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# taz.de -- Werksbesichtigung: Hinter den Kulissen
> Das Theater funktioniert wie ein Wirtschaftsbetrieb, ist aber eine eigene
> Welt. Das zeigt das Stück "Die Vorstellung" am Schauspiel Hannover.
Bild: Unter Live-Bedingungen: Bühnentechniker Eric Bornemann in "Die Vorstellu…
HANNOVER taz | Oben in der Chefetage geht es wie in allen Chefetagen der
Welt um Zahlen. Die Zahlen stehen in Computern, sie bezeichnen Ausgaben und
Einnahmen und lassen sich per Mausklick aufrufen. Der Mann, der das tut,
trägt einen Lodenmantel zum grauen Seitenscheitel. Er könnte mit Aktien
oder Containerschiffen befasst sein. Ist er aber nicht: Der Mann heißt
Jürgen Braasch, er ist der Verwaltungsdirektor des Niedersächsischen
Staatstheaters und sein Job ist die Finanzierung von Bühnenkunst.
An diesem Abend steht Jürgen Braasch vor der Oper in Hannover und berichtet
von seiner Arbeit. Über 1.000 Mitarbeiter habe das [1][Niedersächsische
Staatstheater], also Oper und Schauspiel zusammen. 30.000 Euro an
Krankheitskosten fielen schon mal in einem einzigen Monat allein in der
Oper an – gemeint sind die Kosten für Vertretungen, die mitunter
eingeflogen werden müssen. 103.000 Euro habe die Inszenierung von Henrik
Ibsens „Nora“ gekostet, die gerade im Schauspielhaus läuft – die laufend…
Gehälter der Beteiligten nicht eingerechnet.
Jürgen Braaschs Bericht ist die Ouvertüre zu einem außergewöhnlichen
Theaterabend, der leider nur an wenigen Terminen am Schauspiel Hannover
stattfindet. Parallel zur programmgemäßen Aufführung von [2][„Nora“] wer…
15 Zuschauer von verschiedenen Mitarbeitern durch das Haus geführt. Alle
Beteiligten erzählen den Zuschauern von ihrer Arbeit und ihren Gedanken
dazu. Die Führung heißt „Die Vorstellung“ und ist zu verstehen als
inszenierte Führung mit hohem Realitätsgehalt.
Auf Braasch folgt der Ex-Orchestermusiker Ralf Pegelhoff, der als
Konfliktberater am Haus arbeitet. Dann geht es in die Kostümabteilung zur
Kostümbildnerin Lucie Travnickova, in die Wäscherei, in die Umkleide zu
Schauspieler Mathias Max Herrmann und schließlich in den Backstage-Bereich
zu Inspizientin Stephanie Schmidt und zu Bühnentechniker Eric Bornemann.
Techniker Bornemann beispielsweise liest sein Bewerbungsschreiben vor,
Schauspieler Herrmann erzählt während einer seiner Spielpausen bei „Nora“,
wie er die Wartezeit totschlägt: indem er sich auf seinem Laptop über
Google Maps Orte seiner Vergangenheit anschaut.
Die 90-minütige Führung ist genau abgestimmt auf die parallel laufende
„Nora“-Aufführung. Alle Stationen müssen absolut pünktlich erreicht und
verlassen werden und alles muss leise vontattengehen – die Zuschauer
bekommen Kopfhörer, über die sie die Mitarbeiter reden hören. Zugänglich
werden so nicht nur die sonst unzugänglichen Orte des Theaters im
Live-Betrieb, zugänglich werden auch die Menschen, die am Theater arbeiten,
weil sie aus ihrer Berufung einen Beruf gemacht haben.
Erfunden und umgesetzt hat das Konzept der argentinische Regisseur Gerardo
Naumann, der Begehungen dieser Art schon in anderen Betrieben wie einer
Waffelfabrik in Indien oder einer Stahlfabrik in Polen veranstaltet hat. In
Hannover macht „Die Vorstellung“ deutlich, dass das Theater vieles von
einer Fabrik hat: Alles ist aufeinander abgestimmt, das Timing hat
Priorität, es gibt eine klare Hierarchie. Am Anfang aller Arbeit steht auch
im Theater die Frage nach dem Geld. Und trotzdem ist es ein Ort, an dem das
Geld nicht die Hauptrolle spielt – sondern die Menschen, die dort arbeiten.
11 Dec 2012
## LINKS
[1] http://www.staatstheater-hannover.de/
[2] http://www.staatstheater-hannover.de/schauspiel/index.php?m=kalender&f=…
## AUTOREN
Klaus Irler
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