# taz.de -- Apachenromantik in Arizona: Winnetous Heimkehr | |
> Aus Radebeul importiert sind die Ausstellungsstücke im Museum von Cochise | |
> in Arizona. Zu Besuch im echten Wilden Westen. | |
Bild: Die nachgebaute Westernstadt in Cochise. | |
„Ein Marterpfahl? Was soll denn das sein? Gefangene wurden damals einfach | |
an einen Baum gefesselt“, sagt Jesus, der Apache. Und kam es vor, dass sie | |
gefoltert wurden? „Oh ja, natürlich, mit Agavenspitzen, die unter die | |
Fingernägel getrieben wurden. Oder ihnen wurden die Fußsohlen | |
abgeschnitten“, erklärt Jesus. Jesus und Charlie führen die Gäste der | |
Apache Spirit Ranch zu den Dragoon Mountains. | |
Die Drachenberge liegen in Cochise County, Arizona, an der Grenze zu | |
Mexiko, benannt nach Cochise, dem letzten großen Häuptling der Apachen. Er | |
ist hier, irgendwo unter den roten Felsen, begraben. Jesus ist, wie | |
Cochise, ein Apache vom Stamm der Chiricahua, Charlie ist Yaqui. Yaqui | |
gehören weitläufigst zu den Azteken; sie haben lange gegen die Spanier | |
gekämpft, so wie die Apachen gegen die Anglos. | |
In den Drachenbergen türmen sich gewaltige rötliche Felsbrocken zwischen | |
Kakteen und Agaven. Auf einigen finden sich Felszeichnungen, mehr als 3.000 | |
Jahre alt: Schamanen mit Speeren, Sterne, eine stilisierte Milchstraße. Sie | |
stammen nicht von den Apachen, die erst vor tausend Jahren kamen, aus dem | |
Norden. „Damals haben hier die Anazasi gelebt und die Zuni“, erklärt | |
Charlie. „Die Zuni“, sagt Jesus, „nannten sich Menschen des blauen Lichts. | |
Sie glaubten, sie stammen von den Sternen ab.“ „Nachts“, sagt Charlie, | |
„kann man hier manchmal die ’Caretaker‘ singen hören, die unsichtbaren | |
Beschützer der Apachen. So eine Art Manitu also.“ | |
Die beiden echten Apachen kennen tatsächlich Winnetou, den nicht so ganz | |
echten Häuptling der Apachen, und zwar durch Peter Stenger. Stenger ist | |
Karl-May-Fan und Besitzer der Apache Spirit Ranch; er stammt aus München. | |
Die Ranch liegt bei Tombstone, die Stadt, die „zu zäh ist zum Sterben“. Vor | |
drei Jahren hat Peter das Anwesen gekauft und es in eine kleine | |
Wildwest-Straße verwandelt, mit Bordell, Gefängnis, Postamt, Grand Hotel, | |
Sattlerei, Mining Office und der Wells-Fargo-Bank und stilecht dekorierten | |
Hotelzimmern. Hier kann man reiten, schießen und lernen, wie man Kühe und | |
Stiere um Hindernisse herumtreibt. | |
Das zeigt mir Jenna, ein dunkelhaariges schlankes Cowgirl, die sicher im | |
Sattel sitzt. „Vorsicht vor dem Stier, wenn der ärgerlich wird“, sagt sie, | |
und ich gehe respektvoll dem gehörnten Tier aus dem Weg, bis ich merke, | |
dass das eine Kuh ist und der Stier weiter hinten faul im Sand liegt. | |
Vor drei Tagen bin ich in Los Angeles aufgebrochen, mit dem Nachtzug, der | |
500 Meilen durch Kalifornien und Arizona rollt. Um halb sieben gibt es | |
Frühstück, Eier mit Speck und Kartoffeln, Kaffee. Um acht ist der Zug in | |
Tucson, der zweitgrößten Stadt von Arizona, von hier aus geht es mit dem | |
Mietauto weiter nach Tombstone. | |
Tombstone war einmal eine Silberminenstadt, mit drei Zeitungen, vier | |
Kirchen und über hundert Saloons. Hier fand 1881 die – oft verfilmte – | |
Schießerei am O. K. Corral statt, zwischen Sheriff Wyatt Earp, seinen | |
Brüdern und Doc Holliday einerseits und den Vigilantes andererseits. Das | |
waren ein halbes Dutzend Cowboys, die davon lebten, dass sie Rinder in | |
Mexiko stahlen und verkauften. Heute gibt es nur noch einen Saloon, Big | |
Nose Kate, benannt nach Doc Hollidays Freundin, einer Prostituierten, die | |
sich zur Bordellbesitzerin hochgearbeitet hatte. | |
## Karl-May-Museum im Wilden Westen | |
Männer mit Colts, langen Hosen und schwarzen Hüten stellen mehrmals täglich | |
die damaligen Schießereien für Touristen nach. Charlie und Jesus finden das | |
albern. „Das sind Schaufensterpuppen“, sagt Jesus. „Früher war Tombstone | |
noch cool. Als wir damals das erste Mal eingeritten sind, hat uns der Wirt | |
von ’Big Nose Kate‘“ gesagt, wenn wir uns mit den Touristen unterhalten, | |
dürfen wir umsonst trinken.“ | |
Seit Neuestem ist Tombstone um eine Attraktion reicher: Ein | |
Karl-May-Museum, bei dem Winnetou als Papp-Aussteller vor der Tür steht. | |
Der aus dem Buch, nicht Pierre Briece. Peter Stenger hat es gegründet, es | |
liegt in der South 4th Street, Schritte von der Allen Street, der | |
Hauptstraße, entfernt. Zur Eröffnung schaut ein Ehepaar herein, das den | |
„Tombstone Epitaph“ betreibt, ein paar deutsche Touristen und zwei | |
ehemalige GIs, die einst in Deutschland waren. Vieles wurde vom | |
Karl-May-Museum in Radebeul zur Verfügung gestellt: besticktes Leder, | |
Pfeiltaschen, eine Trommel. Die Muster seien original, aber die Exponate | |
seien in Radebeul handgefertigt, nach historischen Vorlagen, sagt Peter. | |
Echte indianische Antiquitäten seien leider zu teuer. Schautafeln erzählen | |
von Karl May, der auf seine alten Tage tatsächlich in Amerika war, aber in | |
New York. Seine apachischen Blutsbrüder hat er nie gesehen. | |
## Freunde fürs Leben | |
Gab es bei den Apachen wirklich Blutsbrüder? Oh ja, sagt Jesus. Auch | |
Cochise hatte einen weißen Blutsbruder, Tom Jeffords; einer der Felsen in | |
den Dragoon Mountains ist nach ihm benannt. 1861 hatte eine Gruppe Apachen | |
eine Ranch überfallen, den zwölfjährigen Sohn mitgenommen und ein paar | |
Kühe. Der örtliche Lieutenant, der frisch von der Militär-Akademie | |
Westpoint kam, verdächtigte Cochise. Er lud den Häuptling ein und nahm ihn | |
dann gefangen. „Aber Cochise schnitt mit seinem Messer das Zelt auf und | |
floh“, sagt Charlie. | |
Cochises Bruder und dessen Söhne jedoch blieben zurück und wurden von der | |
U. S. Army exekutiert. Nun herrschte Krieg. „Cochise und seine Leute haben | |
den ganzen Landstrich entvölkert“, sagt Charlie. Dann kam Jeffords. Er war | |
der Chef eines Pony Express, der dauernd von den Apachen angegriffen wurde. | |
„Er ging zu Cochise, unbewaffnet, und er verstand die Sprache der Apachen“, | |
erklärt Jesus. „Das hat Cochise beeindruckt. Die beiden wurden Freunde fürs | |
Leben.“ | |
1872 gelang es Jeffords, einen Frieden zu verhandeln. Aber nur drei Jahre | |
später – Cochise war inzwischen gestorben – brach Washington den Vertrag | |
und sperrte die Chiricahua in die malariaverseuchte San Carlos Reservation. | |
„Da starben die meisten“, sagt Jesus. Nun nahmen die Apachen die Waffen | |
wieder auf, unter der Führung von Geronimo, dem Häuptling der Mescalero. | |
„Mein Urgroßvater ist noch mit Geronimo geritten“, sagt Jesus. | |
## Eine Schlägerei für Gäste im Saloon | |
Am Abend, auf der Apache Spirit Ranch, gibt es Steak und Kartoffeln. Dann | |
stürmen die Vigilantes aus Tombstone den Saloon und fangen eine Schlägerei | |
an. Für die Gäste. Später erzählt Ike, einer der Vigilantes, dass er in New | |
York City gelebt habe. Ninth Avenue und 34th Street. Ein Country-Musiker | |
mit Gitarre verführt alle zum Mitsingen. Ike wird gescholten, weil er bei | |
Dixie, der Hymne der Südstaaten, den Hut aufbehalten hat. | |
Am nächsten Tag geht es weiter mit dem Auto nach New Mexico, an Apache | |
vorbei, einem Kaff an den Chiricahua-Bergen. In diesen Bergen wurde | |
Winnetou begraben, von seinem Blutsbruder Old Shatterhand. Am Straßenrand | |
steht ein Mahnmal für Geronimo, den letzten echten Führer der | |
Mescalero-Apachen. Hier hat er sich ergeben. „Er hätte eher aufgeben | |
müssen“, sagt Jesus zum Abschied. „Dann hätten vielleicht mehr von uns | |
überlebt.“ | |
15 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Eva C. Schweitzer | |
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