# taz.de -- Kinderschutz-Bilanz: Jugendämter stärker belastet | |
> Mehr Meldungen über Kindeswohlgefährdung, aber weniger Inobhutnahmen: | |
> Bezirke legen Kinderschutzbericht vor und sprechen von "relativ stabilem | |
> Lagebild". | |
Bild: Nicht jeder Verdacht auf Probleme hat einen realen Kern: ein wohlbehalten… | |
Eine reißerische Botschaft hatte Thomas Ritzenhoff nicht zu bieten, als er | |
am Donnerstag den 6. Hamburger Kinderschutzbericht vorlegte. „Wir haben ein | |
relativ stabiles Lagebild“, sagte der Wandsbeker SPD-Bezirksamtsleiter im | |
Rückblick auf das Jahr 2011. Es wurde demnach also nichts schlimmer – aber | |
auch nichts besser. | |
Zwar steigen bei den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) die | |
Verdachtsmeldungen für Kindeswohlgefährung (KWG) gegenüber 2010 um fünf | |
Prozent – vor allem, weil es mehr Polizeimeldungen über „Delinquenz“ gib… | |
Die Zahl der neu erfassten Kinder, auf die diese sich beziehen, sank aber | |
leicht. | |
Wie viele dieser Verdachtsmeldungen sich auch bestätigt haben, spuckt die | |
alte Projuga-Software der Jugendämter nicht aus. Immerhin: In acht Prozent | |
der Fälle wurde das Amt sofort tätig, in 40 Prozent nahm man binnen einer | |
Woche Kontakt auf. In etwa der Hälfte der Fälle sah das Amt keinen | |
„erhöhten Interventionsbedarf“ – oder nannte eine Einschätzung „nicht | |
möglich“. | |
Ein Hinweis auf die Dramatik der Lage ist die Zahl der „Inobhutnahmen“, die | |
gegenüber dem Vorjahr von 510 auf 459 Fälle zurückging. Nicht mitgezählt | |
sind hier 464 minderjährige Flüchtlinge, die allein in 2011 in die Stadt | |
kamen und vom Jugendamt automatisch in Obhut genommen und in Wohngruppen | |
vermittelt werden. | |
Die insgesamt 9.425 KWG-Meldungen kommen zu vier Fünfteln von der Polizei, | |
die übrigen 1.750 gaben Bürger, Schulen, Kitas, Jugendhilfeeinrichtungen | |
oder Betroffene selbst ab. Bei der Polizei indes zählt schon ein | |
Ladendiebstahl als potenzielle Kindeswohlgefährdung, weil sich junge | |
Menschen damit ihre Perspektive verbauten. | |
Insofern folgerichtig: Rund 3.600 Meldungen der Polizei beziehen sich auf | |
„Delinquenz“, da es mehrere Meldungen für die selbe Person geben kann, sind | |
tatsächlich nur etwa 1.800 Jugendliche betroffen. Die übrigen Meldungen | |
beziehen sich auf sonstige Kindeswohlgefährdung, angeführt von häuslicher | |
Gewalt der Erwachsenen (20 Prozent) und Vernachlässigung (15 Prozent). Bei | |
553 Kindern bestand demnach Verdacht auf körperliche Misshandlung, bei 94 | |
der auf sexuelle Misshandlung. 989 Meldungen, die eher ältere Kinder | |
betreffen, hatten „Beziehungs- und Autonomiekonflikte“ zum Gegenstand. | |
Der 6. Bericht der bezirklichen Kinderschutzkoordinatoren seit 2007 legt | |
einen Schwerpunkt auf die Geschlechterperspektive. Das Fazit ist, dass | |
Jungen 75 Prozent der „Täter“ ausmachen und dazu neigen, „nach außen zu | |
agieren und sich aggressiver verhalten“. Mädchen dagegen richteten ihre | |
Aggressionen „eher gegen die eigene Person“. | |
Eine Analyse der vergangenen sechs Jahre fehlt in dem Bericht. Sie sei aber | |
auch schwierig, da inzwischen neue Meldewege hinzu gekommen seien, so | |
Wandsbeks Kinderschutzkoordinatorin Gabriele Fuhrmann. Deutlich sei aber: | |
Seit 2008 sei die Zahl der Anliegen, die die ASD bearbeiteten, um mehr als | |
3.000 gestiegen, und „jede Meldung muss eine Fachkraft bearbeiten“. | |
Die Gewerkschaft Ver.di streitet seit Langem für eine bessere | |
Personalausstattung der ASD. | |
6 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Kita | |
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