# taz.de -- Fußballcoach Jürgen Klopp: Charmebolzen oder Rumpelstilzchen? | |
> Was ist los mit dem Trainerschnuckel der ballverrückten Nation? Kann | |
> Jürgen Klopp lieb nur bei Erfolg? Was wir jetzt sehen, ist endlich der | |
> komplette Klopp. | |
Bild: Wie ein wilder Stier: Jürgen „Ach, leck mich am Arsch“ Klopp in voll… | |
Neulich hat Jürgen Klopp die Zähne gefletscht. Es sah aus, als ob er den | |
vierten Schiedsrichter mit Haut und Haar verspeisen wollte. „So sehe ich | |
nun mal aus“, erklärte der Meistercoach Klopp sein furchterregendes | |
Mienenspiel. Das ist freilich nur die halbe Wahrheit. Denn Klopp sieht nur | |
so raubtierhaft aus, wenn er schlechte Laune hat – was in letzter Zeit | |
ziemlich häufig passiert. Der Charmebolzen ist verstimmt. Er giftet und | |
motzt, er meckert und bölkt. | |
Ist das noch der Jürgen Klopp, den Fußballdeutschland als Trainer der | |
Herzen zu kennen glaubt? Ja natürlich, aber Klopp verzichtet im Angesicht | |
der kleinen Klubkrise darauf, permanent den Unterhaltungsclown zu geben. Er | |
lässt sich ein bisschen gehen. Klopp glaubt nicht ganz zu Unrecht, sich das | |
leisten zu können, schließlich hat er Großes vollbracht mit seinen | |
Schwarz-Gelben, zumindest in Deutschland. Zu bestaunen ist jetzt also der | |
komplette Klopp, das gesamte Spektrum seiner Persönlichkeit. Nur die | |
Öffentlichkeit mag erstaunt sein über die neuen Wesenszüge, Insider sind es | |
eher nicht. | |
Die Fakten reichen aus, um eine veritable Herbstdepression aufziehen zu | |
lassen: neun Punkte Abstand zu den Bayern, vier verletzte Schlüsselspieler | |
und eine Abwehr, die bisweilen so durchlässig ist wie ein Nudelsieb. Dazu | |
kommen eine miese Chancenverwertung und die Ungewissheit, woran es denn | |
verdammt noch mal liegt. | |
In Zeiten der Krise bewährt sich der echte Mann, sagen Branchenkenner. | |
Klopps Strategie sieht anscheinend so aus: Ein Meistertrainer muss es nicht | |
jedem recht machen, er muss nicht in jede Kamera lächeln, seine | |
Ausführungen mit einem Scherz und dem typisch Klopp’schen breiten Grinsen | |
abrunden. Warum nicht auch mal ein paar Journalisten beschimpfen, das hat | |
im Fußball ohnehin Tradition? Also sagt er, dass er heute keine großen | |
Erklärungen zum Fußball abgebe. Das habe eh keinen Sinn, weil der | |
Interviewer sie eh nicht verstehe. Oder er schmollt, wie jetzt nach dem | |
Spiel bei Hannover 96 (1:1), wohlwissend, dass er dann „wie ein Idiot“ | |
dastehe. | |
## „Du Seuchenvogel“ | |
Dass Klopp auf der ganzen Klaviatur der Gemütszustände spielen kann, das | |
war schon zu bestaunen, als er den SWR-Radioreporter Stephan Mai, der mit | |
einem Interviewwunsch an Klopp herangetreten war, mit den Worten | |
abkanzelte: „Ach, leck mich am Arsch, darauf habe ich Bock wie Zahnweh. Du | |
Seuchenvogel. Ihr habt 50 Leute beim SWR und ausgerechnet du kommst.“ | |
Aber auch diese Szene hat mindestens zwei Dimensionen. Immer wenn Mai ins | |
Stadion gekommen ist, patzte der BVB oder Mainz 05, Klopps früherer Klub. | |
Das Verhältnis von Mai zu Klopp glich einem Running Gag. Doch Klopp | |
kündigte mit seinem Ausraster die stille Übereinkunft auf, dass hier doch | |
nur gescherzt wird. Es wurde ernst. Genauso ernst, wie es auch jetzt ist. | |
Für Dortmund geht es um alles – die Meisterschaft. Für Klopp um seinen Ruf. | |
Er ist ja weiß Gott noch nicht am Ende. Im Gegenteil. Seine eigentliche | |
Karriere hat gerade erst begonnen. Ein internationaler Großtrainer möchte | |
er werden, und der BVB soll auch international endlich ein paar Bäume | |
ausreißen. So gesehen ist der zunehmend misanthropische Herr Klopp auf | |
einem guten Weg. Denn welcher Supercoach war schon ein Strahlemann? Ernst | |
Happel etwa, Alex Ferguson, José Mourinho oder Giovanni Trapattoni? Ganz zu | |
schweigen von Felix Magath. (Das erklärt im Übrigen auch Klinsmanns | |
Scheitern.) | |
Sie alle waren sicherlich am Anfang ihrer Karriere zugänglicher und | |
menschenfreundlicher. Aber mit den Jahren stellt sich im Fußballgeschäft | |
eine professionelle Deformation des Charakters ein. Davor ist offenbar auch | |
Jürgen Klopp nicht gefeit. Ist aber nicht schlimm. | |
8 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Borussia Dortmund | |
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