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# taz.de -- Verein stolpert über Nebenkosten: Gentrifizierung erreicht Jenfeld
> Mit ihrem Verein versorgen die Matzens Hartz-IV-Empfänger mit PCs. Nun
> droht dem Verein das Aus: Er kann die erhöhten Nebenkosten nicht mehr
> bezahlen.
Bild: Haben mittlerweile mehr als 1.300 alte Computer verschenkt: Angelika und …
Der [1][Verein Computer Spende], den Angelika und Horst Matzen seit mehr
als drei Jahren betreiben, gilt als Musterbeispiel der Eigeninitiative. Das
Ehepaar, das selbst von Hartz IV lebt, repariert ausrangierte PCs und
verschenkt sie an die, die sie dringend brauchen. Doch nun droht dem
Projekt das Aus. Der Verein kann die erhöhten Nebenkosten für sein Lager in
Jenfeld nicht mehr bezahlen.
Angefangen haben die Matzens in ihrer eigenen Wohnung. Sie sammelten
gebrauchte und defekte PCs und andere Hardware von privaten Spendern,
Firmen und Institutionen, reparierten diese, gaben sie an Bedürftige
weiter. Schnell waren die kostenlosen Rechner so gefragt, das die beiden
mehr Platz brauchten. 1.340 Rechner haben sie schon unter die Leute
gebracht.
Während Fernseher zur Grundversorgung zählen, sehen die Hartz-IV-Regelsätze
bis heute die Anschaffung von Computern nicht vor. Und bei vielen reicht
das Geld nicht aus, um sich selbst einen zu kaufen. „Dabei geht ohne
Computer heute gar nichts mehr“, sagt Horst Matzen. Gerade bei der Jobsuche
stehen die Chancen ohne Rechner schlecht. „Aktuelle Stellenangebote finden
sich heute nun mal im Internet und oftmals sind Online-Bewerbungen
gefragt“, sagt Matzen. Und auch für Schularbeiten brauchen Kinder immer
häufiger Computer.
Als es in der Wohnung der Matzens zu eng wurde, zogen sie mit dem Verein
vor knapp zwei Jahren in ein Einkaufscenter in Jenfeld. Dort ist die
Kaltmiete mit 1,50 Euro pro Quadratmeter zwar gering. „Die Nebenkosten
hauen uns aber die Beine weg“, sagt Angelika Matzen. Anfangs lagen die bei
2,20 Euro pro Quadratmeter. „Das ist auch unsere Schmerzgrenze“, so Matzen.
Nun seien die Nebenkosten aber fast um das dreifache auf sechs Euro pro
Quadratmeter gestiegen. Laufende Kosten von 600 Euro im Monat für die
Lagermiete könne der Verein einfach nicht aufbringen. „Wenn wir die
nachzahlen müssen, sind wir bankrott“, sagt Matzen.
Das Problem ist, dass innerhalb des Einkaufszentrums die Betriebs- und
Nebenkosten auf alle Mieter umgelegt werden. So müssen die Matzens für den
85 Quadratmeter großen Ladenraum eben auch anteilig die Kosten für die
Einkaufsstraße mittragen – für Hausmeister, Strom, den Wachdienst und das
Center-Management.
Seit Februar sind die Matzens nun auf der Suche nach neuen Räumen, haben
viele Gespräche geführt. Rumgekommen ist bislang nichts. Von der
städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga bekamen sie das Angebot, Räume für
fünf Euro pro Quadratmeter zu mieten. Den Preis können die Matzens aber
ohne finanzielle Unterstützung nicht bezahlen.
Der Verein bestreitet die laufenden Kosten aus Spenden und
Mitgliedsbeiträgen. Ein bisschen Geld verdienen Horst und Angelika Matzen
mittlerweile aber auch mit Kursen, in denen sie Schüler mit Computern und
dem Internet vertraut machen. Obwohl sie sich erhofft haben, sich mit dem
Verein und ihrer Idee von Transferleistungen unabhängig zu machen, selbst
Geld zu verdienen, leben die Matzens auch heute noch von Hartz IV. „Wir
haben gehofft, dass wir für das Projekt einen Sponsoren finden“, sagt
Angelika Matzen. Doch dazu kam es bislang nicht.
In einem Brief haben sich die Matzens an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD)
gewandt und ihn um Unterstützung gebeten. Passiert ist bislang nicht viel.
Kurz nach ihrem Brief an Scholz haben die Matzens in der Zeitung gelesen,
dass 200 Gebäude der Stadt leer stehen.
„Ich kann nicht verstehen, dass es in Hamburg nicht möglich ist, bei der
Raumsuche unterstützt zu werden“, sagt Angelika Matzen. Woanders gehe das
doch auch. Das Projekt der Matzens hat mittlerweile Nachahmer gefunden und
in anderen Städten haben sich Ortsgruppen gegründet, die unterstützt
werden. In Würzburg etwa sei die Ortsgruppe des Vereins in den Räumen der
Industrie und Handelskammer untergekommen und in Bergheim bei Köln bei
einem Bildungsträgerverein. Nur in Hamburg sieht es mit der Unterstützung
schlecht aus. „Und das, obwohl doch alle das Projekt toll finden.“
24 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.computerspendehamburg.de
## AUTOREN
Lena Kaiser
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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