# taz.de -- Flüchtlinge in Niedersachsen: Hilfe ist nicht im Budget | |
> Für die Unterbringung von Asylbewerbern zahlt das Land den Kommunen zu | |
> wenig Geld, die verzichten daher auf Sozialarbeiter. | |
Bild: Für Kantinenessen ist noch Geld da, für Sozialarbeiter aber nicht. | |
In Osnabrück entsteht ein neues Flüchtlingsheim. Eine Sammelunterkunft an | |
einer viel befahrenen Straße mit Wohnungen für Alleinstehende und Familien, | |
jeweils 60 bis 100 Quadratmeter groß. Wie viele Menschen hier künftig leben | |
sollen, könne die Stadt noch nicht sagen, heißt es auf taz-Anfrage. Klar | |
ist, dass die Flüchtlinge dort bleiben, bis über ihren Asylantrag | |
entschieden wird. Das kann Jahre dauern. | |
Das Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge, Exil e.V., kritisiert den Plan der | |
Stadt. „Das führt zur Ghetto-Bildung“, sagt der Vorsitzende Andreas | |
Neuhoff. Denn Sozialarbeiter wird es in dem neuen Heim nicht geben, die | |
stehen schon lange nicht mehr im Landesbudget. Wenn die Stadt Flüchtlinge | |
nicht sich selbst überlassen will, müsste sie also in die eigene Kasse | |
greifen. Für die Unterbringung von Flüchtlingen zahlt das Land | |
Niedersachsen den Kommunen jährlich nur eine Pauschale von 4.826,10 Euro | |
pro Person. „Die ist so bemessen, dass sie eigentlich nicht reicht“, sagt | |
Neuhoff. Wenn Neuankömmlinge selbstständig in der Stadt leben würden, | |
könnten ihnen zumindest die Nachbarn helfen, sagt Neuhoff. | |
4.826 Euro im Jahr, das sind 374 Euro im Monat für Unterkunft, Essen und | |
Krankheitsleistungen und 28 Euro für „Personal- und Sachkosten“ – also | |
soziale und rechtliche Betreuung. Viel zu wenig, sagen die kommunalen | |
Spitzenverbände. Besonders die Arztkosten stiegen permanent an. Nach ihren | |
Berechnungen hätten die Kommunen zwischen 2004 und 2009 für jeden | |
Flüchtling rund 764 Euro mehr im Jahr ausgegeben – Betreuungskosten sind | |
hier noch gar nicht enthalten. | |
Das Land verteilt Asylbewerber auf die Kommunen. Das steht im | |
Landesaufnahmegesetz. In den 90er Jahren stand dort auch noch, dass auf 75 | |
Bewohner ein Sozialarbeiter kommen sollte, lebten noch mehr Menschen in der | |
Einrichtung, sollte eine zweite Stelle geschaffen werden. Laut | |
Stellenbeschreibungen musste ein Sozialarbeiter damals etwa „gute | |
Kenntnisse im Ausländer, Asyl- und Sozialhilferecht“ nachweisen und | |
Englisch sprechen können. Er sollte die Flüchtlinge sowohl beim | |
Zusammenleben „verschiedener Kulturkreise“ unterstützen als auch bei | |
Kontakten zur deutschen Bevölkerung und bei Behördengängen. Das Land | |
bezahlte diese Helfer. Doch seit vor knapp zehn Jahren die | |
Pro-Kopf-Pauschalen eingeführt wurden, ist das vorbei. | |
Darum können Situationen entstehen wie heute im Landkreis Peine. Dort | |
verwaltet das umstrittene Privatunternehmen „K&S Dr. Krantz Sozialbau und | |
Betreuung“ ein Asylbewerberheim im Dorf Groß Lafferde. Die | |
Landtagsabgeordnete Filiz Polat (Grüne) forderte bereits vor eineinhalb | |
Jahren, den Vertrag mit K&S nicht zu verlängern und die beengte Unterkunft | |
zu schließen. Erfolglos. Groß Lafferde liegt rund 15 Kilometer von der | |
nächsten Beratungsstelle für Flüchtlinge in Peine entfernt. 49 Menschen | |
leben derzeit in dem Heim, sagt Hausverwalter Bruno Siebert. Jeder von | |
ihnen benötige Hilfe, sagt die Leiterin des Caritas-Migrationsdienstes, | |
Iris Stuke. Doch keiner habe Geld, zu ihr in die Beratung zu kommen. Also | |
fahre sie hinaus, auf eigene Kosten. Denn die Mittel, die die Caritas von | |
der Kommune bekomme, seien zu niedrig. K&S-Verwalter Siebert, der selbst | |
auch die Beratung übernehmen soll, sagt, er verweise gern an die Caritas: | |
„Die kennen sich besser mit den Gesetzen aus.“ | |
Warum Innenminister Uwe Schünemann (CDU) die Sozialarbeit für Flüchtlinge | |
nicht finanziert, beantwortete er bis Redaktionsschluss nicht. Auch in | |
Osnabrück ist die Pauschale „nicht auskömmlich“, sagt Sozialrätin Rita | |
Maria Rzyski. Ob sie Betreuung für die neue Unterkunft bezahlen werde? | |
Rzyski legt sich nicht fest: „Wir stellen Sozialarbeiter im erforderlichen | |
Umfang zur Verfügung, den wir jedoch derzeit noch nicht kennen.“ | |
9 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Kristiana Ludwig | |
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