# taz.de -- V-Mann-Affäre: Frank Henkel geht den Dingen auf den Grund | |
> Opposition und Koalition verzetteln sich und nehmen so den Druck vom | |
> Innensenator. Der präsentiert derweil einen Oberstaatsanwalt als | |
> NSU-Sonderermittler, der Versäumnisse im Umgang mit dem V-Mann klären | |
> soll - auch Henkels eigene. | |
Bild: Auf der Suche nach einem Ausweg aus der V-Mann-Affäre: Berlins Innensena… | |
Die Sitzung ist gut zwei Stunden alt, als Robbin Juhnke zum Tiefschlag | |
ansetzt. Das „Skandalgeschrei“ der Opposition hat der CDU-Innnenpolitiker | |
da schon abgekanzelt, und die „Inquisitionsstimmung“. Es sei doch perfide, | |
sagt Juhnke, dass gerade diejenigen die Sicherheitsbehörden unter | |
Generalverdacht stellten, die „hintenrum mit Benzinkanister durch die Lande | |
rennen“. Der Rest, den er sagt, geht in Empörung unter. | |
Es ist nicht nur diese Szene im Abgeordnetenhausplenum am Donnerstag, die | |
den NSU-Mordskandal immer weiter in den Hintergrund rücken lässt. Zwei | |
Wochen, nachdem bekannt wurde, dass der auch nach Berlin reicht, dass die | |
Polizei hier von 2000 bis 2011 den V-Mann und als NSU-Helfer beschuldigten | |
Thomas S. führte, verzetteln sich Opposition und Koalition in gegenseitigen | |
Vorwürfen – anstatt zu klären, warum S. angeworben wurde und seine fünf | |
Hinweise auf den NSU versandeten. | |
Nun schimpft Linken-Fraktionschef Udo Wolf über Juhnke, das Gesagte sei | |
„das Schmutzigste, was ich hier in den letzten zehn Jahren erlebt habe“. | |
Auch die Vizepräsidentin rügt Juhnke. Der verteidigt sich: Das alles sei | |
doch bildlich gemeint. | |
Einer hat derweil Zeit, Akten zu lesen und diese mit Markern bunt | |
anzumalen: Frank Henkel, CDU-Innensenator. Zwar wirft ihm die Opposition | |
auch diesmal vor, dass er die Existenz des V-Manns für sich behielt, statt | |
den NSU-Untersuchungsausschuss und das Abgeordnetenhaus zu unterrichten. | |
Dass er sich, vorm Parlament dazu befragt, überrascht gab, obwohl er seit | |
März von Thomas S. wusste. „Gelogen“ habe Henkel, schimpft die Grüne Clara | |
Herrmann noch, „Aufklärung blockiert“. Henkel blickt da jedoch gar nicht | |
mehr auf. Anders als zuletzt wirkt er wieder entspannt. Er weiß, dass er | |
die Affäre vorerst überstanden hat: Kein Vorwurf ist neu, niemand fordert | |
seinen Rücktritt. | |
Bereits vor der Sitzung hatte Henkel die Offensive gesucht – und einen | |
bereits angekündigten eigenen NSU-Ermittlungsbeauftragten präsentiert, | |
Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg. Der soll nun klären, warum der V-Mann | |
angeworben wurde, wie die Polizei ihn führte, wie sie seine Hinweise | |
weitergab. Und, so betont Henkel, er solle „etwaigen Versäumnissen“ in | |
seinem eigenen Verantwortungsbereich nachgehen. | |
Der 49-Jährige selbst, ein ruhiger Schnauzbartträger, gibt sich | |
zurückhaltend. „Überraschend und schnell“ sei seine Ernennung gewesen. Nun | |
wolle er für „eine sachliche Analyse der Fehler“ sorgen und Verbesserungen | |
vorschlagen – „die Betonung liegt auf sachlich.“ Seit November 2011 ist | |
Feuerberg Leiter der Rauschgiftermittlungen in der Staatsanwaltschaft. | |
Zuvor war er zuständig für islamistischen Terrorismus. In den Neunzigern | |
ermittelte er auch zu Rohrbombenanschlägen von Neonazis, im letzten Jahr | |
stellte er ein Dossier zur Erschießung von Benno Ohnesorg 1967 zusammen. | |
Ein Fachmann, lobt Henkel, „unvoreingenommen und überparteilich“. Am Montag | |
soll Feuerberg seine Arbeit beginnen, in drei Monaten seine Ergebnisse | |
vorstellen. | |
Ein „Eingeständnis der eigenen Untätigkeit“ sei der Sonderermittler, | |
kritisieren die Grünen. Wozu es den überhaupt brauche, fragt der Linke | |
Wolf. „Der Sonderermittler ist der Untersuchungsausschuss, den Sie düpiert | |
haben, Herr Henkel.“ | |
Natürlich, sagt der Senator, als er am Ende ans Pult tritt, solle Feuerberg | |
in Ergänzung zum Ausschuss arbeiten. Dann sagt Henkel, was er zuletzt immer | |
sagte: Dass er nie gelogen, sich „juristisch korrekt“ verhalten habe, aber | |
zu unsensibel gewesen sei. Er wolle bitten, sagt er noch und schiebt seine | |
Zettel zusammen, sich jetzt „mit gebotener Verantwortung“ der Aufklärung zu | |
widmen. „Lassen Sie uns das gemeinsam tun.“ Es gibt keinen Widerspruch | |
mehr. | |
27 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
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