# taz.de -- Krise in Griechenland: Kürzungen, Korruption, Kredite | |
> Die Rente mit 67 kommt. Das Verfahren gegen korrupte Politiker läuft. Die | |
> Einigung mit der Troika verzögert sich. Gibt es einen neuen | |
> Schuldenschnitt in Griechenland? | |
Bild: Länger Arbeiten für die Troika: in die Rente nun mit 67. | |
ATHEN/BERLIN rtr/dpa | Die griechische Regierung hat sich nach Angaben aus | |
Regierungskreisen im Zuge der Verhandlungen mit den internationalen | |
Kreditgebern darauf verständigt, das Renteneintrittsalter um zwei Jahre auf | |
67 heraufzusetzen. | |
Das Finanzministerium habe sich mit der Troika aus Europäischer Zentralbank | |
(EZB), Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) auf | |
diesen symbolischen Schritt verständigt, verlautete aus den Kreisen am | |
frühen Freitagmorgen. | |
Damit würde das Renteneintrittsalter an das Niveau in zahlreichen der | |
Geberländer, darunter Deutschland, angepasst werden. Das Einsparvolumen der | |
Maßnahme soll als Teil der Reformauflagen 1,1 Milliarden Euro betragen. | |
## Korruptionsermittlungen gegen 32 Politiker | |
Im Zuge der Verhandlungen hat die griechische Finanzpolizei Ermittlungen | |
derweil gegen 32 Politiker wegen Korruptionsverdachts aufgenommen. Die | |
Ermittlungen sollen klären, wie die Verdächtigen zu ihren Vermögen kamen, | |
hieß es am Freitag aus dem Finanzministerium. | |
Die Einheit für Finanzvergehen werde die Vermögensverhältnisse von „aktiven | |
und ehemaligen Politikern sowie Bürgermeistern und Beamten“ prüfen und dies | |
mit dem versteuerten Einkommen vergleichen, sagte ein Beamter. | |
Das griechische Finanzministerium hatte mehrmals in den vergangenen Monaten | |
versprochen, schärfer gegen Steuerhinterziehung vorgehen zu wollen. Vor | |
allem Selbstständige wie Ärzte oder Rechtsanwälte stehen im Verdacht, zu | |
wenig Steuern zu bezahlen. Der Staat verliert dadurch jedes Jahr Milliarden | |
an Steuereinnahmen. | |
Finanzminister Yannis Stournaras informierte am Donnerstag das Parlament | |
über die Ermittlungen. Die Tageszeitung Kathimerini berichtete, ein für | |
Partei- und Politikerfinanzen zuständiger Parlamentsausschuss werde sich in | |
den kommenden Tagen mit den Ermittlungen beschäftigen. | |
## Einigung mit Troika könnte sich verzögern | |
Eine abschließende Einigung zwischen Griechenland und den internationalen | |
Geldgebern beim milliardenschweren Sparpaket könnte sich verzögern. Das | |
Team der Troika aus Europäischer Union, IWF und EZB habe beim Besuch in | |
Athen einige der von der Regierung vorgeschlagenen Einsparungen abgelehnt, | |
sagte ein hochrangiger griechischer Vertreter. | |
Die Inspektoren könnten am Samstag ohne eine Übereinkunft abreisen. Erst | |
bei ihrer Rückkehr in der nächsten Woche sei dann mit einer Vereinbarung zu | |
rechnen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters kam es bei den | |
jüngsten Gesprächen zwischen Griechenlands Regierung und der Troika zu | |
Spannungen über Reformen im öffentlichen Dienst. | |
Die Regierung des konservativen Regierungschefs Antonis Samaras verhandelt | |
seit Tagen mit Troika-Experten darüber, mit welchen konkreten Maßnahmen | |
sich die angestrebte Einsparsumme von knapp zwölf Milliarden erreichen | |
lässt. Eine Einigung dazu ist die Voraussetzung, damit dringend benötigte | |
Milliardenhilfen von rund 31 Milliarden Euro freigegeben werden. | |
In der Gesprächsrunde der Troika mit der Regierung am Mittwochabend kam es | |
nach Angaben eines Regierungsvertreters hitzige Diskussionen. „Es gibt | |
Meinungsverschiedenheiten über die Effektivität der Maßnahmen zur | |
Umstrukturierung des öffentlichen Sektors.“ | |
Ein anderer Beamter fügte aber hinzu, diese Spannungen hätten gegen Ende | |
des Treffens abgebaut werden können. Griechischen Angaben zufolge gibt es | |
Einigkeit darüber, wie 9,5 der angestrebten 11,5 Milliarden eingespart | |
werden sollen. Eine Einigung ist Voraussetzung für die Auszahlung einer | |
weiteren Milliardentranche aus dem Hilfspaket der Staatengemeinschaft. | |
Aber auch innerhalb seiner eigenen Koalitionsregierung hat Samaras | |
Probleme, volle Unterstützung für seine Sparvorschläge zu gewinnen. Ein | |
weiteres Gespräch der Chefs der Koalitionsparteien soll dabei helfen. Zudem | |
sieht sich die Regierung Protesten ausgesetzt. Am Donnerstag war der U- und | |
Stadtbahnverkehr in Athen durch einen 24-Stunden-Streik der Beschäftigten | |
zeitweise stark beeinträchtigt. Zudem steht die Ankündigung eines | |
Generalstreiks für nächste Woche im Raum. | |
## Neuer Schuldenschnitt im Gespärch | |
Während die griechische Regierung mit ihren internationalen Geldgebern über | |
weitere Sparanstrengungen feilschte, hat Commerzbank-Chef Martin Blessing | |
einen zweiten Schuldenschnitt für das Land erneut ins Gespräch gebracht. | |
„Wir werden am Schluss nochmal einen Schuldenschnitt in Griechenland sehen, | |
an dem sich alle Gläubiger beteiligen werden“, sagte Blessing am Donnerstag | |
in Frankfurt. Anders als im Frühjahr könnten dann auch öffentliche | |
Gläubiger wie die EZB und nationale Notenbanken zur Kasse gebeten werden. | |
In der Finanzwirtschaft halten sich Zweifel, ob das aktuelle Hilfepaket für | |
Griechenland und die damit dafür geforderten Reformen und Einsparungen | |
ausreichen, um das Land finanziell wieder auf Kurs zu bringen. | |
Commerzbank-Chef Blessing glaubt das nicht, wie er bei einer Konferenz in | |
Frankfurt deutlich machte. Er hält einen neuerlichen Forderungsverzicht der | |
Gläubiger unter Einschluss der staatlichen Geldgeber für wahrscheinlich. | |
Erst im März hatten die privaten Gläubiger des Landes einem Anleihentausch | |
zugestimmt, mit dem das Land um Schulden im Umfang von rund 100 Milliarden | |
Euro entlastet worden war. Die EZB hatte damals mit der Begründung nicht | |
teilgenommen, dass sie kein privater Gläubiger sei. Sie hatte am Markt rund | |
38 Milliarden Euro für griechische Staatsanleihen ausgegeben, die einen | |
Nennwert von 50 Milliarden Euro haben. Zudem halten die Notenbanken der | |
Euro-Länder noch griechische Anleihen. Die Schätzungen liegen bei rund | |
zwölf Milliarden Euro. | |
Inzwischen heißt es, die damalige Aktion reiche nicht aus, um die | |
Gesamtverschuldung des Landes bis 2020 auf 120 Prozent der | |
Wirtschaftsleistung zu drücken. Schon im Juli war deshalb in EU-Kreisen die | |
Notwendigkeit eines weiteren Schuldenschnitts ins Gespräch gekommen, der | |
dann auch die EZB und die nationalen Notenbanken treffen könnte. | |
## Neuer Schuldenschnitt könnte Milliarden kosten | |
Die Financial Times Deutschland berichtete vorab aus ihrer Freitag-Ausgabe, | |
im Mittelpunkt der Überlegungen für einen zweiten Schnitt stünden die | |
bilateralen Kredite an Griechenland aus dem ersten Hilfsprogramm von Mai | |
2010 bis Ende 2011 im Volumen von 53 Milliarden Euro. | |
„Die Diskussion gibt es“ zitierte die Zeitung einen hochrangigen Insider. | |
Der IWF dränge auf einen Schuldenschnitt der öffentlichen Geldgeber, | |
berichtete die Zeitung. Weder IWF noch EZB würden sich selbst daran | |
beteiligen: der IWF bestehe auf seinem Status als vorrangiger Geldgeber und | |
die EZB argumentiere intern, dass ein Schuldenerlass direkte | |
Staatsfinanzierung sei. | |
21 Sep 2012 | |
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