# taz.de -- Sparpolitik in Spanien: Polizei prügelt Protestierende | |
> Dank exzessiver Staatsgewalt eskalieren die Proteste gegen die | |
> Sparpolitik in Spanien. Demonstranten verweisen auf getarnte Agents | |
> Provocateurs. | |
Bild: Die spanische Polizei geht mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. | |
MADRID taz | Es sollte eine friedliche „Umzingelung des Kongresses“ werden, | |
um gegen die Krisenpolitik und für einen „verfassungsgebenden Prozess“ zu | |
demonstrieren. Doch am Ende der Proteste am Dienstagabend vor dem | |
spanischen Parlament im Herzen Madrids stand eine traurige Bilanz. | |
35 Demonstranten wurden verhaftet. Die notärztlichen Dienste zählten 64 | |
Verletzte, darunter 27 Polizisten. Über 20 verletzte Demonstranten befinden | |
sich noch immer im Krankenhaus. Einer von ihnen wurde durch die Schläge mit | |
den langen Holzknüppeln der Sondereinsatzpolizei schwer am Rückgrat | |
verletzt. | |
Die höchste Autorität für öffentliche Sicherheit in der Region Madrid, die | |
Regierungsdelegierte Cristina Cifuentes, lobte die Polizei für den | |
„professionellen Einsatz zum Schutz des Rechtsstaates“. Das Parlament ist | |
seit Dienstag früh dreifach von der Polizei abgeriegelt. 1.350 Beamte der | |
Sondereinsatzpolizei, Hunde- und Pferdestaffeln wurden aus ganz Spanien | |
zusammengezogen. | |
Selbst ein Schützenpanzer ist vor dem Parlament stationiert. Die | |
Parlamentarier konnten erst gegen Mitternacht das Gebäude verlassen. Am | |
Mittwoch wurden sie erneut unter Polizeischutz zur Plenarsitzung gebracht. | |
Neue Proteste waren für den Abend angekündigt. | |
Zehntausende Menschen aller Altersgruppen hatten sich am Dienstag entlang | |
der Polizeisperren versammelt. „Sie repräsentieren uns nicht“, lautete | |
einer der Sprechchöre, der aus der Zeit des Protestcamps in der Madrider | |
Innenstadt im Mai 2011 stammt. Neben den Fahnen der spanischen Republik | |
wehten vereinzelt die von Island und Griechenland. Zuerst verliefen die | |
Proteste friedlich, bis die Polizei ihre Absperrung verließ, um gezielt | |
Personen zu verfolgen, die am Zaun gerüttelt hatten. Die Lage eskalierte. | |
## Vorwurf gezielte Provokationen | |
Die Demonstranten beschuldigen die Polizei der gezielten Provokation und | |
berufen sich auf Aufnahmen des staatlichen Fernsehens TVE. Sie zeigen eine | |
Gruppe von etwa 20 jungen Männern, alle mit den gleichen Kapuzenpullis und | |
den gleichen roten Fahnen ohne jegliches Emblem. Sie griffen die Polizei | |
an. Zwei von ihnen wurden verhaftet. | |
Wenige Minuten später ist einer der beiden wieder zu sehen – dieses Mal | |
aufseiten der knüppelnden Beamten. Er unterstützt sie bei Verhaftungen. | |
Ähnliche Vorfälle wurden in den letzten Monaten auch aus Barcelona bekannt. | |
Auch dort schleust die Polizei immer wieder Gruppen in die Demonstrationen | |
ein. | |
Bis um Mitternacht machten die Polizeieinheiten überall in der Madrider | |
Innenstadt Jagd auf kleinere Gruppen von mutmaßlichen Teilnehmern der | |
Aktion. Selbst auf den Bahnsteigen des Bahnhofes Atocha, von wo die | |
Pendlerzüge in die Vororte fahren, kam es zu Schlagstockeinsätzen. Sie | |
richten sich willkürlich gegen jedwede Person, die den Polizisten | |
verdächtig erschien. Pressefotografen wurden gewaltsam an ihrer Arbeit | |
gehindert. | |
Die Regierungsdelegierte Cifuentes hatte bereits im Vorfeld die Stimmung | |
mit ihren Erklärungen aufgeheizt. Sie warf den Organisatoren vor, einen | |
„Staatsstreich“ und die „Anarchie“ zu planen. Die Sicherheitsbehörden | |
hätten 800 bis 1.000 Madrider unter Beobachtung, „die sich an allen | |
Protesten beteiligen“, drohte sie. Acht mutmaßliche Organisatoren wurden | |
bei einer öffentlichen Versammlung im Madrider Stadtpark festgenommen, auf | |
der die Proteste vorbereitet wurden. | |
Der oberste spanische Strafgerichtshof, die Audiencia Nacional, ermittelt | |
„wegen Störung der Betriebs einer staatlichen Institution“. Darauf stehen | |
sechs bis zwölf Monate Haft. Ist dabei Gewalt im Spiel, kann sich die | |
Strafe auf bis zu fünf Jahre belaufen. | |
26 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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