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# taz.de -- Weltuntergang weltweit: Noch mal schnell mit Ufos meditieren
> Es geht zu Ende. Was tun? In Argentinien strahlen kosmische Energien, in
> Russland wird eingekauft – und ein Dorf in Frankreich wird uns retten.
Bild: Im Schatten des Bugarach wird die Spezies überleben.
Wodka, Seife, Sprotten
Wenige Tage vor dem vermeintlichen Weltenende macht sich in Russland
Nervosität breit. Für Freitag, den 21. Dezember, sagte der 5.125 Jahre
umfassende Kalenderzyklus der alten Mayakultur das Ende des alten und den
Beginn eines neuen Zeitalters voraus. Viele russische Bürger nehmen die
Prophezeiung für bare Münze - auch wenn ihr Präsident nichts davon wissen
will.
Seit Wochen decken sich vor allem Menschen in der Provinz mit Notrationen
für die Zeit nach dem Tag X ein. In der Stadt Omutninsk, 1.000 Kilometer
nordöstlich von Moskau, kam es zu Hamsterkäufen. Salz, Buchweizen,
Streichhölzer, Kerzen, Kerosin und Konserven verschwanden aus den
Geschäften der Stadt mit 25.000 Einwohnern. Auch in den Nachbargemeinden
der Region leerten sich die Regale. Aufrufe des Bürgermeisters halfen
nichts. Überstürzt boten Rentner ihre Habseligkeiten für Dumpingpreise an,
um sich mit einer zusätzlichen Ration zu versorgen.
Auslöser war ein Artikel über die Mayaprophetie in der Lokalzeitung in der
Rubrik „Erholung“. Zumindest in der Provinz seien die Leser noch nicht
misstrauisch, sie glaubten alles, was in der Zeitung stehe, sagte ein
Geschäftsmann. Traurige Szenen sollen sich abgespielt haben, als
Schulkinder ihre Mütter anflehten, sie doch nicht sterben zu lassen.
Auch in der Republik Tuwa an der chinesischen Grenze und im sibirischen
Kohlegebiet Kemerowo und in Tschetschenien löste die Nachricht Panik aus.
Selbst in einigen Gefangenenkolonien soll die Nachricht Massenpsychosen
ausgelöst haben. Erst Popen hätten die aufgebrachten Seelen durch Hinweise
auf die biblische Apokalypse beruhigen können.
Der Gouverneur von Tuwa wies die Beamtenschaft an, die Verunsicherung der
Bürger nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: "Wenn in unserer
Gesellschaft so eine Aufregung herrscht, gibt es dafür einen tieferen
psychologischen Grund." Auch das russische Katastrophenschutzministerium
erklärte den Untergang für Unfug. Wer dennoch nicht zur Ruhe kommt, für den
richtete das Ministerium eine Hotline ein. Abgeordnete des Parlaments
forderten die TV-Sender auf, nicht noch mehr Hysterie zu verbreiten.
Russlands oberster Amtsarzt drohte unterdessen, uneinsichtige Provokateure
juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Russland war schon immer anfällig
für Aberglauben und Obskurantismus. Das Bildungsniveau ist gesunken, und
selbst Gläubige verfügen oft nur über geringe religiöse Kenntnisse. Die
jahrelange Bevormundung ließ die Leute unselbständig werden. Vielen fiele
es daher schwer, die komplexe Wirklichkeit zu durchschauen, meinen
Psychologen.
Der Hang zur Archaik werde zurzeit sogar von der Staatsanwaltschaft noch
gefördert, die im Blasphemieprozess gegen die Frauen-Punkband Pussy Riot
auf klerikale Schriften aus dem 4. Jahrhundert zurückgriff, kommentierte
die Zeitung Vedemosti. Die meisten Menschen würden wie früher mit
Hamsterkäufen auf Hiobsbotschaften reagieren und abwarten, dass das Unglück
an ihnen vorbeizöge. Wer sich noch nicht mit Vorräten eingedeckt hat, kann
im Internet für 20 Euro das Überlebenspaket namens "Schlimmer kann es nicht
kommen" beziehen. Unter anderem mit Wodka, Seife und Sprotten. Ein anderer
Anbieter hat auch noch Gasmasken und Mittel zur Stabilisierung der
Körpertemperatur im Sortiment. KLAUS-HELGE DONATH, Moskau
Vorsicht! Kosmische Energien!
Steckt wirklich der im Facebook herumgeisternde Aufruf zum „massiven
kollektiven Selbstmord“ dahinter? Die 16.000 EinwohnerInnen zählende
Kleinstadt Capilla del Monte in der argentinischen Provinz Córdoba wird am
21. 12. jedenfalls den Zugang zu ihrem Hausberg, dem 1.979 hohen Cerro
Uritorco, sperren.
Was die Alarmglocken schrillen ließ, war eine ungewöhnlich hohe Zahl an
Übernachtungsreservierungen. Um „ein Unglück“ zu vermeiden, so Verwalter
Rafael García, habe man sich mit den Bergeigentümern und der Bergverwaltung
auf die vorübergehende Schließung geeinigt. Das bestätigt auch
Bürgermeister Gustavo Sez.
Rund 15.000 BesucherInnen werden am Freitag erwartet. Allerdings strahlt
der Uritorco schon länger kosmische und spirituelle Energien aus. Seit hier
im Jahr 1986 die ersten Ufos gesichtet wurden, zieht er alljährlich
Tausende zu gemeinsamen Meditationsgruppen an. JÜRGEN VOGT, Buenos Aires
Hier landen Außerirdische!
Im Nachhinein hätten die knapp 200 Bewohner von Bugarach wohl gern auf die
ungewollte Werbung von Weltuntergangspropheten verzichtet. Als einziger Ort
werde ausgerechnet dieses Bergdorf in den Pyrenäen, so die im Internet
verbreitete Weissagung, von der Apokalypse verschont bleiben.
Ausgangspunkt der esoterischen Mutmaßungen ist eine geologische Kuriosität.
Der 1.230 Meter hohe Gipfel Pech du Bugarach, an dessen Fuß das Dorf liegt,
steht Kopf: Die ältesten Schichten sind zuoberst, die jüngsten unten.
Höhlenforscher interessiert auch sein unterirdischer See.
Vor Jahren wurde dort mysteriöser Motorenlärm vernommen - da hieß es, der
Berg von Bugarach sei eine Art UFO-Garage. Folglich würden hier am 21.
Dezember Außerirdische landen. Ein Scherz? Mag sein. Aber in den letzten
Wochen kamen so viele Neugierige und Journalisten aus aller Welt, dass die
Behörden nun den Zugang zum Dorf aus Angst vor irrationalen Vorfällen
abgesperrt haben. RUDOLF BALMER, Paris
20 Dec 2012
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Weltuntergang
Apokalypse
Schwerpunkt Frankreich
Argentinien
Russland
Zivilschutz
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