# taz.de -- Nach Insolvenz von dapd: Hört die Signale, freie Journalisten! | |
> Der Niedergang der Nachrichtenagentur dapd sollte für jeden Freiberufler | |
> im Journalismus eine letzte Warnung sein. Es gibt drei Auswege. | |
Bild: Das Los vieler freier Journalisten: zum Termin gehen, zuhören, aufschrei… | |
Die Agentur dapd galt noch nie als Premiumauftraggeber für freie | |
Journalisten, bewegte sie sich mit ihren Honoraren doch schon immer am | |
unteren Rand. Für einen Tag etwa bei Gericht gab es ursprünglich einmal 77 | |
Euro, nach öffentlichen Protesten wurde nachgebessert, danach waren es 100 | |
bis 137 Euro Tagespauschale. Schwierig, davon eine Familie zu ernähren. | |
Auch um Spesen musste man oft streiten. Nun ist die dapd trotz der | |
schlechten Entlohnung zahlungsunfähig. | |
Es sind die Freien, die in der Insolvenz als Erste die Last dieser | |
Entwicklung tragen müssen. Während die Angestellten Insolvenzgeld erhalten, | |
fallen die Honorare für Freie und Pauschalisten für September erst mal aus | |
– freie Mitarbeiter werden im Insolvenzrecht zunächst wie der | |
Papierlieferant oder der Kantinendienstleister behandelt – als Gläubiger, | |
die am Ende schauen müssen, was übrig bleibt. | |
Die gute Nachricht ist, dass sich der Insolvenzverwalter offenbar darum | |
bemüht, im Oktober wieder Honorare zu bezahlen und für die ausgefallenen | |
September-Honorare eine Lösung zu finden. Denn auch ihm ist klar: Ohne | |
Freiberufler geht nichts, vor allem in den Landesbüros der Agentur. Das | |
gilt auch für fast jede andere Redaktion im Land. Die wachsende Bedeutung | |
der Freien steht in krassem Gegensatz zu ihrer Bezahlung und ihrem Status. | |
Honorare stagnieren auf dem Niveau der 80er Jahre und die Verlage nehmen | |
den Autoren heute sämtliche Nutzungsrechte an ihren Texten. | |
Auch wenn gerade keine Insolvenz droht, tragen Freie zuerst die Lasten der | |
Medienkrise. Pauschalen werden gestrichen, Rahmenverträge gekündigt. Sie | |
sind fast regelmäßig gezwungen, ihren Auftraggebern, auch großen Verlagen, | |
zinslose Darlehen zu geben, weil es zur Gewohnheit geworden ist, erst | |
Wochen oder Monate nach dem Druck eines Beitrags das Honorar zu überweisen. | |
Ein weiteres Beispiel: Wer als Freiberufler in die Festanstellung wechselt, | |
bekommt seine Zeit als freier Journalist laut Tarifvertrag nur zur Hälfte | |
als Berufserfahrung angerechnet, und zwar maximal 3 Jahre. Wir reden hier | |
von meist gut ausgebildeten Akademikern. | |
## Risiko streuen | |
Der Niedergang der dapd sollte für jeden Freiberufler im Journalismus eine | |
letzte Warnung sein. Wer sein Dasein nicht als Billiglöhner oder | |
Leiharbeiter fristen will, sollte sich dringend überlegen: Wie kann ich mit | |
meinen Fähigkeiten und Kenntnissen mehr als einen Auftraggeber bedienen? | |
Das Gebot der Stunde ist, Risiko zu streuen und sich nicht von einem | |
einzelnen Kunden abhängig zu machen. | |
Und ja, auch wenn es vielen zuwider ist: Teil der Risikostrategie muss es | |
heute wohl auch sein, sich zu fragen, ob man seine Talente nicht zu einem | |
Teil auch in verwandten Berufen einsetzen kann. Arbeit für Stiftungen, | |
Vorträge, Lehrtätigkeit und ja, auch PR-Aufträge – bitte unbedingt klar | |
getrennt vom journalistischen Geschäft. Bei aller Vorsicht könnte durch | |
diese Entwicklung der unabhängige Journalismus in Gefahr geraten. Aber was | |
bleibt den Freien anderes übrig, wenn Verlage ihre Gewinne etwa aus | |
Internetportalen nicht mehr in den Journalismus stecken und erfolgreiche | |
Verlage Freie schlecht bezahlen? | |
Ein dritter Ausweg bleibt den Freien: Sie müssen den Blick offen halten für | |
neue Formen des Journalismus im digitalen Zeitalter. Es gibt auch in | |
Deutschland erste erfolgversprechende Versuche mit Internetportalen, | |
jenseits der Verlage. Manche Hyperlokalblogs, die sich um die | |
vernachlässigten Aufgaben der Regionalblätter kümmern, machen inzwischen so | |
viel Umsatz, dass man davon einen Jungredakteur bezahlen könnte. Auf Dauer | |
ist das zu wenig, aber es könnte ein Anfang für etwas Neues sein. | |
5 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
## TAGS | |
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