# taz.de -- Honorar-Streit mit den Krankenkassen: Ärzte wollen es „knallen�… | |
> Die Ärzteverbände brechen die Verhandlungen mit den Krankenkassen vorerst | |
> ab. Sie sagen ihr Vertrauen sei verletzt und drohen Praxen zu schließen. | |
Bild: Die niedergelassenen Ärzte fordern mehr Geld für ihre Arbeit. | |
BERLIN taz | Exakt 52 Minuten lang hatten es die tief zerstrittenen | |
Verhandlungsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der | |
gesetzlichen Krankenkassen (GKV) am Montagmorgen in Berlin noch einmal | |
miteinander versucht. Dann aber platzte dem KBV-Chef Andreas Köhler der | |
Kragen: „Ärzte brechen Honorarverhandlungen überraschend ab“, meldete die | |
Deutsche Presse-Agentur um 11.22 Uhr per Eilmeldung. | |
Die Frage, wie hoch die Honorare für die 150.000 niedergelassenen Ärzte und | |
Psychotherapeuten in Deutschland im kommenden Jahr sein werden, bleibt | |
damit vorerst offen. Patienten müssten bereits ab dem heutigen Dienstag mit | |
ersten Protestaktionen rechnen, drohten aufgebrachte Ärzteverbände an. | |
Einzelne Praxisschließungen seien nicht ausgeschlossen. | |
Über weiter reichende Aktionen aber soll erst per Urabstimmung bis zum 10. | |
September befunden werden. „Es wird knallen“, prognostizierte der Sprecher | |
des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands, Joachim Stier, gegenüber der | |
taz. Eine Notfallversorgung für Akutpatienten sei aber garantiert. | |
Der KBV-Chef Köhler begründete unterdessen sein Hinschmeißen mit dem Unmut | |
über die GKV. Das gegenseitige Vertrauensverhältnis sei zerrüttet. Die | |
Kassen hatten – zusammen mit drei unparteiischen Schlichtern – am | |
vergangenen Donnerstag die KBV überstimmt und ein Teilverhandlungsergebnis | |
durchgesetzt, das den Faktor betrifft, nach dem ärztliche Leistung bemessen | |
wird: Danach sollen die Ärztehonorare 2013 um 0,9 Prozent oder 270 | |
Millionen Euro steigen. Und daran sei auch aus seiner Sicht nicht mehr zu | |
rütteln, bekräftigte der GKV-Spitzenverhandler, Johann-Magnus von | |
Stackelberg, am Montag. | |
## Zweifel an der gemeinsamen Selbstverwaltung | |
Die Ärzte dagegen hatten 3,5 Milliarden Euro mehr gefordert. Am Montag nun | |
sollte darüber hinaus verhandelt werden, um wie viele zusätzliche Hunderte | |
Millionen Euro das Gesamtvolumen der ärztlichen Leistung steigen soll. Doch | |
dazu kam es nicht mehr. Das Verhalten der Kasse nähre grundsätzliche | |
Zweifel an der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, sagte | |
Köhler: „Hierüber müssen wir mit den Kassen diskutieren.“ | |
Das deutsche Gesundheitssystem basiert – anders als etwa in Großbritannien | |
– darauf, dass sich die verschiedenen Akteure (Kassen, Ärzte, Zahnärzte, | |
Krankenhäuser) vor allem selbst einig werden. Der Staat, konkret das | |
Bundesgesundheitsministerium, gibt lediglich den gesetzlichen Rahmen vor, | |
entscheidet aber nicht über Arztvergütungen oder darüber, welche Leistungen | |
von den Kassen erstattet werden. | |
Der GKV-Vizechef von Stackelberg nannte den Verhandlungsabbruch „unüblich“, | |
nahm die von Köhler ausgesprochene Einladung zum „inoffiziellen Gespräch“ | |
aber an. Erst danach, voraussichtlich am 15. September, werden die | |
offiziellen Verhandlungen unter Vorsitz des unabhängigen | |
Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem fortgesetzt. | |
„Die haus- und fachärztliche Versorgung steht auf dem Spiel“, warnte der | |
Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, im Fernsehsender | |
Phoenix. Kollegen hätten bereits aus wirtschaftlichen Gründen ihre Praxis | |
aufgeben müssen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der niedergelassenen | |
Ärzte liegt derzeit bei 165.000 Euro. | |
3 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Krankenkassen | |
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