# taz.de -- Häuserkampf in Berlin-Mitte: Der Schlüssel zum Besitz | |
> Die Eigentümer der Linienstraße 206 wollen, dass die Bewohner ihnen | |
> ständigen Zugang ermöglichen. So fing es auch in der Liebigstraße 14 an. | |
Bild: Demo gegen die Räumung in der Liebigstraße. | |
Bekommt Berlin nach der „Liebig 14“ ein neues Konfliktsymbol? Am heutigen | |
Donnerstag um 10 Uhr wollen die Eigentümer des ehemals besetzten Hauses in | |
der Linienstraße 206 den Schlüssel übergeben bekommen. Die Reaktion der | |
Bewohner ist unmissverständlich: „Damit greifen die Eigentümer eines der | |
wenigen verbliebenen Wohnprojekte in Mitte an.“ | |
Besetzt in der Nachwendezeit im Mai 1990, hat das 1823 erbaute Gebäude, das | |
unter Denkmalschutz steht, seit Ende 1990 Mietverträge. Ähnlich war das | |
auch bei dem Hausprojekt Liebigstraße 14 in Friedrichshain. Allerdings | |
haben die Eigentümer die Mietverträge gerichtlich angefochten. Begründung: | |
Diejenigen, die die Verträge damals unterzeichnet hätten, lebten heute | |
nicht mehr dort. | |
Ein ähnliches Vorgehen der Eigentümer Bernd-Ullrich Lippert und Frank | |
Wadler befürchten nun auch die Bewohner der Linienstraße. „Die Eigentümer | |
haben bereits die Inhaber der Verträge gegoogelt und werden bei denen | |
vorstellig“, sagt Stefan*. „Wenn die erst die Schlüssel haben, dann wird | |
wohl eine Klagewelle losgehen.“ | |
Anders als die Bewohner der Liebig 14 wollen Stefan und seine Mitbewohner | |
aber nicht auf die militante Karte setzen. „Wir haben schon beim ersten | |
Verkauf 2008 deutlich gemacht, dass wir das Haus selbst kaufen wollen“, | |
sagt Stefan. Als Käufer soll das Mietshäusersyndikat auftreten. „Wir haben | |
damals lediglich 50.000 Euro weniger geboten als der zwischenzeitliche | |
Besitzer“, so Stefan. Lippert und Wadler hätten das Haus dann für 600.000 | |
Euro gekauft. „Das war das Doppelte von dem, was die Vorbesitzer bezahlt | |
haben. Und das, obwohl vorher nie ein Euro investiert wurde.“ | |
## „Die von ihnen gewählte Nummer ist nicht vergeben“ | |
Die neuen Eigentümer waren am Mittwoch nicht zu sprechen. Auf dem | |
Anrufbeantworter einer Firma von Bernd-Ullrich Lippert wird auf eine | |
Handynummer verwiesen. Ruft man die an, heißt es: „Die von ihnen gewählte | |
Nummer ist nicht vergeben.“ | |
„So geht es uns schon die ganze Zeit“, sagt Markus. Er knüpft gerade | |
Kontakte zum Bezirksamt und zur Bezirksverordnetenversammlung. „Wir wollen | |
einen runden Tisch haben, um über die Zukunft des Hauses zu sprechen“, | |
fordert Markus. Immerhin handele es sich bei der Linienstraße um das letzte | |
Hausprojekt aus der Nachwendezeit in der Spandauer Vorstadt. „Hier radeln | |
sogar schon die Touristen vorbei“, erzählt Markus. | |
Zweimal haben die Bewohner der Linienstraße 206 schon Entgegenkommen | |
gezeigt. „Im Dezember und im Frühjahr waren die Eigentümer samt Architekten | |
und Sachverständigen im Haus“, betont Markus. „Da ging es um die Baustelle | |
auf dem Nachbargrundstück. Die haben geprüft, ob es bei uns Bauschäden | |
gibt.“ Das Ergebnis der Begehung: Es gab eine Abmahnung und die erste | |
Kündigung. | |
Die Schlüsselübergabe wollen sie am Donnerstag dennoch verweigern. „Wir | |
haben keine abgeschlossenen Wohnungen. Wer bei uns im Treppenhaus ist, kann | |
jederzeit bei den Leuten im Schlafzimmer stehen“, sagt Stefan. Die Bewohner | |
des Hauses rechnen nun mit einer Eskalation . „Es wird nun richtig ernst“, | |
sagt Stefan. | |
Auch in der Liebigstraße fing alles mit der Forderung nach einem runden | |
Tisch an. Am Ende stand die Räumung. | |
* Name geändert | |
17 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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Berlin | |
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