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# taz.de -- Zwangsarbeiter in Hastedt: Ein anonymer Friedhof
> Ein neuer Gedenkstein soll an das Schicksal der ZwangsarbeiterInnen in
> Hastedt erinnern. Ihre Geschichte ist lange Zeit in Vergessenheit
> geraten.
Bild: In diesem Erdbunker in Hastedt kamen 1944 über 22 Zwangsarbeiterinnen zu…
Bremen-Hastedt, Haltestelle Weserwehr. Wo heute die Endhaltestelle der
Straßenbahn, Linie 3 liegt, wo schon vor 70 Jahren die Tram entlang fuhr,
ist „so ’ne Art Friedhof“, sagt Chris Steinbrecher. Hier liegen polnische
ZwangsarbeiterInnen – wie viele, ist unklar, wie sie heißen, auch.
Gestorben sind sie am 12. Oktober 1944, bei einem alliierten Bombenangriff.
Die Frauen, allesamt Zwangsarbeiterinnen der Großwäscherei Hayungs, saßen
in einem behelfsmäßigen Erdbunker, den sie selbst gegraben hatten. Anrecht
auf Schutz in einem der umliegenden Hoch- oder Tiefbunker hatten sie nicht.
In dem nahe gelegenen Industriegebiet in Hastedt beuteten die Nazis
schätzungsweise 4.000 Menschen als billige Arbeitskräfte aus –
OsteuropäerInnen aus Polen und Russland, aber auch Häftlinge aus dem
Konzentrationslager Neuengamme.
Nur 29 Opfer jenes Bombenangriffs sind heute überhaupt namentlich bekannt,
die meisten der Frauen stammten aus Lodz oder Lublin, waren gerade Anfang
20 und lebten in Baracken am Jakobsberg in Hastedt, die nur zum Arbeiten
verlassen werden durften. Bei Hayungs hatten sie für die Wehrmacht
gearbeitet und wurden, so ist es dokumentiert, vom Betriebsleiter Friedrich
Lüdemann auch misshandelt. Sieben der Zwangsarbeiterinnen wurden seinerzeit
verwundet aus dem zerstörten Erdbunker geborgen, der Rest nur noch tot –
„soweit die Opfer körperlich noch einigermaßen intakt waren“, wie
Steinbrecher sagt.
Am kommenden Sonntag um 16 Uhr wird hier ein Gedenkstele aus Sandstein
enthüllt, auf Initiative des Kunsthistorikers und Galeristen Steinbrecher
vom OGO Künstlerhaus, das gleich in der Nähe liegt. Bürgermeister Jens
Böhrnsen (SPD) wird kommen, dazu der polnische Generalkonsul Andrzej Osiak.
Seit den Neunzigern lag hier – Drakenburger Straße, Ecke Fleetrade – eine
etwas unscheinbare Gedenkplatte am Boden, oft überwuchert von den
Buchsbaumhecken eines schmalen Grünstreifens. Manches Mal hat ein Hund hier
sein Geschäft verrichtet. Steinbrecher fand das „unwürdig“. Er wollte den
Frauen ein angemessenes Gedenken schaffen, mit einem „repräsentativen
Stein“. Und sammelte dafür mehr als 3.000 Euro an Spenden, auch bei einigen
jener Firmen, die einst selbst von Zwangsarbeit profitierten. „Sehr
überrascht“ sei er von dem öffentlichen Zuspruch gewesen, sagt er.
Für ihn geht es nicht nur um die Opfer jenes Bombenangriffs – die Frauen
stehen für ihn stellvertretend für alle ZwangsarbeiterInnen in Hastedt.
Über 3.000 waren es allein beim Autohersteller Borgward, der auch Laster,
Kettenfahrzeuge und Panzer baute, 167 in der Wäscherei Hayungs, 90 beim
Maschinenbauer [1][Lloyd Dynamo], 92 weitere in drei anderen Fabriken, die
es heute nicht mehr gibt. Dass ihre Geschichte lange Zeit vergessen war,
zeigt das Beispiel der evangelischen Auferstehungsgemeinde, die 1959
eingeweiht wurde – und auf dem ehemaligen Gelände der Großwäscherei Hayungs
steht. 1984, so heißt es in einer kleinen Ausstellung im Gemeindezentrum,
kam ein älterer Hastedter Bürger auf den dortigen Geistlichen zu: „Wissen
Sie, Herr Pastor, dass unter Ihrer Kirche polnische Frauen liegen?“ Er
wusste es nicht.
3 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.ldw.de/
## AUTOREN
Jan Zier
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