# taz.de -- Behindertenbeauftragter zum Arbeitsmarkt: „Bitte keine Sonderwelt… | |
> Zu viele Menschen mit Behinderung landen nicht auf dem ersten | |
> Arbeitsmarkt , sagt der Behindertenbeauftragte des Bundes, Hubert Hüppe. | |
Bild: Schwierige Suche: Zu wenige schwerbehinderte Menschen finden einen Job au… | |
taz: Herr Hüppe, die Arbeitsmarktzahlen für den September wurden am | |
Donnerstag veröffentlicht. Noch im August waren rund 177.000 | |
schwerbehinderte Menschen arbeitslos. Hat sich das im September gebessert? | |
Hubert Hüppe: Die Situation hat sich verbessert. Es sind jetzt etwa 4.000 | |
weniger. Das ist der Trend der letzten Monate. Davor war es immer so, dass | |
der Rückgang der Arbeitslosenzahlen bei den Schwerbehinderten mit den | |
allgemeinen Zahlen nicht mithalten konnte. Inzwischen ist das anders. Aber | |
die Zahlen sagen eigentlich wenig aus. | |
Warum? | |
Die Zahlen zeigen nur die arbeitslos gemeldeten Menschen. Sie sagen nichts | |
darüber aus, wo Menschen mit Behinderung arbeiten. Im letzten Jahr gab es | |
bei den Werkstätten einen Zuwachs von 7.000 Personen mit Behinderung. All | |
diese Menschen sind aber nicht im ersten Arbeitsmarkt integriert. | |
Aber sind die Werkstätten nicht trotzdem wichtig? | |
Sicher, aber wenn sich deren Anzahl in den letzten zwanzig Jahren mehr als | |
verdoppelt hat, gibt mir das zu denken. Der Förderapparat entwickelt einen | |
gewissen Sog. | |
Inwiefern? | |
Wenn sie einmal in der Werkstatt sind, kommen sie da auch nicht mehr so | |
schnell raus. Wenn wir über Inklusion reden – und das ist Teilhabe an der | |
Gesellschaft –, sind wir gehalten, nach Möglichkeiten auf dem ersten | |
Arbeitsmarkt zu suchen. Ziel der Inklusion muss sein, dass der Mensch nicht | |
in Sonderwelten muss, um gefördert zu werden, sondern dass die Förderung | |
dem Menschen folgt. | |
Was tun Sie dafür? | |
Wir gehen auf die Firmen zu. Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma Auticon | |
aus Berlin. Dort arbeiten 16 Behinderte in der Software-Prüfung. Viele | |
Betriebe merken, dass es sich lohnt, gerade Menschen mit Behinderung | |
einzustellen. | |
Welche Möglichkeiten bestehen noch? | |
In Mainz gibt es das Budget für Arbeit, bei dem ein Großteil der Kosten des | |
Arbeitgebers das Land übernimmt. Das ist einer der Wege, den ich stark | |
befürworte. Diese Jugendlichen in Rheinland-Pfalz haben wirklich Chancen | |
außerhalb der Werkstatt. | |
Ältere Menschen machen 80 Prozent der schwerbehinderten Menschen aus. | |
Welche Möglichkeiten gibt es denn für diese immer größer werdende Gruppe, | |
in den Arbeitsmarkt zu gelangen? | |
Das ist schwierig. Wir müssen herauskriegen, unter welchen Bedingungen die | |
Betriebe diese Leute weiterbeschäftigen können. Ich glaube, wir müssen da | |
vorher ansetzen – beim betrieblichen Eingliederungsmanagement. | |
Also bei der Vorsorge, die Betriebe leisten müssen, damit die Mitarbeiter | |
nicht betriebsunfähig werden. | |
Ja, bevor er oder sie den Arbeitsplatz verliert. In größeren Betrieben gibt | |
es dafür Schwerbehindertenvertretungen. Solche Entwicklungen müssen früh | |
erkannt werden. Vor allem bei den psychischen Fällen. | |
Was geschieht in den kleineren und mittleren Betrieben? | |
Die wehren sich immer noch und klagen über die Bürokratie, teilweise zu | |
Recht. Viele der Menschen mit Behinderung im Alter gehen dann auch in die | |
Erwerbsminderungsrente. | |
Da gehen wichtige Fachkräfte verloren. | |
Eben. Aber die Kündigung ist halt immer der einfachste Weg. | |
Von welchem Land können wir im Umgang mit behinderten Menschen lernen? | |
Ich war vor zwei Jahren in Norwegen. Da war es eine Selbstverständlichkeit, | |
dass die Menschen mit Behinderung in einer Regelschule waren. Da guckt man | |
in der Gesellschaft mehr darauf, was die Leute können, und nicht, was sie | |
nicht können. | |
27 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Wendt | |
## TAGS | |
Inklusion | |
Dirigent | |
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