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# taz.de -- Regierungskrise in Indien: Politische Krise in Delhi
> Wegen der Erhöhung der Energiepreise entzieht die Ministerpräsidentin
> West-Bengalens der indischen Regierung die Unterstützung.
Bild: Ohne mich! – Mamata Banerjee informiert über den Ausstieg aus Indiens …
DELHI taz | Indien hat nur noch eine Minderheitsregierung. Zumindest für
die nächsten drei Tage, aber wahrscheinlich noch länger. Das bewirkt eine
kleine, durchsetzungsfähige Frau, der kürzlich sogar Hillary Clinton in
offizieller Funktion eine Aufwartung machte.
Sie heißt Mamata Banerjee, ist seit über einem Jahr Ministerpräsidenten des
einflussreichen indischen Bundesstaats West-Bengalen und war einmal eine
zuverlässige Verbündete der regierenden Kongresspartei. Doch jetzt nicht
mehr.
Am Dienstagabend kündigte Banerjee in Kalkutta den Rückzug ihrer Partei aus
der Regierungskoalition in Delhi an. Auch eine Tolerierung käme nicht mehr
in Frage, sagte Banerjee, und warf der Regierung eine „Anti-Armen-Politik“
vor.
## Ersatz und Ultimaten
Banerjee führt seit Langem ihre eigene Regionalpartei TMC (Trinamool
Congress), die im Parlament in Delhi über 19 Abgeordnete verfügt – genug,
um der Kongresspartei ihre Mehrheit zu entziehen. Ohne TMC kommt die
Regierungskoalition auf 254 Stimmen im Parlament – die Mehrheit liegt bei
271.
Allerdings muss Banerjees Rückzug noch lange nicht das Ende der
Kongress-Regierung sein. Mindestens zwei andere Regionalparteien mit
ähnlich vielen Mandaten bieten sich als TMC-Ersatz an. Außerdem ließ
Banerjee noch eine Kompromissmöglichkeit offen: Falls die Regierung bis
Freitag, also in drei Tagen, ihre zuletzt im Kabinett beschlossenen
Wachstumsmaßnahmen zurückziehe, bliebe sie der Koalition erhalten.
Die Maßnahmen, sagt Banerjee, helfen nur den Reichen. Es geht um die
Senkung der Subventionen für Dieselsprit und Kochgas, Energiequellen, die
auch Bauern und Slumbewohner nutzen. Außerdem will Delhi
Auslandsinvestitionen in Supermärkte erlauben und damit Ketten wie Walmart
und Carrefour den Weg nach Indien öffnen. All das will Banerjee nicht, aber
nicht nur aus Prinzip, sondern weil die Regierung gerade so schwach wirkt,
dass ein Austritt ihrer Partei nicht schaden kann. Banerjee glaubt, sie
verlasse das sinkende Schiff.
## Korruption und Krisenstimmung
Tatsächlich steht die Kongressregierung seit fast zwei Jahren im Regen
unendlicher Korruptionsenthüllungen. Zuletzt warf der Rechnungshof der
Regierung vor, bei der Vergabe von Kohleminen an Privatunternehmen 27
Milliarden Euro veruntreut zu haben.
Die herrschende politische Krisenstimmung wollte die Regierung mit ihren
Wachstumsmaßnahmen durchbrechen. Doch Banerjee hatte ähnlichen Maßnahmen
schon im letzten Jahr widersprochen. Für Premierminister Manmohan Singh
müsste Banerjees Verhalten deshalb voraussehbar gewesen sein. Was vermuten
lässt, dass er einen alternativen Koalitionspartner in der Hinterhand hat.
Denkbar ist etwa, dass jetzt die Partei der Unberührbaren (BSP) mit 22
Mandaten der Regierung beitritt. Die BSP hat gerade Wahlen in ihrem
wichtigsten Bundesstaat verloren und kein Interesse an Neuwahlen.
Denkbar ist aber auch, was die Opposition sagt: dass Banerjee das Ende der
Regierung Singh eingeläutet hat. Denn mehr Auslandsinvestitionen will
bisher auch die BSP nicht. Außerdem zeigen immer noch alle wichtigen
Wirtschaftsindikatoren in die falsche Richtung: Die Inflation steigt, das
Wachstum sinkt, das Haushaltsdefizit wächst. Da ist mit Singh nicht mehr
viel zu gewinnen. „Was immer das bedeutet, es ist gut für die Nation“,
kommentierte der Ministerpräsident von Bihar, Nitish Kumar, die Ereignisse.
Er wäre der aussichtsreichste Spitzenkandidat der Opposition bei Neuwahlen.
19 Sep 2012
## AUTOREN
Georg Blume
## TAGS
Indien
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