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# taz.de -- Projekte in Mitte und Pankow: Alternative vor dem Aus
> Gleich drei langjährige linke Projekte in Mitte und Pankow kämpfen ums
> Überleben: die Linienstraße 206, die "Kirche von unten" und das
> Kneipenkollektiv Baiz.
Bild: War vielleicht bald mal: linke Pankower Nazi-Gegner auf einem Dach im Pre…
Der Richter macht kurzen Prozess: Schon nach 20 Minuten erklärt er die
Güteverhandlung für gescheitert. Zu weit liegen die beiden Seiten
auseinander. Kathrin K., pinke Haare, Bewohnerin des Hausprojekts
Linienstraße 206, und Bernd-Ullrich Lippert, der Eigentümer des Hauses,
ganz in dunklen Farben gekleidet.
Für das alternative Wohnprojekt in Mitte, 1990 besetzt und heute das letzte
seiner Art in der Spandauer Vorstadt, wird es damit ernst. Erstmals musste
es am Mittwoch wegen einer Räumungsklage vor Gericht – und brachte 30
UnterstützerInnen mit. Die ließen im Gerichtssaal ihre Jacken fallen und
formten mit weißen T-Shirts eine Liebeserklärung: „I love Linie 206“.
Allerdings geht es derzeit nicht nur um die Linienstraße. Gleich um die
Ecke stehen noch zwei weitere traditionslinke Projekte vor dem Aus: der
Jugend- und Konzerttreff „Kirche von Unten“ in der Kremmener Straße und das
Kneipenkollektiv Baiz an der Torstraße. Die Veteranen der Alternativkultur
in Mitte und Prenzlauer Berg wanken.
Die Linienstraße verschaffte sich am Mittwoch vorerst eine Verschnaufpause.
Schon im Dezember hatte Lippert, seit 2010 Eigentümer, gegen Kathrin K.
Räumungsklage erhoben: Diese habe nicht mal einen Mietvertrag. Das Einzige,
was Lipperts Anwalt beim Gütetermin vor dem Amtsgericht anbietet, ist eine
„großzügige Räumungsfrist“. Lachen im Publikum. „Wie nett“, murmelt …
Frau.
Kathrin K., seit 2007 im Haus, hält dagegen: Es gebe sehr wohl einen
Mietvertrag, einen mündlichen, vereinbart im Treppenhaus. Und seit sechs
Jahren zahle sie auch Miete. Der Richter gibt ihr recht: Durch die lange
Dauer der Zahlungen sei ein Mietverhältnis entstanden. In einem neuen
Prozess müsse nun geklärt werden, ob tatsächlich mündlich ein Vertrag
geschlossen wurde. Oder ob dieses Gespräch erfunden wurde, wie Lippert
behauptet, und damit „Prozessbetrug“ und wiederum ein Kündigungsgrund
vorliege.
„Für das Gespräch haben wir genug Zeugen“, zeigt sich Kathrin K.
erleichtert. Gleichzeitig fürchtet sie, die Klage gegen sie sei erst der
Auftakt: „Der will uns alle loswerden.“ Bereits vor Monaten hätten alle
Bewohner im Haus Abmahnungen erhalten, im Oktober mussten sie Lippert einen
Hausschlüssel überreichen. Der plane Eigentumswohnungen. Das Projekt bietet
an, das Haus selbst zu kaufen. „Aber Lippert blockt ab“, klagt Kathrin K.
Die „Kirche von Unten“ (KvU) ist schon seit Jahresbeginn ohne Mietverträge,
der Eigentümer ließ sie auslaufen. Auch hier sollen im Café und im Keller
Eigentumswohnungen und eine Garage entstehen, statt wie seit 1992 Konzerte
und Bandproben stattfinden zu lassen. „Bisher gab es noch Gespräche mit der
Hausverwaltung, deshalb gibt es uns noch“, sagt eine KvU-Sprecherin. „Das
steht jetzt aber vorm Scheitern.“ Auch ein Ersatzobjekt, das
Peter-Edel-Kulturhaus in Weißensee, sei „so gut wie gestorben“. „Und die
Politik macht Versprechungen, aber sonst nichts.“ Nun stünden alle Zeichen
auf Räumungsverfahren.
Ähnlich sieht es beim Baiz-Kollektiv aus. Ende letzten Jahres hat eine
Immobiliengruppe das Haus gekauft, in dessen Erdgeschoss sich die Kneipe
befindet. Auch hier sollen geplant sein: Eigentumswohnungen und Büros.
„Eine gastronomische Weiternutzung wird kategorisch ausgeschlossen“, heißt
es vom Baiz.
Seit zehn Jahren ist die Kneipe in ihren Räumen, veranstaltet dort linke
Info-Abende und Lesungen. Bis Ende Oktober läuft der Mietvertrag. Eine
Verlängerung bis maximal Ende Februar 2014 sei ihnen angeboten worden, mehr
nicht, so das Kollektiv. Nur habe man „auf jeden Fall Bock, weiterzumachen,
wo und wie auch immer“. Am Sonntag trafen sich bereits 80
UnterstützerInnen, um zu beraten, wie.
Ein Rettungsversuch: eine gemeinsame Demonstration der drei Projekte am 13.
April. Immerhin gelang es im letzten Jahr durch vehementen Protest, das
benachbarte Offkulturprojekt Schokoladen zu retten. Der Protest sei das,
was nun noch bleibe, heißt es auch von Baiz, KvU und Linienstraße.
Auch die Opposition ruft zur Unterstützung der Projekte auf. „Das Schweigen
der bezirklichen Akteure ist höchst beunruhigend“, kritisiert Katrin
Lompscher (Linke). „Sie müssen die Projekte schützen, sonst bricht hier
bald in einem ganzen Stadtteil die Alternativkultur weg.“
13 Mar 2013
## AUTOREN
Konrad Litschko
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ständigen Zugang ermöglichen. So fing es auch in der Liebigstraße 14 an.
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