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# taz.de -- Bilderaustellung in Aachen: Die fantastischen 20
> Foto- und Videokünstler zeigen im Ludwig Forum Aachen „Die Stadt, die es
> nicht gibt“. Mit ihren Arbeiten erschaffen sie einen Ort zwischen Fakten
> und Fiktionen.
Bild: Pjöngjang, die kommunistische Utopie einer perfekten Stadt, ist für wes…
Der Titel scheint paradox: „Die Stadt, die es nicht gibt“ heißt eine
Ausstellung, die im Aachener Ludwig Forum die Wahrnehmung von Realität
sowie die Existenz von Orten in Frage stellt. Natürlich nicht so, wie es
die satirische Legende der „Bielefeldverschwörung“ seit 1994 tut, die
behauptet, alle Hinweise auf die ostwestfälische Stadt seien Teil einer
riesigen Verschwörung von CIA, Mossad oder Außerirdischen.
Nein, die Museumsleiterin und Kuratorin der Ausstellung, Brigitte Franzen,
geht der Frage nach, wie mediale und gesellschaftliche Prozesse unsere Welt
verändern und neue Räume des Dazwischen schaffen, in denen Fakten und
Fiktionen verschwimmen. Das klingt viel verkopfter, als es dann tatsächlich
ist, denn Franzen gelingt es, zwanzig sehr unterschiedliche Fotografen,
aber auch Film- und Videokünstler zu einer kurzweiligen,
abwechslungsreichen und dennoch sehr gehaltvollen, in keiner Weise
geschwätzigen Ausstellung zusammenzutragen.
Die beginnt (je nach Startpunkt) überraschend emotional mit einer zwölf
Meter langen Wandinstallation des Magnum-Fotografen Paolo Pellegrin, der
die Folgen des Erdbebens und des Tsunamis in Japan fotografiert hat – und
somit tatsächlich „eine Stadt, die es nicht (mehr) gibt“ zeigt. Zwischen
den Schwarz-Weiß-Panoramen vollkommen zerstörter Landschaften hat er
Farbfotografien eingesetzt, auf denen in den Trümmern gefundene Familien-
und Schulfotos zu sehen sind. Das, was ist, zeigt Pellegrin in
Schwarz-Weiß, und das, was nicht mehr ist, in Farbe. Damit dreht er auch
die klassische Wahrnehmung von Gegenwart und Vergangenheit in der
Fotografie um.
Mit Architektur, die es nicht mehr gibt, arbeitet Michael Krumm. Um seinem
Kunden zu demonstrieren, was beim Umbau und der Sanierung eines
Institutsgebäudes der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
möglich wäre, hat der Architekt die Räume fotografiert und die Bilder
anschließend subtil bearbeitet, retuschiert, manipuliert. Das Besondere: Er
demonstriert, welches Potenzial die Architektur hat, indem er Gegenstände
und Bauteile entfernt oder ergänzt. Im Kontext der Ausstellung wird aber
auch deutlich, wie oft Architekten an den tatsächlichen Bedürfnissen und
Gepflogenheiten der Menschen vorbei planen.
## Kommunistische Utopie
Das zeigt sich in den Fotografien von Armin Linke, von denen eines auch das
Ausstellungsplakat ziert. Weiße, uniforme Hochhäuser dominieren das Bild
einer Kreuzung, auf der Straße laufen zahlreiche Menschen – sie bilden eine
Ameisenstraße bis zum Horizont. Trotzdem wirkt das Bild gespenstisch leer,
was an der fehlenden Straßenrandbebauung und den riesigen Freiflächen
liegt, auf denen nur kahle Bäume auf der hellbraunen Erde stehen. Auffällig
ist auch, dass auf dem mehrspurigen Boulevard die Autos fehlen – nur ein
einziges Fahrzeug, ein Lkw, ist klein im Hintergrund zu entdecken. Erst der
Titel verrät: Linke hat in Pjöngjang fotografiert und zeigt die
nordkoreanische Hauptstadt als Wirklichkeit gewordene kommunistische Utopie
einer perfekten Stadt – auf westliche Betrachter wirkt sie jedoch wie der
reinste Horror.
Mit den Bedürfnissen der Menschen in Hongkong haben sich Rufina Wu und
Stefan Canham in ihrem Gemeinschaftsprojekt „Portraits from Above“
beschäftigt. In der Metropole ist der Wohnraum so teuer, dass auf Dächern
von Hochhäusern wilde Wohnsiedlungen entstehen. Die sind nicht erlaubt,
werden aber dennoch meist geduldet, weil sich die Bewohner trotz Arbeit
legalen Wohnraum nicht leisten können. Diese Wohnsituationen wurden von
Canham fotografisch und von Wu in nüchternen Architekturzeichnungen und
Grundrissen dokumentiert.
Mit Sehnsüchten von Menschen beschäftigt sich Kader Attia in seiner Serie
„Rochers Carrés“. Zu sehen sind junge Männer, meist von hinten
fotografiert, die auf ebenjenem namensgebenden „quadratischen Felsen“ an
der nordafrikanischen Küste stehen und auf vorbeifahrende Schiffe, den
Horizont und somit in Richtung Europa schauen. Die absurden, unwirklichen
Szenerien wirken wie moderne Verschmelzungen von Caspar David Friedrichs
„Eismeer“ und seinem „Wanderer über dem Nebelmeer“. Man ist als von den
Medien beeinflusster Europäer schnell gewillt, in den nicht zu erkennenden
Blicken der Personen so etwas wie Hoffnung, Aufbruch und Resignation zu
sehen.
Vielleicht sind die unüberwindbaren Betonfelsen an der Hafenmole aber auch
einfach nur Orte, an denen sich Jugendliche gerne herumtreiben. Der
Verdacht liegt nahe, wenn man sich die beiden Serien von Tobias Zielony
anschaut. Der fotografiert seit Jahren Jugendliche der Unterschicht, ihre
Rituale in der Gruppe, ihre sich weltweit ähnelnden Posen und das
architektonische Umfeld, das meist aus anonymen und abweisenden Wohnblöcken
besteht.
Zielony ist übrigens der einzige Künstler, der auch in der schon beendeten
Ausstellung „Lost Places“ in der Hamburger Kunsthalle zu sehen war. Die
weist zahlreiche Parallelen zur Aachener Schau auf – schließlich ging es
auch dort um die Wahrnehmung von Räumen und Orten. Diese zeitliche Dualität
ist allerdings kein Nachteil, sondern macht vor allem deutlich, wie sehr
sich Künstler heute mit dem Lebensumfeld und der Welt, in der wir leben
(wollen), auf höchst unterschiedliche Art und Weise auseinandersetzen.
29 Nov 2012
## AUTOREN
Damian Zimmermann
## TAGS
Ausstellung
Aachen
Stadt
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