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# taz.de -- Kolumne Boston Buddies #8: Zwischenspiel in Kennedyland
> Auch Senatskandidaten in Massachusetts stellen sich dem Ritual der
> Fernsehdebatte. Das Spektakel gemeinsam schauen, gehört zum
> Journalistenberuf.
Massachusetts ist Kennedy-Land. Hier, an der Ostküste zwischen steilen
Klippen und chaletartigen Prunkbauten im amerikanischen Stil – blassgraues
Holz, Veranda mit Meerblick, mindestens drei Autostellplätze – spielen sich
die Dramen von Amerikas liebster Lieblingsdynastie ab.
In diesem Sommer machte die Affäre – Entschuldigung: große Liebe – von
Robert F. Kennedys Enkel Conor mit Pop-Sternchen Taylor Swift mehr
Schlagzeilen als die Kandidatur von Joe Kennedy für das Abgeordnetenhaus in
Washington. Der Familie, deren Name wie kein anderer mit amerikanischer
Politik und Macht verbunden ist, bleibt derzeit nicht viel mehr als das
Erbe von Ted Kennedy.
Der jüngste Bruder von John F. Kennedy saß für die Demokraten unfassbare 47
Jahre lang im Senat. Nach seinem Tod 2009 verloren die Demokraten den Sitz
an den Republikaner Scott Brown. Er inszeniert sich in einem gespaltenen
Land als Wanderer zwischen politischen Welten, stimmt aber bei
Kernentscheidungen mit den Republikanern. Demokratin Elizabeth Warren ist
seine Herausforderin.
Der Ausgang könnte über die Mehrheit im Senat entscheiden und damit über
die Handlungsfähigkeit des Präsidenten. Bleibt Obama im Weißen Haus und
gewinnt Warren, könnten die Demokraten im besten Falle ohne große
Schwierigkeiten Gesetze durchbringen. Sollte Browns Sieg einen
republikanisch dominierten Senat bedeuten, droht Blockadepolitik und eine
Wiederholung dessen, was Washington derzeit durchlebt.
Diese Szenarien machen die Wahl auch für mich, die ich mich auch nach zwei
Monaten in Boston eher weniger für die Belange von Fischern oder
Kleinunternehmern in Massachusetts interessiere, spannend. Und so sage ich
zu, als mich meine amerikanischen Journalisten-Buddies einladen, gemeinsam
die erste TV-Debatte der Senatskandidaten zu schauen.
Das Hühnchen in Marsala-Soße, das gereicht wird, muss heruntergeschlungen
werden, um es rechtzeitig zum Sendestart vor den überdimensionierten
Flachbildfernseher in den Keller zu schaffen. Meine Journalisten-Freunde
sind nicht Kennedy-reich, aber Haus und Interieur werden Neuengland absolut
gerecht.
Trotzdem verpassen wir den Anfang, eine kleine Katastrophe für meine
amerikanischen Kollegen. Im Stillen schäme ich mich etwas, dass ich nicht
mehr Enthusiasmus für die letzten Abgeordnetenhauswahlen in Berlin
entwickelt hatte. Völlig unbelastet von Wahlprogrammen und nur mit einer
leichten Aversion gegen den [1][Pick-up des Senators] ausgestattet, ist die
Debatte tatsächlich weder langweilig noch uninteressant und ich begreife
besser, warum sie ein derart beliebtes Wahlkampfinstrument in den USA sind.
Sie behandeln Inhalte, ohne zu sehr auf Details einzugehen, die für den
Durchschnittswähler ohnehin mehr Ablenkung als wahlentscheidend sind, und
am Ende entscheidet meist das Bauchgefühl, wer sympathischer rübergekommen
ist. Und wer schlägt ernsthaft später nach, an welchen Vorwürfen nun was
dran ist oder nicht? Nun, vielleicht meine Kollegen, aber das ist wohl eher
eine berufsbedingte Neurose.
Die generelle Haltung von Amelia und Scott hat sich nach der Debatte nicht
verändert. Ist Amelia für Warren, weil sie einen republikanischen Senat
fürchtet, sorgt sich ihr Mann eher darum, dass die „Ideologin“ Warren aus
seiner Sicht nicht kompromissbereit ist. Nach der Debatte folgt die private
Debatte, die wiederum nur Zwischenspiel vor dem nächsten TV-Duell ist. Dort
wie in dem hübschen Haus in Hingham hoffe ich, dass die Frauen die Debatten
gewinnen.
23 Sep 2012
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[1] /Kolumne-Boston-Buddies/!101269/
## AUTOREN
Rieke Havertz
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