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# taz.de -- Die Kandidatur: Auf der Überholspur
> Susanne Gaschke ist "Zeit"-Redakteurin und möchte am Wochenende zur
> Kieler Oberbürgermeisterin gewählt werden. Der Schritt ins höchste Amt
> ihrer Heimatstadt wäre für sie nur konsequent.
Bild: Von der politischen Journalistin zur journalistisch arbeitenden Politiker…
HAMBURG taz | Auch das ist jetzt ein Arbeitsort der bekannten
Zeit-Redakteurin Susanne Gaschke: eine idyllische Auen-Landschaft in
Kiel-Russee. Sie ist am Dienstag mit engagierten Bürgern zu einem
Spaziergang verabredet. Und sie haben Gaschke als
SPD-Oberbürgermeisterkandidatin für Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt
eingeladen. Nicht als renommierte Leitartiklerin. Auch die OB-Kandidaten
von der CDU und den Grünen waren schon hier. Die Gruppe geht mit Gaschke
durch eine Wald-und-Wiesen-Landschaft.
Das Problem der Anwohner: Die Wanderwege sind immer mal wieder überflutet,
sie liegen zwischen dem Russee, der Eider und einigen Auen. Die Umgebung
ist feucht und sumpfig. Herbert Schramm lässt die Gruppe stoppen, bittet
die Mitstreiterin, die Fotos macht, die Stellen zu dokumentieren, und zeigt
den Weg entlang. „Hier stand vor Kurzem noch Wasser.
Gaschke verwandelt sich bei diesem Spaziergang: Die politische Journalistin
wird zur journalistisch arbeitenden Politikerin. Sie hört zu, lässt sich
Dinge erklären, schreibt im Notizbuch mit. Es stellt sich heraus: Die
Ursachen sind komplex, die Zuständigkeiten gehen über mehrere politische
Ebenen. „Was kann die Stadt machen?“, fragt Gaschke. Und schiebt hinterher,
dass eine Lösung billig und einfach sein müsse. Am Ende einigen sich
Anlieger und Kandidatin: Die Wege sollen an den kritischen Stellen mit Sand
aufgeschüttet werden und Rohre verlegt. Gaschke ist zufrieden: „Das kostet
erkennbar keine Millionen.“
„Manchmal habe ich das Gefühl: Selbst eine Bundeskanzler-Qualifikation
reicht hier nicht ganz“, sagt die 45-Jährige hinterher. Sie erzählt, wie
komplex viele Fragen und Probleme in der Stadt sind. Die kleinen, von den
großen ganz zu schweigen. Dabei liegen ihr anspruchsvolle Aufgaben
eigentlich. Sie will intellektuell gefordert werden, und vieles ist ihr
auch ziemlich gut gelungen: sehr gutes Abitur an Kiels humanistischem
Gymnasium, Studium der Anglistik, Pädagogik und des Öffentlichen Rechts mit
einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, Promotion „summa
cum laude“. Da war sie schon Mutter.
Schülersprecherin der eigenen Schule, Asta-Vorsitzende der eigenen Uni:
Gaschke ist wohl das, was man eine Überfliegerin nennt. Sie entschied sich
Journalistin zu werden, lernte bei den Kieler Nachrichten und landete
ziemlich schnell bei der Zeit, wo sie einen „Superjob“ hat, wie sie sagt.
Sie schreibt über Sozial-, Jugend-, Frauen- und Bildungspolitik, befasst
sich mit der politischen Linken und der Digitalisierung.
Verlässt sie das Blatt, weil es für sie nicht weiter nach oben geht? „Ich
habe nie empfunden, dass es mit der Karriere ein Problem gab. Ich konnte in
der Zeit viel bewegen, etwa im Bereich junge Leser.“ Für den Verlag seien
das Renommierprojekte. Sie hadert eher mit den Entwicklungen in ihrem
Metier: „Ich verzweifele manchmal schon ein bisschen am politischen
Journalismus“, sagt Gaschke. „So wie wir arbeiten, tragen wir selbst nicht
selten zur Politik-Verdrossenheit bei.“ Sie stört das Zuspitzen, das
Besserwissen, das Schiedsrichter-Spielen.
Vielleicht hängt das damit zusammen, dass sie eine große Nähe zum
Politikbetrieb hat: Ihr umfangreiches politisches Netzwerk in Kiel ist über
die Jahre gewachsen. Seit 1987 ist sie in der SPD, ihr Mann ist der
SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels. „Ich bin ein politischer
Mensch“, sagt sie. „Ich sehe mich nicht als ’Politiker‘.“
Obwohl Gaschke seit Langem vom Hamburger Speersort aus über die große
Berliner Politik schreibt, ist sie Kielerin geblieben. Sie sei „so
erzkielerisch, dass es fast schon ein wenig peinlich ist“, hat sie zu
Anfang bei ihrer Bewerbungsrede gesagt. Da ist es nur konsequent, dass so
eine Frau irgendwann den höchsten politischen Job in ihrer Heimatstadt
will.
Sie war die erste, die SPD-Kandidatin werden wollte, als klar war, dass
Torsten Albig Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und den
Oberbürgermeister-Posten abgeben wird. Nicht ohne Gegenwind: Zu wenig
Verwaltungserfahrung wurde ihr vorgehalten und zu wenig Erfahrung in der
Kommunalpolitik. „Ich bin kein Jurist, der sich irgendwo auf irgendeine
Verwaltungsplanstelle bewirbt“, sagt Gaschke. Es gehe ihr um die politische
Gesamtverantwortung für diese Stadt. Am Ende setzte sie sich äußerst knapp
gegen drei parteiinterne Konkurrenten durch.
Jetzt führt sie in der SPD-Hochburg einen Wahlkampf gegen vier
Gegenkandidaten. Die CDU schickt den Projektmanager und ehemaligen
Stadtkämmerer Gert Meyer ins Rennen, die Grünen den Landtagsabgeordneten
Andreas Tietze. Als Parteiunabhängige treten Matthias Cravan aus dem
Occupy-Umfeld und Jan Barg an.
Doch wofür steht sie? Sie ist Teil des rechten Parteiflügels, hat sich in
Artikeln immer wieder an den 68ern abgearbeitet. Als Oberbürgermeisterin
will sie sich für mehr bezahlbaren Wohnraum einsetzen, für mehr
Kinderbetreuungsplätze und mehr Jobs. Eine Stadt-Regionalbahn, die Kiel mit
dem Umland verbindet, findet sie „vernünftig“, will aber die Bürger darü…
abstimmen lassen.
Auch wenn die CDU mal sechs Jahre lang die Oberbürgermeisterin in Kiel
gestellt hat: Eigentlich ist nur die Frage, ob Gaschke im ersten Wahlgang
gewinnt oder doch erst im zweiten. Die Polit-Quereinsteigerin ist
siegessicher: „Kiel ist eine sozialdemokratische Stadt. Wir haben einen
fulminanten Wahlkampf gemacht, und die CDU hat nichts Interessantes zu
bieten.“
25 Oct 2012
## AUTOREN
Daniel Kummetz
## TAGS
Susanne Gaschke
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