| # taz.de -- Karriereende Philipp Boy: Eckiger Dickschädel | |
| > Der 25-jährige Philipp Boy hört auf, weil er nicht mehr an den Gewinn | |
| > einer olympischen Medaille glaubt. Der elegante Turner hinterlässt eine | |
| > große Lücke. | |
| Bild: Seine perfekten Linien, seine Leichtigkeit und Geschmeidigkeit brachten P… | |
| Am Samstag war es so weit. Endlich sprach Philipp Boy aus, wovon er schon | |
| nach dem missglückten Qualifikationswettkampf bei den Olympischen Spielen | |
| „felsenfest überzeugt“ war: Er beendet mit 25 Jahren seine Karriere. Nach | |
| London sei er erst mal wieder zurückgerudert, denn ihm wurde bewusst: „Ich | |
| gebe jetzt auf, was ich mein Leben lang gemacht habe.“ | |
| Bundestrainer Andreas Hirsch riet Boy im Sommer, nichts zu überhasten. Nun | |
| ließ er sich kein Hintertürchen mehr offen. Die Entscheidung sei „nicht | |
| einfach“ gewesen, aber er fühle sich damit „wohl“ und wisse, „dass sie | |
| richtig ist“. | |
| Boy nannte eine Reihe von Gründen, wobei man folgenden Satz als | |
| ausschlaggebend betrachten darf: „Wenn ich es für mich nicht sehe, dass ich | |
| in vier Jahren eine Medaille gewinnen kann, dann ist der nächste logische | |
| Schritt für mich, dass ich sage, jetzt ist Schluss.“ Punkt. Aus. Ende. Aber | |
| er könne doch als Turner dem Team noch helfen, an ein paar Geräten. „Nicht | |
| mein Anspruch“, erwiderte er knapp. | |
| „So große Träume“ habe er gehabt, sagt Boy noch, ein wenig wehmütig. Mit | |
| kleinen Träumen mag er sich nicht abgeben. Als junger Turner hat er die | |
| Reckriemchen in die Halle geworfen, wenn irgendwas nicht klappte. Die | |
| turnerischen Grundlagen lehrte Boy der schon zu DDR-Zeiten erfolgreiche | |
| Manfred Paschke in Schwedt, 1997 wechselte er nach Cottbus. | |
| ## Boy und sein Trainer | |
| Damals lernte er auch den jetzigen Bundestrainer Andreas Hirsch kennen. | |
| Anfänglich, so Hirsch, mochte man sich nicht besonders. Philipp sei eher | |
| „eckig“ und er selbst ja auch „unrund“, Kämpfe habe es sehr viele gege… | |
| Bei einem seiner ersten Lehrgänge im Seniorenkader reiste Philipp einfach | |
| ab, weil es nicht so gelaufen war, wie er wollte. Er bezeichnet sich selbst | |
| als „Dickschädel“. | |
| 2004 gewann Boy bei der Junioren-Europameisterschaft die erste | |
| Teammedaille, 2007 dann Bronze bei der Weltmeisterschaft in Stuttgart. | |
| Schon da fiel er nicht nur turnerisch auf, sondern auch durch eine | |
| eigenartige Mischung aus Charme und Fröhlichkeit einerseits und großem | |
| Ehrgeiz andererseits. | |
| Damals begann der Aufschwung des deutschen Männerturnens, zentral dafür der | |
| goldene Jahrgang 1987, dem Fabian Hambüchen, Marcel Nguyen und eben Philipp | |
| Boy angehören. Er trug große Anteile an den folgenden Teammedaillen und | |
| patzte doch, insbesondere an seinem liebsten Gerät, dem Reck, häufig dann, | |
| wenn es im Einzelwettbewerb drauf ankam. | |
| 2009 erwischte ihn die Schweinegrippe, er brach die Banklehre ab und wurde | |
| Sportsoldat. Zu seinem Ehrgeiz gesellte sich endlich Geduld. Im Herbst 2010 | |
| wurde Boy Vizeweltmeister im Mehrkampf. Seine perfekten Linien, seine | |
| Leichtigkeit und Geschmeidigkeit bei schwierigsten Übungen brachten ihm | |
| auch international enorme Anerkennung. | |
| ## Europa- und Vizeweltmeister | |
| Der beliebte Preis für Eleganz, der belohnt, wer den künstlerischen Aspekt | |
| der Sportart ideal mit einer persönlichen Note kombiniert, ging an den mit | |
| gut 1,70 m recht großen Boy. Im geliebten Berlin wurde er 2011 | |
| Europameister und erneut Vizeweltmeister. Sein großer Traum für London war | |
| nicht vermessen gewesen, er misslang nach einem halben Jahr voller | |
| Verletzungen und Kämpfe. | |
| Die Rücksicht auf seinen nach 21 Jahren Turnerei arg lädierten Körper | |
| nannte Boy denn am Samstag ebenso als Motiv wie den Umstand, dass er auch | |
| mal „an die Altersversorgung“ denken müsse. Er möchte dem Turnen verbunden | |
| bleiben, allerdings weder als Trainer noch als Kampfrichter. Wie es | |
| beruflich weitergeht, verriet Boy nicht. Schließlich müsse er erst mal | |
| schauen, „wie das Leben ist ohne den ganzen Tag Sport“. | |
| Ob der Sport ihm fehlen wird, muss sich zeigen. Sicher ist, dass Boy | |
| Andreas Hirsch fehlen wird, die Entscheidung Boys täte ihm „in der Seele | |
| weh“, sagte er und spielte damit wohl auch darauf an, dass turnerisch kein | |
| Ersatz in Aussicht ist. Ein großer US-amerikanischer Blog kündigte dieser | |
| Tage den Verlust des „charismatischsten und charmantesten Turners“ der | |
| letzten Jahre an. | |
| 3 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Sandra Schmidt | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Ende | |
| Turnen | |
| Kosten | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Andreas Toba beim Deutschen Turnfest: Hambüchen ärgern | |
| Es läuft gut für Turntalent Andreas Toba: Nach der deutschen | |
| Vizemeisterschaft im Mehrkampf kämpft er am Mittwoch beim Reckfinale um | |
| eine Medaille. | |
| Deutscher Turnerbund hat Finanzsorgen: Der Turnbau zu Frankfurt | |
| Ein ambitioniertes Hotelprojekt bringt den Deutschen Turnerbund in | |
| finanzielle Nöte. Nun sollen die skeptischen Landesverbände mit frischem | |
| Geld helfen. | |
| Der Silberturner Marcel Nguyen: Ein braver Asket | |
| Marcel Nguyen gewinnt als erster Deutscher seit 76 Jahren eine Medaille im | |
| Mehrkampf der Turner. Sein Stärke liegt in seiner Zurückhaltung. | |
| Olympia – Turnen, Mehrkampf: Japan holt Silber am grünen Tisch | |
| China holt Gold. Gähn. Deutschland ist raus. Schluchz. Russland zeigt die | |
| neuste Ostblockmode. Kotz. Und die Briten müssen nach einem Protest der | |
| Japaner mit Bronze zufrieden sein. | |
| Olympia – Turnen, Mehrkampf: Katholisch qualifiziert | |
| Die Favoriten Japan und China kommen nur dank der Schiedsrichtergnade ins | |
| Finale. Gnadenlos ausgeschieden ist die deutsche Hoffnung Philipp Boy. |