern, sondern eine, die sich immer mehr auf | |
dem Land verbreitet, wo sich Bauern eben nicht zu Lohnmästern herabwürdigen | |
lassen wollen. Das ist ein massiver ökologischer Konflikt, der durch Dürren | |
und Ernteausfälle an Schärfe sogar noch zunimmt… | |
Na, Werders vorheriger Sponsor, eine Bank, galt ja auch nicht als | |
vorzeigbar: Der – methodisch zugegebenermaßen zweifelhafte – | |
Nachhaltigkeitskompass der Serviceplan-Agentur listet die auf Platz 88, den | |
Vorgänger, einen Kleidungsdiscounter auf Platz 100, an vorletzter Stelle – | |
und Wiesenhof immerhin auf 87. Das ist doch ein Aufstieg? | |
Ich richte mich doch nicht nach irgendwelchen Listen, sondern nach dem, was | |
das Konkrete und das Akute ist. In Norddeutschland stehen Tausende gegen | |
das System Wiesenhof auf, gegen diese Form der Massentierhaltung und sagen: | |
Das wollen wir nicht mehr. Hinzukommen noch die Vorwürfe der Tierquälerei… | |
… da sind die strafrechtlichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. | |
Vor diesem Hintergrund kann sich Werder doch nicht hinstellen und sagen: | |
Wir freuen uns, einen Sponsor aus der Region zu haben. Es gibt keinen | |
Grund, stolz auf Wiesenhof zu sein. Diese agrarindustrielle | |
Produktionsweise ist nicht nachhaltig. Punkt. | |
Aber wo ist denn genau die Grenze? Auch Dortmunds Sponsor macht zwei seiner | |
14,5 Milliarden Euro Umsatz im aggro-industriellen Bereich und hält | |
Beteiligungen an Steinkohlekraftwerken… | |
Ohne Evonik jetzt schön reden zu wollen – wenn jemand Düngemittel herstellt | |
und dadurch sein Geld verdient, ist das für mich etwas anderes, als eine | |
direkte Beteiligung in der so genannten Veredelungs-Wirtschaft oder, anders | |
ausgedrückt: der industriellen Massentierhaltung. Das bleibt eine Abwägung. | |
Und eine letztlich emotionale Entscheidung? | |
Nein, eine sehr rationale und natürlich meine persönliche Entscheidung. Bei | |
Schalke würde ich zum Beispiel aus anderen Gründen darüber nachdenken. | |
Nicht, weil ich Gas so fürchterlich finde – das werden wir noch eine ganze | |
Zeit lang brauchen–, sondern, weil ich mich schon fragen würde, ob ich für | |
den Staatskonzern eines immer diktatorischer auftretenden Regimes Werbung | |
machen möchte. | |
Sie wechseln aber nicht zu den Mainzern oder Leverkusen, sondern halten | |
Werder die Treue? | |
Ja, deshalb habe ich ja geschrieben: Lebenslang Werder – keinen Tag | |
Wiesenhof. | |
Sie loben in Ihrem Brief ja auch den sportlichen Aufbruch. Aber lässt der | |
sich denn so ohne Weiteres von den fleischindustriellen Millionen trennen – | |
die ja auch von der sportlichen Leitung mitgetragen werden? | |
Klar. Der sportliche Aufbruch hatte ja schon begonnen, als Werder noch gar | |
keinen neuen Sponsor hatte. Die neuen Trikots konnten die Fans auch noch | |
eine ganze Zeit lang ohne den Wiesenhof-Aufdruck bestellen. | |
Ihr Engagement bei Werder lag ja ziemlich im grünen Trend – Claudia Roth | |
kooperiert ja auch ganz viel mit dem DFB, und in Bremen ist der | |
Verbandspräsident ein grüner Abgeordneter. Ist Ihr Rückzug jetzt das | |
Scheitern einer Strategie? | |
Das ist keine Strategie. Ich bin wirklich schon als Kind Werder-Fan | |
gewesen. Sonst hätte ich das nicht gemacht. | |
Aber wenn ich mir aber die Tabelle beim von Claudia Roth initiierten | |
DFB-Umweltcup anschaue, dann spielen da Vereine wie der SV Knudde Giekau | |
aus Plön vorne mit – und kein einziger großer: Wie grün kann Profi-Fußball | |
überhaupt sein? | |
Fußball im Profi-Bereich ist eine Massenveranstaltung. Und natürlich | |
erzeugen Massenveranstaltungen in großem Maße Treibhausgase, sie erzeugen | |
Verkehr – und insofern eine Klimabelastung. Es gibt aber viele Vereine – | |
und dazu zählt auch Werder – die sich in der Anlage, beim Ausbau und im | |
Betrieb des Stadions Mühe geben. Die beispielsweise durch vernünftige | |
Abfallmanagementsysteme dafür sorgen, dass kein unnötiger Müll | |
entsteht.Großes Vergnügen mit guten Fußball mit möglichsten kleinen | |
ökologischen Folgeschäden. Das ist das Anliegen. Dafür mache ich mich gerne | |
stark. | |
30 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Massentierhaltung | |
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