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# taz.de -- Nonsensklagen am Verfassungsgericht: Keine Gebühr für Vielkläger
> Um mehr Zeit für aussichtsreiche Klagen zu haben, fordert das
> Bundesverfassungsgericht Missbrauchsgebühren. Doch daran haben weder
> Regierung noch Bundestag Interesse.
Bild: Voßkuhles (m.) Lobbying hat nicht geholfen: Klagen kosten weiterhin nich…
FREIBURG taz | Auch das Bundesverfassungsgericht bekommt nicht immer, was
es will. So wird es vorerst keine Entlastung der Karlsruher Richter geben.
Nach Informationen der taz will weder die Bundesregierung noch irgendeine
Parlamentsfraktion neue Gebühren für aussichtslose Verfassungsbeschwerden
einführen. Präsident Andreas Voßkuhle ist umsonst durch die Fraktionen
getingelt.
Über 6.000 Verfassungsbeschwerden müssen die 16 Verfassungsrichter pro Jahr
bearbeiten. Nur 1,6 Prozent haben am Ende Erfolg. Ein Drittel ist nach
Einschätzung der Richter sogar „offensichtlich aussichtslos“, etwa weil
Fristen nicht eingehalten wurden oder weil in der Eingabe beim besten
Willen kein verfassungsrechtliches Problem erkennbar ist. Etwa die Hälfte
davon stammt von Dauerklägern, die teilweise mehrere hundert
Verfassungsbeschwerden eingelegt haben.
Mit derlei Nonsensklagen will sich das Verfassungsgericht nicht mehr
beschäftigen, um mehr Zeit für Großverfahren und die vielen ernsthaften
Bürgerbeschwerden zu haben. Zwar kann das Gericht in solchen Fällen schon
seit langem Missbrauchsgebühren verhängen, aber erst nachdem die
aussichtslose Klage bearbeitet wurde. Dann bringt die Gebührenforderung
meist neue Arbeit mit sich, weil der Kläger nicht zahlen will oder kann.
Deshalb schlugen die Verfassungsrichter vor einem Jahr eine neue
„Mutwillensgebühr“ vor. Bis zu 5.000 Euro müsste ein Bürger zahlen, bevor
eine offensichtlich aussichtslose Klage bearbeitet – und dann abgelehnt –
wird. Dieser Vorschlag wurde missverstanden. Die Verfassungsbeschwerde
werde zu einem „Recht der Zahlungskräftigen“, die Bürger würden mit
Gebührenforderungen abgewimmelt, hieß es, obwohl ernst zu nehmende Klagen
ja weiter kostenfrei bleiben sollten.
## Lobbyist in eigener Sache
Doch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war gewarnt: Hilfe
für Karlsruhe wäre, jedenfalls in dieser Form, nicht populär. Also erklärte
sie Präsident Voßkuhle schon Anfang des Jahres, dass sie keinen
Gesetzentwurf einbringen wird, es sei denn, er organisiere selbst den
politischen Konsens dafür.
Eine ungewöhnliche Rolle für ein Verfassungsgericht. Doch Voßkuhle glaubte,
er könne die Abgeordneten im persönlichen Gespräch von der Mutwillensgebühr
überzeugen. Er und Vizepräsident Ferdinand Kirchhof betrieben in allen
Fraktionen Lobbyarbeit. Aber nicht eine Fraktion will die Mutwillensgebühr
unterstützen. Bürger mittels Gebühren von Klagen abzuschrecken, daran will
sich niemand die Finger verbrennen.
In einem kleinen Arbeitskreis, zu dem der Grüne Jerzy Montag eingeladen
hat, machen sich die rechtspolitischen Sprecher der fünf Fraktionen jetzt
Gedanken, wie es weitergehen soll. Eine Entlastung will der Bundestag dem
Gericht schon gewähren – aber wie? Bisher hat nur Montag einen Vorschlag
eingebracht. Danach sollen Verfassungsbeschwerden von Dauerklägern erst
bearbeitet werden, wenn sie die Missbrauchsgebühren für frühere Verfahren
bezahlt haben. Aber auch dabei wollen die anderen Fraktionen nicht
mitmachen. Aus CDU-Kreisen war zu hören, die Überlegungen stünden noch
„ganz am Anfang“. Voßkuhles Mission ist also gescheitert. Vorerst.
5 Nov 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Prozess
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