# taz.de -- Berlins neuer Polizeichef: „Ich bin ein bisschen konservativ“ | |
> Berlin hat wieder einen Polizeichef: den 52-jährigen Klaus Kandt. Ein | |
> Gespräch über Angst im Einsatz, Sex vor der Ehe und das Abenteuer, | |
> Polizist zu sein. | |
Bild: Er ist der Neue: Klaus Kandt, Berlins Polizeipräsident. | |
taz: Herr Kandt, am Dienstag hatten Sie Ihre erste Dienstbesprechung. Mit | |
am Tisch: Michael Knape, Klaus Keese, Margarete Koppers – alle Ihre | |
früheren Konkurrenten um den Posten des Polizeipräsidenten. Was war das für | |
ein Feeling? | |
Klaus Kandt: War okay (lacht). | |
Was heißt okay? | |
Es kann nur einen Gewinner geben, so ist das nun mal. Und wir waren zwar | |
Konkurrenten, aber haben uns ja nicht bekämpft. Außerdem kenne ich ja alle | |
schon von früher, hatte immer ein gutes Verhältnis. Ich denke, dass Frau | |
Koppers und ich ein gutes Gespann sind. | |
Aber war es nicht merkwürdig, weil doch viele in der Behörde Frau Koppers | |
als Polizeipräsidentin wollten? | |
Ich habe den Eindruck, ich bin auch akzeptiert. Und meine Vita ist ja so | |
schlecht nicht. Ich denke, ich bin nicht ganz ungeeignet für den Posten. | |
Weil Sie das richtige Parteibuch haben. | |
Ach Gott, diese Diskussion. Gut, ich habe ein Parteibuch, das habe ich | |
irgendwann in den neunziger Jahren mal bekommen. | |
Na ja, wohl eher beantragt. | |
Ja, richtig. Aber da war ich bei der Brandenburger Polizei und die CDU war | |
in der Opposition. Ich hatte null Vorteile. Ich habe in der Partei nie | |
einen Funktionär gemacht, nicht mal einen Kassierer, nichts. | |
Immerhin hat Sie der spätere CDU-Innenminister Jörg Schönbohm zum Potsdamer | |
Polizeipräsidenten gemacht. | |
Auch da habe ich mich in einem Auswahlverfahren durchgesetzt. | |
Warum sind Sie überhaupt in der CDU? | |
Ich bin Schwabe, ein bisschen konservativ und hatte den Eindruck, die CDU | |
unterstützen zu wollen, mehr aus persönlichen Gründen. | |
Was heißt für Sie konservativ? | |
Das sind Fragen der Lebenseinstellung. Ich halte etwas von Verantwortung, | |
von Pflichtgefühl, von Familie. Solche Dinge. | |
Kein Sex vor der Ehe? | |
Ach nein. Ich glaube, das wäre jetzt streng katholisch. | |
Sind Sie katholisch? | |
Ich war katholisch. | |
Warum sind Sie es nicht mehr? | |
Belassen wir es mal dabei. Das ist jetzt sehr persönlich. | |
Noch mal zu Frau Koppers, die zuletzt die Interimsführung machte: Wie wird | |
die neue Aufgabenverteilung sein? Muss sie zurück ins Hinterzimmerchen? | |
Nein, nein. Frau Koppers ist eine patente Person mit vielen | |
Qualifikationen. Wir sind jetzt in der Aufstellung, klären noch, wer welche | |
Aufgaben übernimmt. Wir werden auf jeden Fall eine Arbeitsteilung haben. | |
Zum Beispiel? | |
Fragen der Außenrepräsentation oder die Schilderung der Sicherheitslage | |
beim Senator – das wird meine Aufgabe als Behördenleiter sein. Alles | |
Weitere ist noch offen. | |
Kann man sich das am Ende so vorstellen: Klaus Kandt als willfähriger | |
Vollstrecker von Henkels Innenpolitik? | |
Ach, hören Sie auf. Natürlich hat der Senator die Verantwortung und gibt | |
die politischen Leitlinien vor. Und ich habe das fachlich umzusetzen. So | |
ist die Realität. Egal, welche Partei an der Regierung ist. Da müssen Sie | |
als Behördenleiter einfach loyal sein, was denn sonst? Was aber nicht | |
ausschließt, dass ich unter vier Augen mit dem Senator auch scharfe | |
Diskussionen führen kann. | |
Gibt es dafür schon ein Thema? | |
Nein. Bisher läuft alles super einvernehmlich. | |
Wie kam es eigentlich zur ersten Kontaktaufnahme? Haben Sie Henkel oder hat | |
Henkel Sie angesprochen? | |
Mhm, ja. Also als vor einem Jahr klar war, dass die erste | |
Ausschreibungsrunde geplatzt war, habe ich Herrn Henkel gefragt, ob es | |
sinnvoll wäre, mich zu bewerben. | |
Und Henkel meinte was? | |
Er sagte, ich sei mit meiner Vita ein interessanter Bewerber. | |
Sie haben stetig Karriere gemacht. Ist es das, worum es Ihnen bei der | |
Polizei geht? | |
Wissen Sie, ich hatte das Glück, immer das machen zu können, was mir Spaß | |
macht. Ich bin ein sehr sportlicher Typ, sehr aktiv. In der ersten Phase | |
meines Berufslebens hat mich das Thema Spezialeinheiten sehr interessiert: | |
GSG9, SEK. Das war ja auch sehr herausfordernd. | |
Bei den Eliteeinheiten wird nicht jeder genommen. | |
Nein. Neben der körperlichen Grundvoraussetzung muss man eine schnelle | |
Auffassungsgabe haben, leistungsorientiert und beharrlich sein. Ich nenne | |
das immer positive Penetranz. Sie müssen Selbstdisziplin haben, teamfähig | |
sein, sich integrieren können, auch mal unkonventionelle Lösungen im Auge | |
haben, kreativ sein. | |
Wie viele Türen haben Sie so eingetreten? | |
Puh. | |
Haben Sie überhaupt Türen eingetreten? | |
Ja, sicherlich. Das war ja Teil des Tätigkeitsbildes. Man macht das aber | |
nicht mit dem Fuß, sondern mit der Ramme oder einem Schild. | |
Gab es Einsätze, wo Sie gesagt haben: Ich habe Angst? | |
Natürlich gibt es Einsätze, wo Sie eine höhere Spannung haben. Wo Sie | |
merken, das ist jetzt doch eine andere Geschichte. Zum Beispiel bei den | |
Zehlendorfer Tunnelgangstern, die massiv bewaffnet waren. Da schwitzen Sie | |
richtig körperlich, weil es da konkret um Leben und Tod geht. Was mich am | |
meisten betroffen hat, war die Entführung Hintze, Ende der Neunziger, die | |
über drei Wochen ging. Der Sohn der Gastleute aus Geltow, der von zwei | |
Russen entführt wurde. | |
In welcher Eigenschaft hatten Sie mit dem Fall zu tun? | |
Ich war Leiter der operativen Maßnahmen der Brandenburger Spezialeinheiten. | |
Es war lange eine unklare Lage. Weil immer das Leben des Opfers im Raum | |
schwebte: Ist er schon tot oder nicht? Wir hatten ein paar Mal Versuche von | |
Geldübergabe, einmal an einer Autobahn. Die scheiterte, weil wir nicht | |
zugriffsbereit waren. Und eine Stunde später haben die Täter bei der Mutter | |
angerufen und gesagt, dein Sohn wird jetzt qualvoll sterben. Ich habe den | |
Tonbandmitschnitt gehört. Puh, das war hart, ganz bitter. | |
Der Junge ist letztlich in einer Sandgrube erstickt. | |
Das werde ich nicht vergessen, das war der härteste Einsatz, den ich hatte. | |
Und heute gehen Sie mit Ihren SEK-Kumpels ein Bier trinken und sind per Du. | |
Damals war ich auch schon per Du, das war ganz normale Arbeitsebene. | |
Heute sind Sie aber Chef und sollen die auch kritisch beaufsichtigen und | |
auf Distanz halten. Wie soll das gehen? | |
Die Ebene Spezialeinheiten habe ich ja nun auch schon vor zehn Jahren | |
verlassen. | |
Sehen Sie keine Gefahren, dass sich gerade solche Einheiten abkapseln, | |
einen Korpsgeist entwickeln, aus dem am Ende auch Fehlverhalten resultiert? | |
Da mache ich mir keine Sorgen. Das sind besondere Gemeinschaften, die | |
Gefahren durchstehen und einen gewissen Zusammenhalt brauchen. Es gibt ja | |
auch einen positiven Korpsgeist, ein Füreinandereinstehen. | |
Ist es für Sie auch kein Problem, wenn Berliner SEKler einen Verein | |
gründen, der sich Kameradschaft nennt, und erst nach vehementen Protesten | |
den Namen ändern? | |
Wissen Sie, ich war auch mal in der GSG9-Kameradschaft, die hieß auch so. | |
Feuerwehrleute nennen sich Kameraden, auch bei der Bundeswehr oder in den | |
Bergen. Ich störe mich nicht an dem Begriff, aber ich sehe auch, dass er | |
eine Schieflage bekommen hat, seit die rechte Szene ihn missbraucht hat. Um | |
eine Fehlinterpretation zu vermeiden, ist es dann sicher besser, so einen | |
Namen fallen zu lassen. Auch wenn eine SEK-Kameradschaft mit Sicherheit | |
überhaupt keinen Bezug zu Rechtsextremen hat. | |
Thema Kennzeichnungspflicht. Ihr Vorgänger Glietsch hat die Namensschilder | |
als erste Landesbehörde eingeführt. Wie stehen Sie dazu? | |
Ich persönlich sehe das offen, habe selbst ein Namensschild getragen. Wir | |
haben hier nichts zu verstecken. Wir machen hier eine gute Arbeit und | |
können die auch vorzeigen. Die Kollegen sollten auch mit ihrem Namen dafür | |
einstehen. | |
Die Einsatzhundertschaften umgehen die Kennzeichnungspflicht aber auch | |
gerne: indem sie im Sommer etwa ihre Jacken mit den Nummern auslassen. | |
Das kann ich jetzt nicht im Detail nachvollziehen. Aber die Regel besteht | |
und sie wird durchgesetzt. | |
Sie bezeichnen sich als konservativen Menschen. Was bedeutet das für Ihre | |
Polizeiführung? | |
Ich bin schon einer, der gerne etwas entwickelt. Nach allem, was in den | |
letzten Jahren passiert ist, ist nun auch eine Phase der Konsolidierung | |
angesagt. Aber das Ergebnis sollte schon eine moderne Polizeiarbeit sein. | |
So muss die Behörde etwa auch im Internet entsprechend präsentiert sein. | |
Das klingt jetzt noch nicht so konservativ. | |
Vielleicht passe ich auch einfach nicht so lupenrein in eine Schublade. | |
Passen Sie denn zur Berliner Polizei? | |
Die Berliner Polizei ist bunt und vielfältig. Da passe ich bestimmt rein. | |
Die Beamten hier galten ja früher lange als Prügelgarde. | |
Die Berliner Polizei hatte sicherlich auch Phasen, etwa die | |
Hausbesetzer-Zeit, in denen sie körperlich sehr gefordert war und sich auch | |
darauf eingestellt hat. Aber eine Behörde steht niemals still, entwickelt | |
sich. Wenn Sie den 1. Mai sehen, wie er 1987 gelaufen ist und wie 2012: Das | |
ist doch ein Wahnsinnsunterschied. Man darf die Berliner Polizei nicht auf | |
ein irgendwann mal vorhandenes Niveau festschreiben. | |
Was ist Ihre Vision für die Hauptstadtpolizei? | |
Ich hätte gerne eine offene, kommunikative Polizei, die effektiv und | |
bürgernah ist, die einen guten Ruf in der Bevölkerung hat. Und deren | |
Mitarbeiter eine hohe Berufszufriedenheit zeigen. | |
Sie haben mal gesagt: Der Wind weht rau in Berlin. Was macht Ihnen da am | |
meisten Sorge? | |
Es ist schon so, dass die Dinge hier sehr persönlich werden. Plötzlich hebt | |
sich meine Privatsphäre auf, daran muss ich mich erst gewöhnen. Auch habe | |
ich den Eindruck, dass in Berlin eine Neigung besteht, schnell Vorgänge zu | |
einem Skandal aufzubauschen, die man auch etwas ruhiger betrachten könnte. | |
War Polizist eigentlich Ihr Traumberuf? | |
Ich wollte entweder Ingenieur werden oder Polizist. Ich bin in der | |
schwäbischen Provinz aufgewachsen und wollte weg da. Und dann hat sich die | |
Bundespolizei am ehesten angeboten. Raus, Geld verdienen, großes Abenteuer. | |
Und das ist es auch geworden: ein großes Abenteuer. Dafür wird jetzt mein | |
jüngster Sohn Ingenieur. | |
19 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
K. Litschko | |
P. Plarre | |
## TAGS | |
Polizei | |
Berlin | |
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