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# taz.de -- Fresenius beschränkt Propofol-Verkauf: „Todescocktails“ werden…
> In den USA soll ein weit verbreitetes Narkotikum für Hinrichtungen
> eingesetzt werden. Der deutsche Hersteller Fresenius Kabi will das
> verhindern.
Bild: Propofol: Michael Jackson starb an einer Überdosis des Narkotikums.
BERLIN/BRÜSSEL taz | Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi
beschränkt mit sofortiger Wirkung den Vertrieb seines Narkosemittels
Propofol in den Vereinigten Staaten. Das erklärte der Sprecher des
Unternehmens, Joachim Weith, am Dienstag gegenüber der taz.
Der Konzern mit Sitz in Bad Homburg reagiert damit auf die Ankündigung des
US-Bundesstaates Missouri, das Medikament künftig für Hinrichtungen
einsetzen zu wollen ([1][sonntaz vom 1./2. September 2012]). Die Zahl der
Großhändler, die Propofol künftig noch in den USA im Auftrag von Fresenius
Kabi an Krankenhäuser, Apotheken und Ärzte weiter verkaufen dürfen, werde
von derzeit etwa 30 Händlern auf elf bis 15 reduziert, sagte Weith: „Je
weniger Beteiligte es gibt, desto besser ist der Vertrieb zu steuern.“
Die Großhändler müssten zudem eine schriftliche Erklärung gegenüber
Fresenius Kabi abgeben, wonach sie sich verpflichten, „nicht an
Gefängnisse, nicht an Strafvollzugsbehörden und nicht an
Gefängniskrankenhäuser zu liefern“. Jede Bestellung müsse auf die
Einhaltung dieser Vorschriften geprüft werden. Die neue Regelung, so Weith,
sei „strafbewehrt“. „Verstößt ein Händler gegen den Vertrag, verliert …
umgehend das Recht, Propofol zu vertreiben.“
Auf diese Weise wolle das Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, „dass
sicher gestellt wird, dass Propofol – jedenfalls auf legalem Weg – nicht in
Gefängnisse gelangt“. Die Nutzung des Medikaments für Todesspritzen in
amerikanischen Gefängnissen widerspreche dem Auftrag des Unternehmens,
Leben zu schützen, heißt es in dem Brief, den Fresenius Kabi vor wenigen
Tagen an seine US-Kunden schickte und der der taz vorliegt.
## Schnelle Reaktion des Pharmakonzerns
Der Entscheidung voran gegangen waren wochenlange Verhandlungen vor allem
mit der Menschenrechtsaktivistin Maya Foa von der britischen
Nichtregierungsorganisation [2][Reprieve]. Foa hatte sich dafür eingesetzt,
den Export des Arzneimittels in die USA besser zu überwachen, um den
Missbrauch für Todesspritzen zu verhindern. „Fresenius Kabi hat sehr
schnell reagiert. Sie wollten unbedingt verhindern, dass sie mit
Hinrichtungen in Verbindung gebracht werden. Ich bin sehr froh“, sagte Foa
der taz.
Ein absoluter Verkaufsstopp war nicht realistisch, weil Propofol in den USA
rund 50 Millionen Mal im Jahr in 15.000 Kliniken und Praxen und vor allem
für Vollnarkosen verwendet wird. Patienten, deren Leben oft vom schnellen
Einsatz des Medikaments abhängt, müsse das Mittel auch in Zukunft zur
Verfügung stehen, hatte Fresenius Kabi immer wieder betont. Derzeit hält
das Unternehmen das Monopol für die US-weite Versorgung mit Propofol.
Maya Foa ist überzeugt, dass die Entscheidung von Fresenius Kabi
Hinrichtungen in den USA weiter verzögern, vielleicht sogar verhindern
wird: „Mehrere Staaten erwägen zurzeit, auf Propofol umzusteigen. Sie
werden das jetzt nicht tun. Ihnen fehlt das Gift.“ Tatsächlich werden die
Zutaten für die Todescocktails immer knapper. Bereits Ende vergangenen
Jahres verhängte die Europäische Union eine Exportkontrolle für die bisher
am häufigsten verwendeten Mittel Pentobarbital und Sodium Thiopental.
## Propofol – eine „kluge Wahl“
Der US-Bundesstaat Missouri hatte daraufhin erwogen, auf Propofol
umzusteigen - aus Sicht der Strafvollzugsbehörden schien dies eine kluge
Wahl: Propofol ist, anders als etwa Pentobarbital oder Sodium Thiopental,
kein Nischenprodukt. Damit ist ein etwaiger Missbrauch schwieriger zu
überwachen. Fresenius Kabi ist bereits das zweite Unternehmen, das sich mit
der Hilfe von Reprieve zu einer eigenen Kontrolle des Verkaufs
verpflichtet.
Der dänische Konzern Lundbeck, der Thiopental in die USA liefert, hatte
seinen Vertrieb im vergangenen Jahr ebenfalls umgestellt und damit den
Engpass in den Todeszellen verschärft. Der Fresenius Kabi-Sprecher Weith
sagte, es sei auch nicht zulässig, dass die Behörden aus Missouri sich das
Propofol jetzt einfach über andere Distributoren besorgten, etwa aus
Frankreich oder China: Eine solche Einfuhr habe die
US-Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA untersagt.
„Es ist ein wichtiges Signal der Pharmaunternehmen, dass ihre Medikamente
nur verwendet werden sollen, um Leben zu retten, nicht um Leben zu
vernichten“, sagt Foa.
11 Sep 2012
## LINKS
[1] /1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/
[2] http://www.reprieve.org.uk/
## AUTOREN
H. Haarhoff
R. Reichstein
## TAGS
Arizona
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