# taz.de -- Neonazis in Berlin: Demokraten machen Druck | |
> Nach Angriffen auf Neonazigegner fordern Verbände und Parteien null | |
> Toleranz gegen Rechts. Auch ein Verbot ihres führenden Netzwerks wird | |
> diskutiert. | |
Bild: Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy (SPD) in Berlin-Schöneweide. | |
BERLIN taz | Nach den jüngsten Angriffen auf Neonazigegner und Parteibüros | |
im Berliner Südosten soll jetzt der Druck auf die rechtsextreme Szene | |
steigen. Besonders im Visier: das Netzwerk „Nationaler Widerstand“. | |
Der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber fordert eine „Null-Toleranz-Strategie“ | |
– wie jüngst bei den Rockern angewandt – auch gegenüber Neonazis. Die | |
Polizei müsse in Ballungsgebieten der Rechten wie Schöneweide mehr | |
Bereitschaftspolizei postieren, Neonaziläden wie das Hexogen oder die | |
Kneipe Zum Henker öfter kontrollieren. „Der Kontrolldruck muss spürbar | |
sein, Tag und Nacht.“ | |
Auch die Opposition will mehr Härte. Die Polizei müsse „entschlossener“ | |
ermitteln, so Linken-Fraktionschef Udo Wolf. Beamte müssten über rechte | |
Straftaten besser geschult, der Staatsschutz überprüft werden, „ob er die | |
richtigen Schwerpunkte setzt“. | |
In den letzten Wochen wurden Steine in Wohnungen des gegen Neonazis aktiven | |
Linken-Politikers Hans Erxleben und des Juso-Landesvizes Nico Schmolke | |
geworfen sowie in SPD-Büros in Schöneweide, Johannisthal und Lichtenberg. | |
Ein Mitglied des SPD-nahen Jugendvereins Die Falken wurde verprügelt. | |
Die Jusos entwarfen daraufhin einen 10-Punkte-Plan. „Alle Möglichkeiten, | |
Nazistrukturen aufzudecken, zu schwächen und lahmzulegen, müssen | |
ausgeschöpft werden“, heißt es dort: „Von der Verkehrskontrolle über | |
Ausschankgenehmigungen bis hin zum Waffenrecht.“ | |
Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus begrüßt die | |
Forderungen. Statt mehr Polizisten bereitzustellen, sollte die Behörde aber | |
besser bereits vorliegenden Spuren zu den Anschlägen „endlich nachgehen“ | |
und konsequent ermitteln. | |
## „Grob fahrlässige Ignoranz“ | |
Experten vermuten Mitglieder oder Sympathisanten des Netzwerks Nationaler | |
Widerstand (NW), in der Berliner Szene tonangebend, hinter den Anschlägen. | |
So taucht Linkenpolitiker Erxleben auf einer Feindesliste der Gruppe auf. | |
Bei einem Anschlag auf ein SPD-Büro hinterließen die Täter eine Losung: | |
„Rache für NW Dortmund“. Diese Partnergruppe der Berliner Neonazis hatte | |
das Land Nordrhein-Westfalen Ende August verboten. Die Neonazis um den NW | |
Berlin nennt der Verfassungsschutz gewaltbereit. | |
Die Jusos fordern nun ein „sofortiges“ Verbot des NW – SPD und Linke | |
fordern zumindest, dieses zu prüfen. „Der Rechtsstaat sollte alle seine | |
Instrumente nutzen“, so SPD-Mann Schreiber. In Berlin wurden zuletzt 2009 | |
und 2005 rechte Kameradschaften verboten. Für Linken-Fraktionschef Wolf hat | |
sich der NW inzwischen zu einer Nachfolgeorganisation der Gruppen | |
herausgebildet. | |
Die Innenverwaltung wollte sich gegenüber der taz nicht zur Frage äußern, | |
ob ein Verbotsverfahren läuft oder geprüft wird. Bereits im März hatte die | |
Polizei aber Razzien bei drei Männern durchgeführt, die die Internetseite | |
des NW betreiben sollen. Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte damals, man | |
werde „Anhaltspunkten konsequent nachgehen“. | |
Die Jusos werfen Henkel jedoch „Untätigkeit“ und „grob fahrlässige | |
Ignoranz“ vor. Henkel weist das zurück: Der Staatsschutz ermittle mit | |
Hochdruck gegen die Macher der NW-Homepage. Zudem sei seit diesem Monat das | |
Landeskriminalamt für die Ermittlungen gegen rechts personell aufgestockt | |
worden. | |
Dass Neonazis auf Repression empfindsam reagieren, zeigte sich zuletzt am | |
Samstag. Nach den Verboten in NRW trafen sich im Schöneweider Lokal Henker | |
Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet und entrollten davor ein Transparent: | |
„Solidarität mit unseren Aktivisten“. Drei von ihnen schlugen wenig später | |
auf einen 23-Jährigen ein, den sie für einen Linken hielten. Der flüchtete | |
sich in einen Imbiss. Angestellte vertrieben die Angreifer mit einem | |
Dönerspieß. Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) lobte das als „Ausdruck | |
von Zivilcourage, den wir in Schöneweide öfter brauchen“. Er überbrachte | |
dem Bistro eine Urkunde samt Blumenstrauß. | |
5 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
M. Mai | |
K. Litschko | |
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