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# taz.de -- Heiraten: Freundlich nicken ist die halbe Miete
> Bei der Hochzeitsmesse für gleichgeschlechtliche Paare gibt es einiges zu
> sehen. Inwiefern das auf eine homosexuelle Klientel zugeschnitten sein
> soll, bleibt unklar.
Bild: Wer traut sich? Und in welchem Rahmen?
„Haben Sie Interesse am Fotografen?“, fragt sie und lächelt ihr
freundliches Messe-Lächeln. „Tut mir leid, ich bin in Begleitung hier“,
antworte ich, während ich durch den Katalog mit Hochzeitsfotografien
blättere. Es dauert einige Sekunden, bis sie ihren Fauxpas bemerkt. Auch
die Aussteller scheinen hier verkrampfter zu sein als auf streng
heterosexuellen Hochzeitsmessen.
Alle sind sie hier: Goldschmiede und Brautkleiddesigner,
Hochzeitstortenbäcker und Locationscouts und natürlich auch Fotografen.
Ganze 28 Aussteller haben ihre Stände bei der Hochzeitsmesse „Just Queer“
für gleichgeschlechtliche Paare im „Lebensort Vielfalt“ in Charlottenburg
aufgebaut, es werden Modenschauen getanzt, gemeinschaftliches Cocktailmixen
wird angeboten und überall werden Kugelschreiber verschenkt. Alles sieht so
spießig und kleinbürgerlich aus, wie man es auch auf einer gewöhnlichen
Hochzeitsmesse erwartet hätte.
Der Begrüßungssekt für die ersten 25 Paare scheint verdampft zu sein,
schließlich ist es überschaubar voll auf dem 300 Quadratmeter großen
Messegelände, aber trotzdem wird uns kein Getränk angeboten. Leicht pikiert
zwängen wir uns durch die Werbeaufsteller, es ist leer und trotzdem eng.
„Haben Sie Interesse?“, flötet schon wieder jemand. „Ich bin Sabrina und
zelebriere freie Trauungen.“ Selbstverständlich haben wir Interesse, sonst
wären wir ja nicht hier. Also wird uns erklärt, wie man seine Trauung
emotional gestalten kann, ohne kirchlich zu heiraten. „Im Standesamt ist es
ja immer so förmlich und kühl.“ Mein Einwand, dass ich kürzlich eine
durchaus emotionale, nichtkirchliche Hochzeit ohne die Anwesenheit ihrer
Firma erlebt habe, wird dezent weggelächelt. Das beherrschen sie hier in
Perfektion.
Nun zum Angebot. Man kann seinen Namen zum Beispiel auf schwarze Steine
schreiben und selbige dann tauschen. Oder jeder Partner sucht sich farbigen
Sand in einem Reagenzglas aus, der wird dann fröhlich zusammengekippt und
die neue Verbindung wird metaphorisch gefeiert. Auch sehr kreativ.
„Wann ist es denn bei Ihnen so weit?“ Ich schweige, denn ich möchte noch
mehr sinnlose Details ergattern. Die Tatsache, dass ich mir die
vorgetragenen Informationen mit dem soeben erhaltenen Kugelschreiber
notiere, scheint Sabrina ganz wuschig zu machen, sie wittert ein Geschäft
und redet ohne Unterlass.
Doch mein Kompagnon prescht dazwischen. „Wir heiraten nicht. Wir sind nur
so hier.“ Die Messedame begreift die Situation dank ihrer weltmännischen
Ader sofort. „Natürlich nicht“, sagt sie augenzwinkernd, „aber wann ist …
denn bei Ihren Freunden so weit?“ Jetzt sind wir es, die lächeln. Wir
packen einfach sämtliche Infozettel und Visitenkarten, die wir kriegen
können, in eine glücklicherweise zuvor erworbene Plastiktüte und nicken
freundlich, bevor wir weiterziehen.
Freundlich nicken scheint auf Hochzeitsmessen die halbe Miete zu sein.
Überall stehen sie, nicken und erwarten Interesse. Am nächsten Stand kann
man Miss Roxana mieten, die war immerhin schon beim Supertalent. Ich muss
zu meiner Schande gestehen, die Sendung damals sogar gesehen zu haben. Miss
Roxana trägt einen Netzbody sowie eine Python und versprüht die Eleganz und
Exklusivität eines Brandenburger Scheunenfestes. Das war es dann aber auch
schon. Inwiefern ihre atemberaubende Show auf eine homosexuelle Klientel
zugeschnitten ist, kann uns auch niemand erläutern.
Überhaupt scheuen sich viele anzuerkennen, dass es sich um eine
homosexuelle Hochzeitsmesse handelt. „Wir stellen auch auf üblichen
Hochzeitsmessen aus“, ist der gängige Tenor, wenn man sich als eher
sekundär Interessierter zu erkennen gibt. „Je mehr Messen, desto besser
natürlich“, erklärt uns Sabrina auf unserer zweiten Runde. Sie scheint
immer noch zu denken, dass wir uns einfach nur nicht trauen, unsere bald
anstehende Vermählung öffentlich zu machen.
## Eine Frage des Geldes
„Je mehr Nischen es gibt, desto lukrativer“, sagt sie. „Das ist eine rein
marktwirtschaftliche Frage, ähnlich wie mit diesen homöopathischen
Globuli-Pillen. Da ist überall das Gleiche drin, aber trotzdem gibt es sie
inzwischen auch für Kinder und Tiere. Da geht es schlicht und einfach ums
Geldmachen.“ Meine Frage bezüglich der eventuell bald anstehenden
Kinderhochzeitsmessen verneint sie leider. Man sieht ihr allerdings an,
dass ich sie auf eine Idee gebracht habe.
28 Oct 2012
## AUTOREN
Juri Sternburg
## TAGS
Ehe
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