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# taz.de -- Internationales Literaturfestival: Unfreiheit, die ich meine
> GROSSE WORTE (2): Der Autor Liao Yiwu hat für das Internationale
> Literaturfestival Werke chinesischer Künstler zur Ausstellung "Die
> sichtbaren und die unsichtbaren Gefängnisse" zusammengetragen
Bild: Liao Yiwu zitierte den älteren Kollegen Liu Shahe: „Wir sind nun keine…
Eine große Hand zerquetscht den Gummikopf einer kleinen Puppe mit zornigem
Gesicht. Auf einem zweiten Schwarzweißfoto: Zwei andere Puppen sitzen in
einem Meer von Teelichtern – fast meint man, diese hätten die Gesichter der
Puppen zum Schmelzen gebracht, so schief der weit aufgerissene Mund.
Es sind beklemmende Bilder, die derzeit im Rahmen des Internationalen
Literaturfestivals im Haus der Berliner Festspiele zu sehen sind. Sie
stammen von der chinesischen Dichterin, Malerin und Fotografin Liu Xia, der
Ehefrau des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, die in
Peking unter Hausarrest steht. „Sie haben uns nicht an Liu Xia
herangelassen“, sagt Kurator Ye Zheng. Schließlich gelang es über einen
Verleger in Taiwan doch.
## Bilder von Einsamkeit
Die Bilder, die von Einsamkeit und vom verzweifelten Versuch erzählen, ein
Gespenst zu bannen, das man sich nur vorstellen darf, hängen nun neben
einer Reihe weiterer Exponate bedeutender chinesischer KünstlerInnen. Unter
dem Titel „Die sichtbaren und die unsichtbaren Gefängnisse“ hat sie der in
Berlin lebende chinesische Autor Liao Yiwu gemeinsam mit Ye Zheng
zusammengetragen – eher umstandslos, da er mit den vertretenen Künstlern
befreundet ist.
Das Thema dieser Ausstellung ist die Unfreiheit, der jeder in China noch
immer ausgesetzt ist, der seine Meinung sagt – jene Unfreiheit also, die
auch das große Thema von Liao Yiwu selbst ist. Weil er 1989 ein Gedicht
über die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung schrieb, kam er
vier Jahre ins Gefängnis, wurde gefoltert und missbraucht. Als er sein Buch
über diese Jahre in Deutschland veröffentlichen wollte, setzten ihn Chinas
Machthaber unter Druck. Im Sommer 2011 kam Liao Yiwu nach Berlin. Es ist
ungewiss, ob er je wieder nach China zurückkann.
In seiner Ausstellung zeigt er selbst Seiten aus dem dritten Manuskript
seines Gefängnisbuchs, die ersten zwei Versionen wurden beschlagnahmt. Sie
machen deutlich, wie tief sich die Erfahrung des Gefängnisses in ihn
eingegraben hat. Die Seiten sind voll geschrieben, die winzigen Zeichen eng
gepresst – als sei es Liao Yiwu unmöglich, je wieder etwas anderes zu
schreiben als Kassiber.
Neben eindrücklichen Fotografien Tsering Dorjees von der chinesischen
Kulturrevolution in Tibet hat Liao Yiwu für die Ausstellung auch eine
Installation von Ai Weiwei organisiert. Zudem gibt es ein Bild, das so
eindrücklich ist, dass es sich dafür allein lohnt, die Fahrt zum Haus der
Berliner Festspiele anzutreten: Es stammt von Meng Huang, der seit einigen
Jahren in Peking und Berlin lebt und mit dem sich Liao Yiwu zu einer Art
Notgemeinschaft im Exil zusammengetan hat. Auf einer Gesamtlänge von über
17 Metern zeigt das Ölbild einen Staudamm in der Heimatprovinz des Malers
in Schwarz und Weiß. Es wirkt unterkühlt. Sachlich berichtet es vom wohl
folgenreichsten Dammbruch in der Geschichte der Menschheit im Jahr 1975,
der bis zu 230.000 Menschen das Leben kostete. Dieser Vorfall wird in China
bis heute unter Verschluss gehalten.
6 Sep 2012
## AUTOREN
Susanne Messmer
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