# taz.de -- Kommentar Überwachungsprojekt Indect: Es lebe der Generalverdacht | |
> Mit Indect ist jeder, der nicht in der Norm bleibt, auffällig und damit | |
> gefährlich. Doch dass der Überwachungsstaat näher rückt, liegt auch am | |
> EU-Bürger selbst. | |
Bild: Und hinter dem Kameraauge sitzt kein Mensch, sondern ein Computer. | |
Die Form von Überwachung, die in dem von der Europäischen Union geförderten | |
Projekt Indect entwickelt wird, kann es problemlos aufnehmen mit der | |
totalen Kontrollvision aus Orwells Roman „1984“. Das EU-Konzept ist sogar | |
noch besser: Während Orwells Fantasiestaat Ozeanien menschliche Spione | |
einsetzen muss, um die Kameraüberwachung zu perfektionieren, kommt Indect | |
zunächst ganz ohne Menschen aus und setzt auf ein vollautomatisiertes | |
Computersystem. | |
Ob es sich um flächendeckende Videoüberwachung handelt, um Bewegungsprofile | |
oder um die Nutzung persönlicher Daten und Informationen aus dem Internet | |
für Fahndungszwecke – jede Technologie für sich genommen ist Datenschützern | |
bereits ein Dorn im Auge; Indect will sie nun alle miteinander verbinden. | |
So entsteht ein engmaschiges Netz, das jede Art von „abnormalem Verhalten“, | |
was immer das heißt, meldet und im Zweifelsfall eine Maschinerie in Gang | |
setzt, die das potenzielle Verbrechen verhindern soll. Das System kann dann | |
zum Beispiel kleine Drohnen losschicken, die den Verdächtigen durch die | |
Stadt verfolgen. Oder es alarmiert am Ende der „Informations“-Kette | |
tatsächlich menschliche Polizisten, die sich der sich ungewöhnlich | |
verhaltenden Person annehmen. | |
Zuvor wird an keiner Stelle von einem Menschen geprüft, ob die Analyse der | |
Computer richtig ist. Jeder Bürger kann zum Verbrecher werden, weil er zu | |
schnell gelaufen ist, zu laut geredet hat oder sich zu lange an einem | |
bestimmten Ort aufgehalten hat. Jeder, der nicht in der Norm bleibt, ist | |
auffällig und damit automatisch gefährlich. Der Bürger unter | |
Generalverdacht. | |
Die EU-Kommission bezahlt dafür viel Geld – 11 Millionen Euro seit 2009. | |
Weil die Forschungsprojekte ohne jede politische Debatte genehmigt werden, | |
blieb Indect lange weitgehend unentdeckt von der Öffentlichkeit, abgesehen | |
von wenigen Protesten etwa aus dem Europäischen Parlament und von | |
spezialisierten NGOs. | |
Die EU-Kommission hat daraufhin Indect noch einmal prüfen lassen und kam zu | |
dem Schluss, dass das Projekt in völligem Einklang stehe mit den Werten der | |
Union. Dass es noch nicht einmal vernünftige Datenschutzregeln gibt auf | |
EU-Ebene kommt dieser Entscheidung natürlich zugute. Und damit ist es | |
letztlich der EU-Bürger selbst, der – unfreiwillig – mit seinen | |
Steuergeldern dafür sorgt, dass der Überwachungsstaat jeden Tag ein | |
Stückchen näher rückt. | |
22 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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