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# taz.de -- Tabakindustrie gegen EU-Pläne: In Rauch aufgelöst
> Auf der Tabakwarenmesse „Inter-tabac“ beklagt die Branche, die
> EU-Kommission würde ihre Existenz bedrohen. Es herrscht dicke Luft.
Bild: Auf der Tabakmesse darf noch nach Herzenslust geraucht werden, auch Zigar…
DORTMUND taz | Die Spitzen der deutschen Tabakindustrie sehen bedrückt aus.
Zwar darf bei der größten europäischen Tabakmesse „Inter-tabac“ in den
Dortmunder Westfalenhallen noch kräftig geraucht werden – doch Marcus
Schmidt, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zigarettenverbands und im
Hauptjob Chef des Glimmstängel-Herstellers Reemtsma, wirkt trotz
zurückgegelter Haare und offenem rosafarbenen Hemd alles andere als
entspannt.
Seiner Firma drohe die „Enteignung“, klagt der Raucher. Eigenmächtig plane
EU-Gesundheitskommissar John Dalli die „systematische Störung des freien
Markts“. Dabei ist das, was Schmidt in die Luft gehen lässt, in Brüssel
Routine: Dalli lässt die Tabakproduktrichtlinie überarbeiten.
Für die Produzenten droht damit ein Katalog des Schreckens: Wie heute etwa
in Frankreich sollen europaweit nicht nur drastisch-abschreckende Fotos von
Raucherlungen und -beinen auf die Kippenschachteln gedruckt werden. Die
Warnhinweise dürften auch größer werden: Statt heute 30 könnten sie künftig
75 Prozent der Verpackung bedecken.
Dalli arbeitet offenbar an der Horrorvision der Industrie: der
Einheitszigarette. Dünne oder kurze Kippen sollen verschwinden. Und in fünf
Jahren könnte sogar die nackte Verpackung anstehen – auf den Schachteln
gäbe es keinerlei Markenlogos mehr, Werbung wäre sinnlos.
„Tabakwarengeschäfte würden zu tristen Tabakabgabestellen“, barmt Rainer
von Bötticher, Präsident des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels.
Entsprechend dicke Luft herrscht auch an den Messeständen. „Die
Tabakproduktrichtlinie ist hier Thema Nummer eins“, sagt Hans-Josef
Fischer, Geschäftsführer der Zigarettenfabrik Heintz van Landewyck.
Deutliche Warnhinweise vor den tödlichen Gefahren des Rauchens hält er für
überflüssig: „Rauchen kann gesundheitsschädigend sein – aber unsere Kund…
sind darüber doch schon informiert.“
## Kulturgut oder Suchtmittel
Andere Industrievertreter sagen, Rauchen sei „legal“, Tabak ein
„Kulturgut“. Vom „Genussraucher“ ist viel zu hören. Der unter Suchtstr…
stehende Kettenraucher wird nicht erwähnt – schließlich ist der Tabakhandel
noch immer ein Milliardengeschäft: Über 38 Milliarden Zigaretten wurden im
ersten Halbjahr 2012 in Deutschland verkauft. Selbst nach Abzug von über 14
Milliarden Euro Tabaksteuern verzeichnete die Industrie 2011 einen Umsatz
von mehr als 8 Milliarden Euro. „Es wird mehr und höherwertig konsumiert“,
freut sich Bötticher.
Im Verkaufsbereich ist die Welt der vielen Raucher und wenigen
Raucherinnen, die in die ausschließlich für Fachbesucher geöffneten
Westfalenhallen gekommen sind, deshalb noch in Ordnung. Dicke Rauchschwaden
wabern um Stände von Zigarrenherstellern wie Villiger aus
Baden-Württemberg, der über seine Tochterfirma Habanos auch kubanische
Havannas vertreibt. Geworben wird für Produkte mit Namen wie „Admiral“,
„Baron“ oder „Churchill“.
Hostessen in extrem kurzen Röcken präsentieren Tabakwaren, teure Humidore
oder Feuerzeuge. Für Kiffer sind Bongs und lange Blättchen im Programm –
alles ein Riesengeschäft für die 369 Aussteller auf der Tabakmesse. Und das
soll so bleiben. Schon jetzt kündigt Reemtsma-Chef Schmidt an, Dallis
Tabakrichtlinie mit verstärktem Lobbyismus unterlaufen zu wollen: „Wir
werden so schnell wie möglich das Gespräch mit Politikern suchen.“
14 Sep 2012
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Dortmund
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