| # taz.de -- Daily Dope (572): Vereinigtes Doping-Deutschland | |
| > Ein groß angelegtes Forschungsprojekt zur Geschichte des Dopings in | |
| > Deutschland scheitert kurz vor dem Abschluss. Die Ergebnisse bleiben | |
| > unter Verschluss. | |
| Bild: Immer rein in die Vene! | |
| BERLIN taz | Es war wie eine Aufforderung an die versammelten Journalisten. | |
| „Macht weiter!“, schienen die Forscher der Westfälischen | |
| Wilhelms-Universität Münster den Pressevertretern zuzurufen, die am | |
| Dienstag ihre Ergebnisse zu den Jahren 1990 bis 2009 im Forschungsprojekt | |
| „Doping in Deutschland“ vorgestellt haben. | |
| Sie hatten sich mit dem „Öffentlichen Diskurs zum Doping in Deutschland“ | |
| beschäftigt, einem Teil des mit 550.000 Euro vom Bundesinstitut für | |
| Sportwissenschaft geförderten Forschungsprojekts. Dabei sind sie zu dem | |
| Ergebnis gekommen, dass sich die Politik des Themas Dopingbekämpfung nach | |
| der Wiedervereinigung wahrscheinlich gar nicht erst angenommen hätte, wären | |
| die Medien in ihrer Berichterstattung nicht so hartnäckig gewesen. | |
| Ein wissenschaftlich untermauertes Hohelied auf die „vierte Gewalt“ wurde | |
| da angestimmt. Und doch war die Enttäuschung groß unter den versammelten | |
| Medienvertretern. Sie hatten sich etwas anderes erwartet von der | |
| Präsentation im Bundespresseamt: Namen von sinistren Ärzten, von miesen | |
| Sportbetrügern, Berichte über staatlich geförderte Dopingforschung, | |
| Skandalgeschichten ganz allgemein aus dem vereinigten Doping-Deutschland. | |
| Doch diejenigen, die diese hätten liefern können, waren nicht geladen zur | |
| Präsentation. Neben den Münsteranern waren auch Wissenschaftler an der | |
| Humboldt-Universität zu Berlin mit der Forschung zum Doping in Deutschland | |
| befasst. Die hatten im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt, als sie | |
| Dokumente vorstellten, aus denen sie schlossen, auch in Westdeutschland | |
| habe es „systemisches Doping“ gegeben. | |
| ## Antragsdschungel des Wissenschaftsbetriebs | |
| Doch die Berliner Forschungsgruppe gibt es seit März 2012 nicht mehr. Sie | |
| hat sich aufgelöst, nachdem eine weitere Finanzierung nicht mehr | |
| sichergestellt war. Förderzusagen kamen zu spät, die Arbeitsverträge der | |
| wissenschaftlichen Mitarbeiter wurden nicht verlängert. Die Ergebnisse der | |
| Forschergruppe gingen im Antragsdschungel des wissenschaftlichen Betriebs, | |
| im Chaos um Dritt- und Eigenmittelverwendung verloren. So stellte es | |
| zumindest Jürgen Fischer dar, der Direktor des Instituts für | |
| Sportwissenschaft, das dem Bundesinnenministerium angegliedert ist. | |
| Und da das Projekt nicht abgeschlossen sei, könne er auch keine Ergebnisse | |
| präsentieren. Oder will er nicht? Warum durften die Berliner Forscher nicht | |
| das vorstellen, was sie bis zum März dieses Jahres erforscht hatten? Und | |
| das ist einiges, wie Erik Eggers, einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter | |
| des Berliner Projekts, bestätigt. 800 Seiten Forschungsergebnisse habe man | |
| für den gesamten Forschungszeitraum von 1950 bis 2009 zusammengetragen. | |
| Der Verdacht, dass da etwas verschwiegen werden soll, was dem | |
| Bundesinstitut für Sportwissenschaft als Auftraggeber der Studie ebenso | |
| wenig passt wie dem Deutschen Olympischen Sportbund, der das | |
| Forschungsprojekt 2008 angeregt hatte, stand schon vorher im Raum. | |
| An die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse werden so hohe | |
| Datenschutzanforderungen gestellt, dass es kaum möglich sei, die Namen von | |
| verantwortlichen Trainern und Funktionären zu nennen, die in der | |
| allgemeinen, auch medialen Besoffenheit über die ersten gesamtdeutschen | |
| Sporterfolge alles daransetzten, so viel DDR wie möglich in den vereinigten | |
| großdeutschen Sport hinüberzuretten. | |
| ## Wo sind die Resultate? | |
| Eggers sieht ein Grundproblem darin, dass der „Auftraggeber der Studie | |
| gleichzeitig auch Forschungsgegenstand“ ist. Jedenfalls konnte Jürgen | |
| Fischer nicht so recht begründen, warum die Resultate der Forschungen bis | |
| zum Jahr 1990, die im September 2011 vorgestellt worden waren und längst | |
| veröffentlicht hätten werden sollen, noch immer nicht zugänglich sind. | |
| Immerhin hat Fischer versprochen, die Studie zu Ende zu führen, Gelder aus | |
| anderen Projekten umzuleiten. Das kann dauern. Vor allem dann, wenn ein | |
| neues Forscherteam zusammengestellt werden muss, das alle mühsam in den | |
| nicht selten schlecht oder gar nicht betreuten Archiven der Sportverbände | |
| gefundenen Quellen neu bewerten muss. | |
| Und wenn dann irgendwann einmal die Ergebnisse vorliegen, dann erst soll | |
| das geschehen, was Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen | |
| Olympischen Sportbundes, versprochen hat, als die Studie begann: Schlüsse | |
| für den Antidopingkampf daraus zu ziehen. | |
| 7 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
| ## TAGS | |
| Doping | |
| Forschungsprojekt | |
| Dopingbekämpfung | |
| Doping | |
| Epo | |
| DOSB | |
| Doping | |
| Schach | |
| Radsport | |
| Doping | |
| Radsport | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Daily Dope (615): In Wielerland | |
| Der niederländische Radsporthero Michael Boogerd will einfach nicht | |
| zugeben, dass er beschissen hat. Dabei lechzt die ganze Nation nach der | |
| Wahrheit. | |
| Doping im Radsport: Epo-Probierpäckchen für alle | |
| Amgen setzt auf ganz miese Tricks, um sein Blutanreicherungsmittel Epo | |
| unters Volk zu bringen. Jetzt wird es für die US-Firma richtig teuer. | |
| DOSB will keine Hilfe vom Staat: Einzelkämpfer gegen Doping | |
| Der Sportbund lehnt auf seiner Mitgliederversammlung ein schärferes | |
| Anti-Doping-Gesetz ab. Der Antrag des Leichtathletikverbandes wird | |
| abgeschmettert. | |
| Jens Voigt und das reine Gewissen: „Ich möchte, dass alle mir glauben“ | |
| Radprofi Jens Voigt rollt weiter über die Landstraßen. Um seine Unschuld zu | |
| beweisen, würde er sogar elektronische Fußfesseln tragen. | |
| Doping in der Schach-Bundesliga: Beschiss auf dem stillen Örtchen | |
| Weil in der Bundesliga heimlich auf Smartphones geschielt wird, sollte sich | |
| ein Spieler jetzt einer Taschenkontrolle unterziehen. Doch sein Handy | |
| rückte er nicht raus. | |
| Doping im Radsport: Ein ahnungsloser Gutradler | |
| Jens Voigt ist seit 16 Jahren Radprofi. Zur aktuellen Dopingdebatte hat er | |
| nichts beizutragen. Denn er will nichts mitbekommen haben. | |
| WM-Maskottchen der Radrennfahrer: Pinocchio im Dopingsumpf | |
| Eine lügende Marionette wirbt für die Straßen-WM der Radrennfahrer: | |
| Pinocchio. Das ist eine mutiges und passendes Signal des Weltverbandes UCI. | |
| Doping im Radsport: Systematische Verarschung | |
| Einmal betrogen, wird Radprofi Lance Armstrong selbst zu einem epochalen | |
| Betrüger. Nun baut er selbst ein versiertes und effektives Dopingsystem | |
| auf. | |
| Daily Dope (570): Die Opfer des Übermenschen | |
| Der frühere Team-Telekom-Chef Rudy Pevenage nimmt den Enthüllungsbericht | |
| über Lance Armstrong zum Anlass für jede Menge Selbstmitleid. Och, der | |
| Arme! |