# taz.de -- Gewalt im Amt: Polizeibeamte verschollen | |
> Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren gegen vier sächsische | |
> Ordnungshüter wegen Körperverletzung ein, obwohl ein Journalist | |
> Augenzeuge war | |
Bild: Opfer von Polizeigewalt: Occupy-Aktivist Stephan beim Anti-Nazi-Protest. | |
„Das kann eigentlich nur ein schlechter Scherz sein, denn auf meinen Fotos | |
sind die Polizisten eindeutig zu erkennen“, sagt Hinz und Kunzt-Volontär | |
Benjamin Laufer. Doch der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, | |
bestätigt einen Bericht des MDR 1 Radio Sachsen. Ihm zufolge ist das | |
Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen vier Polizisten einer | |
sächsischen Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE) eingestellt | |
worden. | |
„Entweder hat sich der Tatverdacht nicht erhärtet oder die Täter konnten | |
nicht ausfindig gemacht werden“, sagt Möllers. „In einem Fall laufen die | |
Ermittlungen noch.“ Da war eine Frau von Polizisten zu Boden geschubst | |
worden und hatte einen Schädelbruch erlitten. „Das Opfer muss noch gehört | |
werden“, sagt Möllers. | |
Konkret geht es um den Polizeieinsatz gegen Protestler des | |
Neonazi-Aufmarsches am 2. Juni in Wandsbek, an dem sich mindesten 7.000 | |
Menschen beteiligt haben. In der Griesstraße hatten sich damals vier | |
Personen vor einer Polizeikette auf die Straße gesetzt – darunter auch | |
Stephan aus dem Occupy-Camp in der Innenstadt, der sich zuerst alleine vor | |
die Polizisten gesetzt hatte. | |
Kurz zuvor hatte die Polizei eine Sitzblockade von mehreren hundert | |
Menschen am Peterskampweg mit Wasserwerfern, Pfefferspray und | |
Schlagstockschlägen auf die Köpfe der Demonstranten geräumt, um dem | |
Neonazi-Treck den Weg über die enge Marienthaler Straße des | |
Hasselbrook-Quartiers zum S-Bahnhof zu bahnen. | |
Wohl aus Wut über die gewaltsame Räumung am Peterskampweg, bei der | |
Polizisten vereinzelnd mit Gegenständen beworfen wurden, hatten Unbekannte | |
auch zwei Pkws angezündet. | |
In der Griesstraße hatte sich die Situation später schon wieder entspannt, | |
als die sächsische BFE auf die Blockierer zurannte. „Völlig außer sich, | |
einige brüllten“, schreibt Benjamin Laufer bei Hinz und Kunzt-Online. | |
„’Zurück!‘ schrie einer immer wieder, der die Fassung verloren zu haben | |
schien.“ Dann seien die auf dem Boden sitzenden Personen überrannt worden. | |
„Stephan wurde von einem Polizisten mehrfach getreten und mit dem | |
Schlagstock verprügelt, während er wehrlos am Boden lag“, sagt Laufer. „Er | |
krümmte sich auf dem Boden und hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht.“ Als | |
sich der Occupy-Aktivist, der übrigens zahlreiche blaue Flecken davontrug, | |
aufgerappelt hatte und bei der sächsischen Polizeieinheit protestierte, | |
bekam er zur Antwort, er solle 110 anrufen, so Hinz und Kunzt-Online. „Ein | |
anderer sagte: ’Ihr schmeißt doch mit Steinen und zündet Autos an.“ | |
Wieso die Täter nicht ermittelt werden konnten, bleibt ein Rätsel. Denn bei | |
der Vernehmung beim Dezernat interne Ermittlungen bestätigten die Ermittler | |
dem Augenzeugen, dass die eingesetzten Beamten gut zu erkennen seien. „Da | |
muss ich im Detail passen“, sagt Möllers von der Staatsanwaltschaft. „Wenn | |
die Betroffenen unzufrieden sind, müssen sie sich beschweren.“ | |
Eine, die sich zwar nicht beschwert, aber nachhakt: Das ist die | |
innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christiane Schneider. Sie | |
will in einer Kleinen Anfrage an den Senat wissen, was unternommen worden | |
sei, „um die ’nicht auffindbaren‘ TäterInnen ausfindig zu machen“. | |
25 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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