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# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Party zum Todesmonat November
> Wer will schon mit einem Unternehmen kooperieren, das es nicht schafft,
> Wirtschaftsmagazine wirtschaftlich zu halten?
Bild: Keine Diktatur und nix mit Eis, aber gern reisen mit Stil.
Hallo taz-Medienredaktion!
Irgendetwas mache ich falsch – ich bin erschöpft. Normalerweise ist es für
uns Journalisten ja das reinste Lotterleben, wenn wir von einem Ort zum
anderen reisen. Ich aber habe wohl einen Fehler im System. Was
wahrscheinlich daran liegt, dass ich als Pressetante reise, nicht aber auf
Pressereise bin. Ich werde daran arbeiten müssen. Und die Deutsche
Bummelbahn gegen den Orient-Express und die Elbfähre gegen einen
Luxuskreuzfahrtschiff eintauschen müssen. So wie die Kollegen mit dem
tollen Gehalt.
Bald gar kein Gehalt könnten angeblich rund 250 Journalisten der
Wirtschaftsredaktion bei Gruner + Jahr (G+J) haben, wenn denn passiert, was
zu befürchten ist, dass der Laden dichtgemacht wird. Was neben der
Insolvenz der Frankfurter Rundschau (FR) und dem Ende der Stadtzeitschrift
Prinz die dritte Todesnachricht in diesem Monat wäre. November eben.
Nur die ARD lässt sich von der Hauptsaison des Sensenmannes nicht ins
Jenseits jagen und ruft mit lachendem Gesicht die ARD-Sterbewoche aus, so
dass man gar nicht anders kann, als sich von der Begeisterung am Ableben
anstecken zu lassen. Und zu feiern, dass das Aus für die Redaktionen ja nur
der erste Teil der Party ist. Schließlich hat zum Beispiel die Pleite der
FR auch für die Berliner Zeitung Konsequenzen, der unter anderem große
Summen fehlen werden, die sie für die Erstellung des Mantelteils der FR
bekommt. Auch würde das Ende bei Gruners Wirtschaftsmedien den Markt der
Freien kräftig durcheinanderwirbeln, der sich gerade halbwegs beruhigt
hatte.
Kein Wunder, dass da die ARD den Bambi als wichtigsten deutschen
Medienpreis bezeichnet und sich mit dieser Anbiederung die Freundschaft des
Verlegerhauses Burda sichert, das den Preis jährlich auf den Markt und ins
Hauptabendprogramm der ARD schmeißt. G+J hat jetzt zwar nach diversen
Skandalen und Beknacktheiten das Reglement betreffend auch seinen
Henri-Nannen-Preis überarbeitet, aber wer will schon mit einem Unternehmen
kooperieren, das es nicht schafft, Wirtschaftsmagazine wirtschaftlich zu
halten?
Da lob ich mir doch meinen kleinen, tapferen Verein Freischreiber, der
bereits fünf Jahre vor dem DJV angemahnt hat, dass Redaktionen freie
Journalisten fair behandeln sollten und dieses Wochenende in München seinen
beliebten Himmel- und Hölle-Preis an die fairste und die beschissenste
Redaktion vergibt. Da will ich natürlich unbedingt dabei sein. Was mich
noch müder machen wird, schließlich ist das auch nur wieder die blöde Reise
einer Pressetante und nicht eine schöne Pressereise. Was mich auf die Idee
bringt, mich doch mal um eine solche zu bemühen. Hier. Jetzt! Also: Wer,
liebe Leute, hat eine Pressereise für mich? Orient-Express muss nicht sein,
Frühstück schon. Keine Diktatur und nix mit Eis.
Dass uns Frauen selten etwas geschenkt wird, weiß auch Julia Jäkel, die
sich im Interview mit der ProQuote-taz am Wochenende gegen den Eindruck
wehrte, ihr Aufstieg bei G+J habe etwas mit der Forderung nach einer Quote
in den Medienhäusern zu tun. Nein, abgesehen davon, dass auch die tolle
Den-Laden-Umkremplerin vom immer stärkeren So-geht-es-nicht-weiter-Klima
profitiert haben mag, war es schlicht so, dass die Buchholz-Lusche, die
trotz ihrer XY-Chromosomen, ihrer E-Gitarre im Büro und dem
Sich-für-unwiderstehlich-Halten nichts zuwege brachte, weg musste.
Ein männliches Geschlechtsorgan steht ja nicht in jedem Fall für
Qualifikation. Zumindest nicht in den Medien. Pimmel hin, Pimmel her, ich
pack jetzt meinen Rucksack für die Pressereise, die bald via Mail
eintrifft, und gebe zurück nach Berlin!
21 Nov 2012
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
Quote
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Prinz
FR
Wulff
Schwerpunkt Zeitungskrise
Frankfurter Rundschau
Zensur
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Welt
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