Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schwedische Journalisten freigelassen: 438 Tage äthiopischer Knast
> Zwei Journalisten sind nach langer Haft in Äthiopien freigelassen worden.
> Ihre Geschichte wirft ein schlechtes Licht auf Schwedens Regierung.
Bild: Johan Persson (li.) und Martin Schibbye geben ihr erstes Interview nach d…
STOCKHOLM taz | Nach 438 Tagen in äthiopischen Gefängnissen kamen am Montag
zwei schwedische Journalisten wieder auf freien Fuß. Im Dezember 2011 wegen
illegaler Einreise und angeblicher Terrorunterstützung zu 11 Jahren Haft
verurteilt, waren Martin Schibbye und Johan Persson im Rahmen einer fast
2000 Häftlinge umfassenden allgemeinen Amnestie anlässlich des äthiopischen
Neujahrsfests am 11. September von der Regierung in Addis Abeba begnadigt
worden.
Neben Freude über diese Freilassung mischt sich in Schweden teilweise
scharfe Kritik, dass es so lange dauern musste, diese Journalisten wieder
freizubekommen. Verhaftet worden waren Schibbye und Persson Anfang Juli
2011 nach illegaler Einreise aus Somalia ins äthiopische Ogaden.
Sie hatten die Absicht dort den Aktivitäten des schwedischen Ölkonzerns
Lundin Oil nachzugehen. Eine Firma aktiv in vielen Ländern, die grossen
Ölkonzernen „zu heiss“ waren und sind. Beispielsweise in
Bürgerkriegsgebieten Sudans oder Äthiopiens.
Pikant für die Regierung in Stockholm: Außenminister Carl Bildt sass bis
kurz vor seinem Amtsantritt 2006 im Aufsichtsrat von Lundin Oil. In dieser
Zeit waren dort auch die Grundlagen für deren umstrittenes
Ogaden-Engagement gelegt worden. Inwieweit dies das Verhalten Stockholms
bestimmte oder nicht: Die schwedischen Regierung agierte jedenfalls
zunächst auffallend passiv.
## Selber schuld
Nach der Verhaftung wurde in Frage gestellt, ob es sich bei Schibbye und
Persson wirklich um Journalisten handelte und Bildt meinte, sie seien
selbst schuld, wenn sie illegal einreisten. Dabei wusste der Außenminister
sehr gut, dass anders eine Berichterstattung aus Ogaden unmöglich gewesen
wäre.
Erst eine breite Medienkampagne führte dazu, dass Stockholm sich bequemte,
intensiver für die Freilassung der beiden Journalisten zu arbeiten. Der
Druck auf die schwedische Regierung stieg, nachdem vor einem äthiopischen
Gericht eine Terroranklage auf Grundlage manipulierter Beweise inszeniert
wurde, während in vergleichbaren Fällen beispielsweise US-Journalisten nach
wenigen Tagen wieder frei gekommen waren.
Auch vor dem Hintergrund, dass Stockholm zwischenzeitlich Washington in die
Bemühungen zu einer Freilassung eingeschaltet hatte, hätte es sich zu einer
Belastung für die äthiopische Regierung entwickeln können, die beiden
Journalisten noch länger in Haft zu halten, meint Kjetil Tronvoll,
Professor am Menschenrechtzentrum der Universität Oslo und
Äthiopienexperte. Die Terrorverurteilung von Schibbye und Persson habe ja
offenbar auch ihren Zweck erreicht – andere internationale Journalisten vom
Versuch einer Einreise nach Ogaden abzuschrecken.
## Keine Kritik an Äthiopien
Mutmassliche Gegenleistung Stockholms für die Freilassung, die laut
Schwedens Aussenminister Bildt ihm gegenüber von dem zwischenzeitlich
verstorbenen Ministerpräsidenten Meles Zenawi bereits am 10. Mai bei einem
Besuch in Addis Abeba angekündigt worden war, scheint der Verzicht der
schwedischen Regierung auf jede öffentliche Kritik an Äthiopien gewesen zu
sein.
Aufgefallen war auch, dass Bildt am vorletzten Sonntag die Trauerfeier für
Zenawi anwesend war. Kein anderes westliches Land war in Addis Abeba auf so
hohem politischen Niveau vertreten, wie Schweden – nicht einmal die USA.
Zu den Modalitäten der Freilassung gehörte unter anderem, dass Schibbye und
Persson einen Auftritt im äthiopischen Fernsehen absolvieren mussten. Dort
bedauerten sie ihre illegale Einreise als „grössten Fehler ihres Lebens“.
Nun hätten sie Veranlassung sich dafür zu bedanken „dass das äthiopische
Volk und seine Regierung unsere Entschuldigung angenommen hat“.
## Pressefreiheit weiter eingeschränkt
In einer Presseerklärung des äthiopischen Aussenministeriums wird betont,
der Beschluss zur Begnadigung sei getroffen worden, weil die Gefangenen
„echte Reue für ihre Verbrechen gezeigt und sich im Gefängnis gut geführt
hatten“.
Etwaige Hoffnungen auf eine weniger strikte Medienkontrolle unter
Hailemariam Desalegn, dem kommisarischen Regierungschef und vorläufigen
Nachfolger von Zenawi, wurden nach Einschätzung von „Amnesty International“
gleich enttäuscht. „Business as usual“ konstatierte die
Menschenrechtsorganisation unter Hinweis auf das Vorgehen gegen Temesgen
Desalegn, den Chefredakteur der unabhängigen Wochenzeitung „Feteh“.
Desalegn war wenige Tage nach der Amtsübernahme durch den neuen Premier
festgenommen, wenn auch mittlerweile wieder freigelassen worden. Es müsse
Schluss sein mit der Zurückhaltung gegenüber Äthiopien, fordert der im
schwedischen Exil lebende äthiopische Journalist Mesin Negash im
stockholmer Dagens Nyheter: Die internationale Gemeinschaft müsse sich
jetzt für alle Journalisten einsetzen, die wegen ihrer Arbeit in Äthiopien
nach wie vor inhaftiert seien. Ein ähnlicher Appell kommt auch von der NGO
[1][„Committee to Protect Journalists“].
12 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.cpj.org/2012/09/ethiopia-must-release-journalists-who-remain-in-…
## AUTOREN
Reinhard Wolff
Reinhard Wolff
## TAGS
Unternehmen
Israel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schwedischer Ölkonzern Lundin-Energy: Spitzenmanager angeklagt
Nach 11 Jahren Ermittlungen: Wegen mutmaßlicher Beihilfe zu
Kriegsverbrechen in Sudan verfolgt Schwedens Justiz zwei
Lundin-Energy-Direktoren.
Pleite der israelischen Zeitung „Ma’ariv“: Sie wollen gekauft werden
Fremdinvestoren gesucht: Den etablierten israelischen Tageszeitungen wie
„Ma'ariv“ geht es schlecht. Geld soll von außen kommen. Zulasten der
Pressefreiheit.
Debatte Äthiopien nach Zenawi: Kafka kam bis Addis Abeba
Nach dem Tod von Staatschef Meles Zenawi ist Kontinuität angesagt. Das
Vorbild heißt China: Entwicklung ohne westliche Demokratie.
Antiterror-Prozess gegen Journalisten: Anklage mit heiklen Folgen
Zwei schwedische Journalisten stehen in Addis Abeba vor Gericht. Sie
spürten dort der Firma Lundin-Öl nach. Das ist Außenminister Carl Bildt
alles andere als recht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.