# taz.de -- Kürzungspläne bei Zeitung „El País“: Redakteure im Streik | |
> Teure Zukäufe der Eigentümer haben Spaniens „El País“ in die Krise | |
> gestürzt. Bezahlen müssen dafür die Angestellten, jeder Dritte muss | |
> gehen. Nun wird gestreikt. | |
Bild: 92,6 Prozent der Mitarbeiter stimmten für einen Streik. | |
MADRID taz | Die Szene wiederholt sich täglich: Mitten in der aktuellen | |
Produktion verlassen die Redakteure der größten spanischen Tageszeitung El | |
País ihre Schreibtische. Sie versammeln sich vor der großen Fensterscheibe, | |
hinter der die Redaktionsleitung sitzt. Schweigend und anklagend heben sie | |
ein aktuelles Exemplar ihres Blattes in die Höhe. Der Grund: 149 der 460 | |
Beschäftigten sollen entlassen, dem Rest das Gehalt um 15 Prozent gekürzt | |
werden. | |
Kommende Woche (Dienstag bis Donnerstag) ruft der Betriebsrat zum Streik. | |
92,6 Prozent stimmten bei einer Urabstimmung für den Ausstand. „Mit diesen | |
harten Kürzungen wird die Qualität des Blattes nur schwerlich | |
aufrechtzuerhalten sein“, heißt es in einem „Brief an die Leser“, den | |
Redakteure an Kiosken in Madrid verteilten. | |
Geschäftsführung und Chefredaktion zeigen sich unbeeindruckt. Die | |
Entlassungen seien „schmerzhaft“, aber „notwendig“, um Kosten zu senken… | |
die Zukunft des Blattes zu sichern. „Wir können nicht weiterhin so gut | |
leben“, erklärte der Chef der El País und der Medienholding Prisa, zu der | |
das Blatt gehört, Juan Luis Cebrián, als er seine Pläne vorstellte. | |
Cebrián, der jährlich 13 Millionen Euro verdient, sprach von den | |
Werbeeinnahmen, die in den letzten fünf Jahren um mehr als die Hälfte | |
gesunken seien, vom Rückgang der Zeitungsauflagen in Spanien um 18 Prozent | |
im gleichen Zeitraum, von der Krise in der Branche, die bereits 8.000 | |
Journalistenstellen im Land gekostet hat. | |
## Redakteure über 50 nicht vorbereitet | |
Dabei macht El País nach wie vor Gewinn. Im vergangenen Jahr waren es zwölf | |
Millionen Euro, in den ersten sechs Monaten 2012 noch 1,8 Millionen. Ohne | |
Reform werde die Zeitung schon bald in die roten Zahlen rutschen, warnt | |
Cebrián dennoch. Es brauche ein neues Projekt. Redakteure über 50 seien für | |
die Zukunft nicht vorbereitet, fügte der Vorstandsvorsitzende hinzu, der | |
wenige Tage später seinen 68. Geburtstag feierte. | |
„Bei den Verhandlungen gibt es keinerlei Fortschritt“, beklagt der | |
Betriebsratsvorsitzende Manuel González. Die Entlassungen bei El País | |
sollen nach dem neuen Arbeitsrecht vorgenommen werden, das im Laufe der | |
Krise von der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy erlassenen wurde | |
und gegen die das Blatt mit spitzer Feder anschrieb. Demnach sind | |
Massenentlassungen nicht erst bei anhaltenden Verlusten möglich, sondern | |
wenn die Einnahmen drei Quartale in Folge sinken. | |
## Zahlreiche Zukäufe im In- und Ausland | |
Dass ausgerechnet Cebrián die Schere ansetzt, schmerzt ganz besonders. Er | |
war Mitbegründer der El País und der erste Chefredakteur der Zeitung, die | |
1976 nur wenige Monate nach dem Tod von Diktator Franco zum Markenzeichen | |
und Vordenker des neuen, demokratischen Spaniens wurde. | |
„Wir sind das Opfer einer Reihe von Fehlentscheidungen Cebriáns“, beschwert | |
sich González. Die Geschichte von Prisa sei die Geschichte einer | |
Investitionsblase. Auf Pump wurden Fernsehsender gegründet, Medien im In- | |
und Ausland aufgekauft. Die letzte Errungenschaft ist eine Website der | |
US-Onlinezeitung „The Huffington Post“ auf Spanisch. Aus El País, einem | |
Blatt mit gut recherchierten Regionalausgaben in vielen Teilen Spaniens, | |
wurde mit Blick auf Internetleser in Lateinamerika „die globale Zeitung auf | |
Spanisch“, aus [1][elpais.es] wurde [2][elpais.com]. | |
Durch die vielen Investitionen stand Prisa schließlich mit fünf Milliarden | |
Euro in den roten Zahlen. Ein externer Investor, der Liberty-Fonds aus den | |
USA, wurde 2010 an Bord geholt. Die Geldgeber rund um Nicolas Berggruen | |
halten seither die Mehrheit an Prisa, die Familie des vor fünf Jahren | |
verstorbenen El-País- und Prisa-Gründers Jesús Polanco wurde an den Rand | |
gedrängt, Cebrián zum starken Mann. | |
## Geschäft brach in der Krise zusammen | |
„El País war die Kuh, die für all diese Pläne gemolken wurde“, erklärt … | |
Redakteur. Die Zahlen geben ihm recht: In den Jahren von 2000 bis 2011 | |
machte das Blatt 851,8 Millionen Euro Gewinn. Wochenende für Wochenende | |
verkaufte El País mit den aktuellen Ausgaben CD- und DVD-Sammlungen, Lexika | |
und selbst Kameras und Computer und verdiente damit weit mehr als mit dem | |
eigentlichen Zeitungsgeschäft. „Das Geld saß locker. Die Leute gaben | |
einfach mal so 10 Euro am Kiosk aus“, weiß Betriebsratschef González. | |
Mit der Krise brach dieses Geschäft zusammen, El País kann den schweren | |
Karren Prisa nicht mehr aus dem Dreck ziehen. „Cebrián wollte ein Hai an | |
der Wallstreet sein, aber er war eine kleine Sardine, die alles falsch | |
machte“, resümierte die El-País-Starkolumnistin Maruja Torres anlässlich | |
eines Vortrags an der Universität in Barcelona. | |
4 Nov 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://elpais.es | |
[2] http://elpais.com | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
Reiner Wandler | |
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