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# taz.de -- CDU lehnt Homo-Gleichstellung ab: Wenigstens mal drüber geredet
> Die CDU diskriminiert Schwule und Lesben beim Steuerrecht auch in
> Zukunft. Auf dem Parteitag bezeichnet sie Homosexualität als
> „Lebensentwurf“.
Bild: Steuerliche Gleichstellung für homosexuelle Paare? Nicht mit der CDU.
HANNOVER taz | Am Ende sagt Jens Spahn dann doch noch einen Satz, der
verrät, dass ihn die Debatte auch persönlich trifft. Er ist auf der Bühne
vor dem riesigen CDU-Logo schon am Ende seiner Rede angekommen, da ruft er,
dass ihn eine Formulierung des Bundesvorstandes wirklich ärgere. „Ich
verwirkliche mich nicht selbst. Ich bin einfach wie ich bin.“ Spahn,
offener Hemdkragen, Hornbrille, kurz geschorene Haare, eilt mit großen
Schritten die Stufen hinunter.
Er spielt auf einen Satz an, den die Antragskommission eigentlich gut
gemeint hat. Die CDU respektiere auch die Entscheidung von Menschen, „die
in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen“,
schreibt sie in ihrem Kompromissvorschlag.
Lebensentwurf. Verwirklichen. So beschreibt der CDU-Vorstand im Jahr 2012
Homosexualität.
Dies ist das wichtigste Streitthema auf dem dreitägigen CDU-Parteitag in
Hannover, der ansonsten sorgsam Konflikte vermeidet: Die gefeierte
Kanzlerin und der Bundesvorstand wollen Eingetragenen Lebenspartnerschaften
von Schwulen und Lesben die Steuervorteile des Ehegattensplittings
vorenthalten. Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter um Spahn und den Juristen
Jan-Marco Luczak wirbt für die Gleichstellung. Und sammelt auf Anhieb 111
Unterstützerunterschriften für ihren Initiativantrag. Auf dem
disziplinierten CDU-Parteitag kommt es zum Kulturkampf.
## Kein Karrierehemmnis mehr
Spahns „Lebensentwurf“ drückt aus, das in der Christdemokratie heutzutage
Homosexualität kein Karrierehemmnis mehr ist. Der 32jährige wurde in Ahaus
im konservativ geprägten Münsterland geboren. Er machte Abitur an der
Bischöflichen Canisiusschule und trat mit 15 Jahren in die Junge Union ein.
Dort machte der Bankkaufmann rasant Karriere, zog mit 22 in den Bundestag
ein, ist heute als Gesundheitsexperte der Unions-Fraktion weithin
anerkannt. Und, ach ja: Spahn ist schwul.
Ruhig erklärt Spahn vor den knapp 1.000 Delegierten, warum Schwule und
Lesben gleiche Rechte im Steuerrecht haben sollten. In
Lebenspartnerschaften erklärten zwei Menschen rechtlich verbindlich und auf
Dauer füreinander einzutreten, sagt er. „Wir sind die Wertepartei. Wir
sollten diese Debatte offensiv führen.“ Die Ehe zwischen Mann und Frau
werde gestärkt, wenn andere Menschen ähnliche Bindungen anstrebten. „Es ist
nicht fair, die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften auszuspielen
gegen die Ehe und die Familie.“
Die Gegner der Gleichstellung stellen genau diesen Bezug her. Walter
Arnold, Landtagsabgeordneter aus Fulda, Schnäuz und streng zurückgekämmte
Haare, hat wenige Minuten vor Spahn für die Position des Vorstands
geworben. Es gehe nicht um die Diskriminierung von Homosexuellen. „Aber wir
treten für die steuerliche Förderung und Privilegierung der Ehe ein, vor
allem der mit Kindern.“ An diesem Grundwert müsse die CDU festhalten.
Niemand will Diskriminierung: Diesen Satz hört man in der ruhigen,
ernsthaften und oftmals mit klugen Argumenten geführten Debatten von den
Gleichstellungsgegnern immer wieder. Der Kreisverband Fulda hatte einen
Antrag gestellt, der sich in scharfer Diktion gegen die Gleichstellung
wandte. Der Bundesvorstand übernahm im Kern die Position, schliff aber die
Schärfe ab und fügte Toleranzbekundungen ein.
## „Karlsruhe hat mit dem ganzen Zaun gewunken“
Vermutlich im ersten Halbjahr 2013 wird das Bundesverfassungsgericht ein
Urteil zum Ehegattensplitting fällen. In seiner bisherigen Rechtssprechung
hatte Karlsruhe immer wieder auf Gleichstellung gepocht. Luczak empfiehlt
seiner Partei deshalb, eine erwartbare Niederlage zu vermeiden. „Karlsruhe
hat nicht nur mit einem Zaunpfahl, sondern mit einem ganzen Zaun gewunken.“
Der Chef der Landtagsfraktion in Sachsen, Werner Steffen Flath, hält dem
entgegen, die CDU dürfe nicht aufs Gericht schielen, sondern müsse frei
entscheiden. Er argumentiert mit seinem katholischen Glauben. Gott habe die
Menschen als Mann und Frau geschaffen, die Ehe sei ein Sakrament. „Die Ehe
und die Familie sind für den Fortbestand unserer Gesellschaft etwas ganz
Besonderes.“
Viele Delegierte applaudieren bei solchen Sätzen. Die Debatte berührt die
CDU in ihrem Grundverständnis. Viele empfinden die Idee, Schwule und Lesben
steuerrechtlich gleichzustellen, als Verrat an christlichen Werten. Und
teilweise wird es emotional: Eine alleinerziehende Mutter erzählt am
Mikrofon fast unter Tränen, dass sich Partner nach Trennungen oft nicht
mehr um die Kinder kümmern – mit dem Thema hatte dies allerdings nichts zu
tun.
Christa Thoben, die ehemalige Wirtschaftsministerin Nordrhein-Westfalens,
warb in einer angenehm klaren Rede für die fortschrittliche Position. „Es
geht nicht darum, die Ehe abzuqualifizieren“, sagt sie. „Es geht darum, den
anderen eine Chance zu eröffnen, die sie zutiefst verdient haben.“ Dafür
sei Spahns und Luczaks Antrag sachgerecht.
## Gröhe lächelt
Die große Mehrheit sieht das nicht so. Nur rund ein Viertel der Delegierten
stimmt am Ende für die Gleichstellung, die deutliche Mehrheit stützt die
Position des Bundesvorstands. Vorn lächelt Generalsekretär Hermann Gröhe
zufrieden, hinten, in den Delegiertenreihen, versucht Jens Spahn, das Gute
in seiner Niederlage zu sehen.
Es habe immerhin deutlich spürbare Unterstützung gegeben. „Und es war eine
gute, faire und in weiten Teilen sachliche Debatte.“ Auch die habe der CDU
gut getan.
5 Dec 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
CDU-Parteitag
CDU
Gleichstellung
Homosexualität
Adoptionsrecht
Church of England
Schwerpunkt Angela Merkel
Homo-Ehe
Homo-Ehe
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