# taz.de -- Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Der tapfere Sozialdemokrat | |
> Peer Steinbrück wird im nächsten Jahr Angela Merkel herausfordern. Die | |
> Wähler wollen das bisher offenbar nicht. Kann der Kandidat das ändern? | |
Bild: Langer Wahlkampf: Hat Peer Steinbrück gegen Angela Merkel eine Chance? | |
BERLIN taz | Am Freitagnachmittag war alles klar. SPD-Parteichef Sigmar | |
Gabriel erklärte in der Parteizentrale, er werde am Montag dem | |
Parteivorstand Peer Steinbrück als Kanzlerkandidaten vorschlagen. Das Ziel | |
laute ab jetzt Rot-Grün im Bund. Nun gut, diese Neuigkeit war bereits seit | |
dem Morgen bekannt und bestätigt. Spannend war jedoch die Frage, wie der | |
Vorsitzende die Personalie den Fraktions- und Parteilinken schmackhaft | |
machen würde. | |
Und tatsächlich, schon in seinem zweiten Satz warf Gabriel die Angel aus. | |
Man werde, sagte er, am Montag auch „einen Vorschlag vorlegen, wie die SPD | |
in den kommenden Jahren ein weiteres Absinken des Rentenniveaus bis 2030 | |
auf 43 Prozent verhindern wird“. Der Streit über die Rentenhöhe war zuletzt | |
eng an die Kandidatenfrage gekoppelt worden. Nun also Steinbrück, der | |
Agenda-2010-Mann. | |
Dass die wichtige Personalie doch schon bekannt gegeben wurde, darf man | |
getrost mutig nennen. Mutig gegenüber den eigenen Parteimitgliedern, von | |
denen nicht wenige den Kandidaten in einer Linie mit dem grandiosen | |
Vertrauensverlust der Wähler in sozialdemokratische Politik verbinden. | |
Mutig, gemessen an dem langen Wahlkampf, der für Peer Steinbrück exakt | |
jetzt beginnt. Und mutig gegenüber Schwarz-Gelb, denn nie saß die Kanzlerin | |
Angela Merkel so fest im Sattel wie derzeit. | |
„Erst klären wir die Programmatik, dann die Kandidatenfrage.“ Diesen Satz | |
hat Sigmar Gabriel in den zurückliegenden Wochen ständig wiederholt. Nun | |
läuft es genau andersherum. Statt wie angekündigt erst die inhaltlichen | |
Leitlinien abzustimmen, mit denen die Partei die Wählerinnen und Wähler | |
überzeugen könnte, schieben die Sozialdemokraten doch erst den Kandidaten | |
nach vorn. | |
## Politischer Ziehsohn von Altkanzler Helmut Schmidt | |
Eigentlich, hatte es noch im Sommer geheißen, wolle man nach der | |
Niedersachsen-Wahl im Januar den Kanzlerkandidaten küren. Dann hieß es, | |
frühestens nach dem Parteikonvent Ende November sei mit der Entscheidung zu | |
rechnen, man wolle erst … die Inhalte, genau. Nun, am Ende jener Woche, in | |
der sich der SPD-Vorstand nicht auf ein vollständiges Rentenkonzept einigen | |
konnte, ist die Kandidatenfrage plötzlich entschieden. Peer Steinbrück soll | |
es machen. | |
Der 65 Jahre alte politische Ziehsohn und Schachpartner von Altkanzler | |
Helmut Schmidt (93) ist vielen noch in Erinnerung als Finanzminister der | |
großen Koalition. Gemeinsam mit Angela Merkel hatte er sich 2008 für die | |
Rettung der Pleitebank Hypo Real Estate eingesetzt, mit dem Ergebnis, dass | |
der Staat für deren Milliardenverluste haftete. | |
Bei den Genossen an der SPD-Basis hält sich die Beliebtheit des kühlen | |
Rechners in Grenzen. Als Steinbrück, 2002 ins Amt gekommen, 2005 als | |
Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen zur „Schickalswahl“ über Rot-Gr�… | |
im Bund antrat, holte er im Land der Sozis mit 37 Prozent ein miserables | |
Ergebnis. | |
Danach fand sich Steinbrück am Kabinettstisch von Angela Merkel wieder. Vor | |
zwei Wochen beim Zukunftskongress in Berlin sagte er über diese Zeit, die | |
SPD habe bis 2009 „mehr richtig gemacht, als wir uns gelegentlich als | |
Sozialdemokraten selber eingestehen“. Und tags zuvor hatte er bei seiner | |
Bewerbung als Bundestagskandidat erklärt: „Peer Steinbrück wird nie wieder | |
in einem Kabinett von Frau Merkel zu finden sein.“ | |
## Keine Chance im direkten Vergleich gegen Merkel | |
Folgt man den Umfragen, ist es im Moment fast egal, wer von den | |
Sozialdemokraten im nächsten Jahr gegen Angela Merkel verliert. Weder | |
Steinmeier noch Gabriel oder Steinbrück hätten im direkten Vergleich eine | |
Chance gegen sie. Nur 36 Prozent der Befragten favorisieren Steinbrück als | |
Kanzler. 53 Prozent würden laut ZDF für die Amtsinhaberin stimmen. | |
Der Politikwissenschaftler Matthias Micus vom Göttinger Institut für | |
Demokratieforschung schließt einen Kanzler Steinbrück dennoch nicht aus. | |
Zwar sei der von den Mitgliedern der Troika „am weitesten von der linken | |
SPD-Linie entfernt“, aber er sei auch eine echte Option für Leute, die die | |
Agenda-2010-Politik prinzipiell richtig fanden. | |
Diese Leute, sagt Micus, „sind zwar nicht die Delegierten auf den | |
Parteitagen, aber die Wähler“. Gleichwohl sei die Entscheidung für | |
Steinbrück die „mutloseste“; sie zeige überdeutlich, dass die SPD „selb… | |
nicht mehr an eine linke Mehrheit glaubt“. Steinbrück mache die Partei | |
stattdessen „wieder ansprechbar für die FDP“. | |
## Die SPD-Linke guckt sich den Kandidaten schön | |
Tatsächlich sagte Steinbrücks Freund, Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef | |
Wolfgang Kubicki: „Steinbrück ist derjenige, mit dem die Liberalen am | |
ehesten reden können.“ Die Kanzlerin ließ über ihren Sprecher ausrichten, | |
sie habe „überhaupt keine Vorlieben, was ihren Gegenkandidaten betrifft“. | |
Und Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Der Wechsel ist hiermit eingeläutet.“ | |
Von der Linken meldete sich Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn zu Wort: | |
man sei gespannt, ob Steinbrück „mit den Lebenslügen der Agenda-SPD | |
brechen“ werde. | |
Unterdessen guckt sich die SPD-Linke den Kandidaten schon mal schön. Ernst | |
Dieter Rossmann, Wortführer der Parlamentarischen Linken im Bundestag, | |
erklärte: „Peer Steinbrück soll Kanzler für Deutschland werden, nicht | |
Kanzler für die Parlamentarische Linke.“ Auch Bayerns Landeschef Florian | |
Pronold sagte: „Steinbrück kann Kanzler.“ | |
Nur Ralf Stegner, Vertreter der Linken im Parteivorstand, mahnte, | |
Steinbrück könne nur erfolgreich sein, wenn er mit einem Team aus Leuten | |
antrete, „die das Profil der linken Volkspartei SPD glaubwürdig | |
repräsentieren“. Dafür brauche er die Unterstützung der gesamten Partei. | |
Die zu organisieren – das wird Steinbrücks erste Prüfung. | |
28 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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