# taz.de -- Sozialer Wohnungsbau: Ein bisschen Wohnraum für Arme | |
> Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan macht Geld für | |
> Sozialwohnungen locker, wird dem Bedarf aber nicht gerecht. | |
Bild: Gibt es in Niedersachsen zu wenig: Sozialer Wohnungsbau. | |
HAMBURG taz | Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) erhöht die | |
Mittel für die Wohnungsbauförderung – um zehn Millionen Euro für das | |
laufende Jahr. Diese Mittel sollen in ein neues Programm fließen, mit dem | |
besonders Wohnungen in Städten für Menschen mit kleinem und mittlerem | |
Einkommen gefördert werden sollen. Die Opposition kritisierte das als | |
Tropfen auf einem heißen Stein. | |
Die neue Förderung bietet Bauherren einen Zuschuss von 40.000 bis 60.000 | |
Euro für Wohnungsneubauten, wenn sie sich auf eine Deckelung der Miethöhen | |
einlassen und die Förderkriterien erfüllen. Das Geld reicht also für rund | |
200 Wohnungen im Jahr. | |
Das Sozialministerium selbst geht von einem Bedarf von 151.000 neuen | |
Wohnungen bis zum Jahr 2030 aus. „Das ist ein Anfang“, findet Özkans | |
Sprecher Thomas Spieker. „Wir setzen einen Anreiz.“ Nun seien die Kommunen | |
und die Wohnungswirtschaft am Zuge. | |
Die Opposition kritisiert das Programm, weil es spät kommt und klein ist. | |
Die zehn Millionen Euro wirkten wie ein Strohfeuer, weil die Förderung nur | |
einmal erhöht wird, sagt Marco Brunotte von der SPD-Landtagsfraktion. Das | |
Land sei nun seit mehr als fünf Jahren für die Wohnraumförderung zuständig, | |
doch erst jetzt würden die 40 Millionen Euro Fördergeld vom Bund mit | |
eigenen Landesmitteln aufgestockt, kritisiert Miriam Staudte von den | |
Landtagsgrünen. Hans-Henning Adler von der Linken erinnert an den Vorschlag | |
seiner Fraktion, 25 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen. | |
Doch der Bedarf an günstigem Wohnraum ist vielleicht noch viel höher, als | |
die Landesregierung annimmt. 351.000 Sozialwohnungen in Niedersachsen | |
fehlen in diesem Jahr schon, behauptete das Pestel-Institut am Montag. Es | |
veröffentlichte regionalisierten Zahlen aus einer Studie zum Bedarf an | |
Sozialwohnungen in Deutschland. Die hatten die Gewerkschaft IG Bau, der | |
Mieterbund und Branchenverbände der Bauwirtschaft in Auftrag gegeben. | |
Das Institut zählt alle Haushalte zusammen, in denen Alleinstehende oder | |
Alleinerziehende mit weniger als 900 Euro Nettoeinkommen pro Monat leben | |
und Paarhaushalte mit weniger als 1.500 Euro Nettoeinkommen. Diese Werte | |
orientieren sich an den Einkommensgrenzen, ab denen man in den Ländern | |
berechtigt ist, geförderte Wohnungen zu beziehen. | |
Von der Summe dieser Haushalte ziehen die Forscher einen pauschalen Betrag | |
ab für die Haushalte in den eigenen vier Wänden und für Menschen, die in | |
einem dünn besiedelten Gebiet leben. Übrig bleiben 436.000 Haushalte, die | |
theoretisch Bedarf haben könnten – doch das Land bietet bisher nur 85.000 | |
Sozialwohnungen an. | |
Das heißt nicht, dass in Niedersachsen 350.000 Haushalte von | |
Obdachlosigkeit bedroht wären, es kann aber bedeuten, dass sie verdrängt | |
werden. „Die Jungen wollen in die Städte, doch die Familien ziehen nicht | |
mehr weg wie früher“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Mit fast | |
jedem Mieterwechsel verschwänden günstige Wohnungen. „Das Land hat dem | |
nichts entgegen zu setzen“, sagt Günther. | |
Von Özkans Programm hält Günther nicht viel. Das sei mengenmäßig | |
unbedeutend. „Wir würden uns ja schon freuen, wenn die vollständigen | |
Kompensationsmittel des Bundes in den Wohnungsbau fließen würden“, sagt er. | |
Wenn das Geld, wie zurzeit, nicht vollständig abgerufen werde, müsste das | |
Land die Kriterien verändern. | |
Auch im Vergleich zu anderen Ländern ist das Engagement nicht sehr | |
beeindruckend: In Schleswig-Holstein gibt die Landesregierung jedes Jahr 90 | |
Millionen Euro für die Wohnraumförderung aus, nur 12,6 Millionen kommen vom | |
Bund. Bremen hat gerade beschlossen, für dieses und nächstes Jahr 40 | |
Millionen Euro bereit zu stellen.Und in Hamburg gibt der Senat 189 | |
Millionen Euro für die Wohnraumförderung aus - über 100 Millionen Euro | |
allein für Neubauten und finanziert das überwiegend aus dem städtischen | |
Haushalt. Vom Bund kommen nur 9 Millionen Euro. Das Geld soll reichen, um | |
2.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr zu finanzieren. | |
10 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
## TAGS | |
Sozialwohnungen | |
Gentrifizierung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sozialer Wohnungsbau: 4,78 Euro pro Quadratmeter | |
In Deutschland gilt sozialer Wohnungsbau als zu teuer. Ein Modell aus | |
Österreich zeigt, dass es geht: nachhaltig niedrige Mieten, ohne Banken, | |
mit Balkon. | |
Kommentar neue Mieterproteste: Aufgeblasene Immobilienbranche | |
Die Mieten steigen. Ängste aus dem vertrauten Lebensumfeld vertreiben zu | |
werden, treten hervor. Die Mieter sind abhängig. | |
Kommentar Sozialer Wohnungsbau: Schwaches Signal | |
Wenn Ministerin Özkan mehr will als Wahlkampf-Bonbons verteilen, dann wäre | |
ein längerfristiges Engagement und mehr Geld nötig. | |
Senatsinitiative für Sozialen Wohnungsbau: "Heizen oder Essen" | |
Mit fast 40 Millionen Euro will der Senat die Wohnungsnot lindern. Den | |
Wettlauf mit der Entfristung der Altbestände kann er nicht gewinnen. | |
Studie zu sozialem Wohnungsbau: Die Wohnungspolitik wird unsozial | |
In Deutschland fehlen vier Millionen Sozialwohnungen für Geringverdiener. | |
Im vergangenen Jahrzehnt verschwanden pro Jahr 100.000 Wohnungen. | |
Streit um Wohnraum am Kottbusser Tor: Frau Aydin und die steigenden Mieten | |
Seit zwölf Wochen wehren sich Anwohner am Kottbusser Tor gegen steigende | |
Mieten, heute rufen sie wieder zur Demonstration. Die Frührentnerin Hülya | |
Aydin ist immer dabei. | |
Zahl der Sozialwohnungen gesunken: Billige Wohnungen werden rarer | |
Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland ist um ein Drittel gesunken. | |
Inzwischen sind die meisten Hartz-IV-Empfänger auf den kommerziellen | |
Wohnungsmarkt angewiesen. |