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# taz.de -- Call A Reporter: Gruppenseele essen Buch auf
> Im Auftrag von Kunst und Wissenschaft dürfen sich 100 Termiten durch
> einen Band der Insel-Bücherei fressen.
Bild: Guten Appetit, liebe Termite.
Es sieht aus wie die sinistre Rachefantasie eines enttäuschten
Bibliophilen: Verlassen liegt es da, das kunstvoll gestaltete Bändchen aus
der Insel-Bücherei. Die Reihe wird von Bücherfreunden, ganz abgesehen von
den Inhalten, für ihre mit Musterpapier überzogenen Einbände geschätzt.
Doch nun fressen sich rund 100 hungrige Trockenholztermiten durch Band Nr.
221 – eine kommentierte Sammlung von Holzschnitten Hans Holbeins mit dem
Titel „Bilder des Todes“. Über einen [1][Stream] im Internet kann man der
wimmelnden Zerstörung beiwohnen – live aus der Bundesanstalt für
Materialforschung und -prüfung (BAM) in Lichterfelde. Und pünktlich zum
100. Geburtstag der Insel-Bücherei.
Als zynischer Geburtstagsgruß sei das nicht gemeint, versichert die
Künstlerin Julia Alice Treptow, 41, die mit der Biologiestudentin Sophie
Lokatis, 21, hinter der Buchfressaktion steht. „Für uns sind die Termiten
keine Zerstörer, sondern kleine Gestalter“, sagt Treptow. „Sie an einem
unserer höchsten Kulturgüter arbeiten zu lassen, war deshalb naheliegend.“
Treptow und Lokatis beschäftigen sich mit der Kommunikation der Termiten,
die zu den staatenbildenden Insekten gehören. Derzeit sind etwa 2.600
Termitenarten bekannt. Ein Volk besteht aus ArbeiterInnen, SoldatInnen
sowie einem König und einer Königin. Um ganze Häuser – oder eben
Insel-Bücher – zu verschlingen, kommt man um einen gewissen
Organisationsgrad offenbar nicht herum.
Hier wird es für Julia Alice Treptow interessant: „Wie entscheiden die
Termiten, wo sie knabbern? Beugt sich die einzelne Termite einem
Gruppenbefehl?“, fragt sich die Künstlerin. „Oder besitzt das Kollektiv
eine Gruppenseele, ähnlich wie die technoide Zivilisation der Borg bei
’Star Trek‘?“
Antworten darauf haben Lokatis und sie noch keine, aber die BAM beobachtet
schon länger das Zerstörungswerk von Termiten: Die fressen Holzstücke, die
in Maß und Material identisch sind, nicht immer nach dem selben Muster
durch. Zielgerichtet sei ein solches Vorgehen nicht gerade, sagt Treptow
und folgert: „Was diese Insekten machen, ist Kollektivkunst.“
In der BAM, wo unter anderem der Schutz von Material vor Schädlingen
erforscht wird, sieht man solche Außenperspektiven als spannenden Blick
über den Tellerrand. Schon öfter ist die Anstalt entsprechende
Kooperationen eingegangen. So hat etwa eine Sprengkünstlerin in der
Abteilung Sicherheitstechnik Kunst mit Schwarzpulver gemacht.
23 Nov 2012
## LINKS
[1] http://www.uni-leipzig.de/~buchwiss/insel/
## AUTOREN
Joanna Itzek
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