# taz.de -- Kommentar Blockaden gegen Neonazis: Beinahe eine Rechtsbeugung | |
> Das Urteil, dass Blockaden gegen Naziaufmärsche geübt werden dürfen ist | |
> richtig. In der Begründung aber bleibt es inkonsequent und nicht | |
> zielführend. | |
Zumindest das Üben einer Nazi-Blockade ist erlaubt. Das hat jetzt das | |
Oberverwaltungsgericht Münster entschieden. Das polizeiliche Verbot einer | |
Trainingsblockade in Stolberg bei Aachen war unzulässig, erklärten die | |
Richter. | |
In der Vorinstanz hatte das Verwaltungsgericht Aachen noch entschieden, | |
dass in einer Trainingsblockade zugleich ein Aufruf zur Begehung einer | |
Straftat zu sehen ist. Denn das Blockieren werde ja nur geübt, um später | |
eine Nazi-Demo grob zu stören und das ist nach dem Versammlungsgesetz | |
strafbar. | |
Die Münsteraner Richter unterschieden nun aber feinsinnig, dass nicht jede | |
Blockade einer rechten Demo strafbar ist (und deshalb das bloße Üben einer | |
Sitzblockade auch nicht bestraft werden muss). Wenn eine rechte Demo nur | |
symbolisch für eine symbolische Zeit blockiert wird, sei dies erlaubt. Erst | |
wenn die Nazi-Demo eine „erhebliche“ Zeit blockiert wird und nicht | |
ausweichen kann, sei die Störung des rechten Marsches strafbar | |
Abstrakt klingt die Unterscheidung logisch: Soweit die Antifa mit ihren | |
Blockaden nur ein dramatisierendes Symbol setzen will, ist sie selbst vom | |
Demonstrationsrecht geschützt. Doch endet dieser Schutz, so die Münsteraner | |
Richter, sobald sie nicht mehr auf symbolische Kommunikation, sondern auf | |
Selbstjustiz setzt. | |
## Kein kleines Intermezzo | |
Im konkreten Fall hilft diese Theorie aber nur weiter, wenn man wie die | |
Münsteraner Richter beide Augen zudrückt. Die Stolberger Trainingsblockade | |
zielte nämlich keineswegs auf ein kleines symbolische Intermezzo ab, | |
vielmehr sagten die Aufrufe klar, warum es ging: Man wollte üben, den | |
Stolberger Nazi-Marsch „zu blockieren und so zu verhindern“. Das | |
Münsteraner Urteil sieht also eher wie eine kleine Rechtsbeugung aus als | |
wie eine überzeugende Anwendung der eigenen Theorie. | |
Eine Lösung des Grundrechtekonflikts könnte an einem anderen Punkt | |
ansetzen: Bisher achten Polizei und Gerichte zu sehr darauf, dass die | |
rechte Demonstration ihren Marsch auf der geplanten Route durchführen kann | |
und daran nicht von Gegendemonstranten gehindert wird. | |
Tatsächlich ist das Selbstbestimmungsrecht über Ort und Verlauf einer | |
Demonstration zwar ein wichtiges Recht – aber vor allem gegenüber dem | |
Staat. Dagegen sind protestierende Gegendemonstranten ebenfalls vom | |
Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt. Es läge deshalb nahe, hier | |
einen Ausgleich zu suchen, der allen Beteiligten gerecht wird. | |
## Eine Lösung für alle? | |
Die Rechten wollen Aufmerksamkeit und bekommen diese auch, wenn ihr | |
Abmarsch blockiert wird. Für sie ist es also eine zweitrangige Frage, ob | |
sie loslaufen können oder nur eine stationäre Kundgebung am Auftaktort | |
durchführen. | |
Dagegen ändert sich bei dieser Sichtweise für die Gegendemonstranten | |
vieles. Eine auf Dauer angelegte friedliche Sitzblockade einer rechten Demo | |
müsste danach nicht als "grobe Störung" dieser Demo gewertet werden, weil | |
deren Kommunikationswirkung ja nicht gestört, sondern eher verstärkt würde. | |
Dann wäre die Blockade nicht strafbar und müsste auch nicht geräumt werden. | |
Aufrufe hierzu und Probeblockaden wären dementsprechend auch nicht | |
strafbar. | |
Auch die Polizei hätte weniger Arbeit und Ärger. Solange die Lage friedlich | |
bleibt, muss sie nur die beiden Lager trennen. Verglichen mit dieser Lösung | |
ist das Münsteraner Urteil nicht nur inkonsequent, sondern auch halbherzig. | |
19 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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