| # taz.de -- Kommentar Rentendebatte: Mit Liebe zum Detail | |
| > Die Renten von heute sind sicher – die der RentnerInnen von morgen nicht. | |
| > Trotz und Ignoranz helfen nicht, sondern ein genauer Blick auf die | |
| > Vorschläge. | |
| Bild: Nicht jeder hat im Alter auch das Geld, um sich fit zu halten. | |
| Fast täglich hagelt es neue Vorschläge zur Reform der Rentenversicherung. | |
| Jetzt neu: Jung-Unionisten plus FDP gegen Rentenministerin Ursula von der | |
| Leyen (CDU) mit der Forderung, lieber die Riester-Privatvorsorge | |
| aufzuhübschen als Minirenten aus den öffentlichen Töpfen aufzustocken. | |
| Außerdem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Rente mit 67 beibehalten, | |
| aber gesundheitsbedingten Ausstieg aus dem Arbeitsleben abfedern. Und so | |
| weiter. | |
| Dass die Renten-Debatte Richtung Bundestagswahl solchen Schwung aufnimmt, | |
| ist schon deshalb erstaunlich, weil die Politik bislang stets in größter | |
| Angst vor den mehrheitlich schnell besorgten SeniorInnen lebte. 20 | |
| Millionen RentnerInnen stellen 30 Prozent der WählerInnenschaft – in | |
| Wirklichkeit noch mehr, weil Ältere wahlfreudiger sind als Jüngere. | |
| Wenn nun die darauf so besonders angewiesenen Vertreter der "Volksparteien" | |
| offen über die kommende massenhafte Altersarmut in Deutschland sprechen, | |
| ist es deshalb auch ein Zeichen von Vertrauen in politische Aufkärung. Die | |
| Politik geht davon aus, dass die Rentner gelernt haben zu unterscheiden: | |
| Meine Rente ist sicher, die der Jüngeren nicht. | |
| Die Frage ist aber nun, was die Jüngeren mit den dargebotenen Informationen | |
| anfangen. Die geburtenstärksten 1960er Jahrgänge sollen mit 67 und stark | |
| geschrumpften gesetzlichen Ansprüchen in Rente gehen. | |
| Ausreichend privat vorgesorgt haben unter ihnen vor allem die ohnehin | |
| Privilegierten. Diejenigen, die wenig verdienen und trotzdem brav einen | |
| Riestervertrag abgeschlossen haben, werden erleben, dass ihnen das | |
| Riestergeld leider weggenommen wird, sofern sie unter den | |
| Grundsicherungssatz fallen. Sie haben dann fein privat für die Mitarbeiter | |
| und Aktionäre der Versicherungskonzerne vorgesorgt. | |
| Gleiches gilt nach aktueller Rechtslage natürlich auch für die jüngeren | |
| Jahrgänge, nur dass deren Renteneintritt erstens in noch fernerer Zukunft | |
| liegt und sie zweitens zahlenmäßig weniger sind, die Verteilungskämpfe also | |
| anders, vielleicht schwächer ausfallen dürften. | |
| Nach den meisten vorliegenden Erhebungen denken diese Jüngeren zum | |
| erklecklichen Teil in einer Mischung aus Schulterzucken und Trotz an ihre | |
| Altersvorsorge. Ein ambivalentes Motto, etwa: Dass ich nichts haben werde, | |
| ist mir sowieso klar, aber irgendwie wird es der Staat – wir leben | |
| schließlich in Deutschland – schon richten. | |
| Für einen genaueren Blick sind die wenigsten zu haben und kontern im | |
| Zweifel schnell mit ganz großen Entwürfen: Alles abschaffen. Alles | |
| privatisieren. Alles irgendwie. | |
| Das aber ist naiv. Die Rentenpolitik in diesem Bundestagswahlkampf verdient | |
| mehr Aufmerksamkeit, auch fürs Detail, in dem sich die Politik am Ende ja | |
| stets abspielt. | |
| Denn für eine ehrliche – ok: halbwegs ehrliche – Rentendebatte ist die | |
| Gelegenheit jetzt unter anderem deshalb so günstig, weil die Sozialkassen | |
| dank Wirtschaftsboom gut gefüllt sind. In schlechteren Zeiten werden | |
| bekanntlich bloß Kürzungen beschlossen, nie Verbesserungen. | |
| Die Oppositionsparteien stehen sämtliche im Wort, die ungerechten und | |
| verlogenen Reformen von Rot-Grün und Schwarz-Rot wenigstens abzumildern. Es | |
| macht einen großen Unterschied, ob die Riesterrente am Ende tatsächlich | |
| auch den Geringverdienern nutzen soll oder nicht. Ob körperlich Arbeitende | |
| vor 67 aus dem Beruf herauskommen – ohne auf Hartz IV gehen zu müssen - | |
| oder nicht. Ob nur bei den Renten die Axt niedergeht, oder auch bei den | |
| Pensionen. | |
| Gerade weil die Gesellschaft älter wird, werden viele Gerechtigkeitsfragen | |
| bald dort ausgefochten werden, wo das Altern stattfindet. Zeit, dass auch | |
| die Rentner von morgen das begreifen. | |
| 2 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
| ## TAGS | |
| Riester-Rente | |
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