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# taz.de -- Pleite der Nachrichtenagentur dapd: Was für ein hässliches Ende
> Die Investoren haben der Nachrichtenagentur dapd den Geldhahn zugedreht.
> Die Insolvenz trifft die Mitarbeiter völlig unvermittelt.
Bild: Nochgeschäftsführer Cord Dreyer.
BERLIN taz | Es war ein schöner 2. Oktober auf dem Wannsee. Die Sonne
schien, ein kurzer Halt beim Bootsanleger von Aldi in Potsdam. Noch ein
bisschen Proviant eingekauft, weitergeschippert. Dann kam am späten
Nachmittag der Anruf: Weißt du schon, dass dein Arbeitgeber insolvent ist?
Bald darauf ging die Sonne unter.
Die Mitarbeiter wurden von der Nachricht über die Zahlungsunfähigkeit der
dapd Nachrichtenagentur GmbH und der dapd Nachrichten GmbH überrascht. Die
Finanzinvestoren Martin Vorderwülbecke und Peter Löw haben den Geldspeicher
verriegelt. Am Donnerstag sollen sechs weitere Gesellschaften Insolvenz
anmelden.
Wer nicht einen freien Tag auf dem See oder sonst wo verbrachte, wurde am
Dienstagabend um 18 Uhr auf einer Mitarbeiterversammlung von den
Nochgeschäftsführern Vorderwülbecke und Cord Dreyer darüber informiert,
dass sie diese Funktionen nicht mehr ausüben. Neuer Unternehmenslenker ist
Wolf-Rüdiger von der Fecht. „Der Rechtsanwalt wird bis Ende November
prüfen, in welcher Form für die Gesellschaften eine Fortführungsperspektive
besteht“, ließ dapd mitteilen.
Vorderwülbecke zeigte bei der Mitarbeiterversammlung mit dem Finger auf
andere: Die ARD zahle dem Konkurrenten dpa (Deutsche Presse-Agentur)
900.000 Euro mehr. Das ZDF zahle gar nur ein Zehntel von dem, was die dpa
bekomme und auch das Bundespresseamt überweise viel weniger. Außerdem soll
er die ungerechte Subventionierung von AFP (Agence France-Press) durch den
französischen Staat angeprangert haben. Von „Rumheulen“ sprachen
Mitarbeiter, die auf der Versammlung waren, anschließend.
## Kampf nicht zu gewinnen
Doch für Vorderwülbecke stand fest: Den Kampf gegen diese
Ungleichbehandlung könne dapd nicht gewinnen. Also zogen er und Löw
unvermittelt die Notbremse. Selbst die Mitglieder der Chefredaktion – mit
Ausnahme von Cord Dreyer – sollen erst am Dienstagmittag von dem
Insolvenzantrag erfahren haben.
Es ist das Ende des Märchens von den guten Finanzinvestoren. 2009 hatten
Vorderwülbecke und Löw den Deutschen Depeschendienst (ddp) übernommen, dann
kauften sie noch den deutschen Ableger der US-Agentur Associated Press
(AP). „Unsere Strategie ist es, dpa verzichtbar zu machen“, verkündete Löw
damals. 2010 verschmolzen ddp und AP zu dapd.
Der laute Zweckoptimismus der Agentur erinnerte ein wenig an die frühere
Aufbaurhetorik der an sich selbst zugrunde gegangenen DDR. Die neue Agentur
expandierte ständig, gab mehr und mehr Journalisten einen Job. Es wurde ein
Sportdienst aufgebaut, die Fotoagentur Picture Press von Gruner + Jahr
übernommen, der französische Bilderdienst Sipa Press gekauft, dann auch der
französische Teil der AP einverleibt und die Pariser Nachrichtenagentur
Diora News komplett aufgekauft. Zuletzt wurde spot on news, eine
Nachrichtenagentur für Unterhaltung, in München gegründet (die nicht von
der Insolvenz betroffen ist).
Nebenbei beharkten sich dapd und der große Konkurrent und Platzhirsch dpa
beim Kampf um Kunden und um Namensrechte vor Gericht. Dabei hatte zuletzt
erstaunlich häufig dapd die Nase vorn. Doch selbst der erfolgreiche Kampf
um den Auftrag des Auswärtigen Amts konnte das Finanzloch nicht schließen.
## Monatlich eine Million Euro Verlust
Die beiden Investoren hätten mit der Nachrichtenagentur zuletzt Monat für
Monat eine Million Euro Verlust gemacht, ließ Vorderwülbecke die
Mitarbeiter wissen, nun brauchten sie eine „harte Sanierung durch die
Insolvenz“. 515 Mitarbeiter hat die dapd-Gruppe. 299 sollen nun von der
Insolvenz betroffen sein. Dieses Ende mit Schrecken erinnert irgendwie auch
an die Sozialismusversuche.
Der tiefe Fall kommt angesichts der ungebremsten Anwerbung von Mitarbeitern
umso überraschender. Bis vor wenigen Tagen war fast jeder arbeitsuchende
Journalist in Berlin auch bei dapd im Gespräch.
Die, die schon im Boot saßen, hatten bereits im September kein Gehalt mehr
bekommen. Für diesen Monat werde Insolvenzgeld von der Bundesagentur für
Arbeit ausgezahlt, ließ der neue Geschäftsführer Wolf-Rüdiger von der Fecht
die Mitarbeiter wissen. Da dieses Übergangsgehalt allerdings nur für drei
Monate gezahlt wird, verkürzt sich die Zeitspanne, in der die Angestellten
in den acht dapd-Gesellschaften ihr Gehalt in voller Höhe (zumindest wenn
es nicht mehr als 5.400 Euro sind) überwiesen bekommen, bis Ende November.
Die freien Mitarbeiter, die den September über für dapd gearbeitet haben,
bekämen für den zurückliegenden Monat zunächst sogar überhaupt nichts. Sie
müssten sich als Gläubiger einreihen, hieß es auf der
Mitarbeiterversammlung.
Von der Fecht prüft nun, „ob wir weitere Investoren für die Gesellschaften
gewinnen können“, wie er in einer Vorstellungsmail an die Mitarbeiter
schrieb. Vorderwülbecke soll auf der Versammlung einen namhaften deutschen
Konzern erwähnt haben. Doch wer glaubt ihm noch?
3 Oct 2012
## AUTOREN
Jürn Kruse
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