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# taz.de -- Rennspiel aus Nordkorea: Kein Stau in Pjöngjang
> Der „Pyongyang Racer“ ist das angeblich erste in Nordkorea entwickelte
> Computerspiel. In der Hauptstadt der Hochhäuser kann man damit prächtig
> herumbonzen.
Bild: „Starren Sie mich nicht an. Ich bin im Dienst.“ Hmmm.
Süßlich klimpert sie aus den Boxen, die Mixtur aus Super-Mario-artigem
4-Bit-Pop und fieser Asia-Pornomucke. Ein gestrenges Comicgesicht guckt uns
zu, während wir mit unserem [1][Mercedesoriginaldigitalnachbau] auf einer
sechsspurigen Straße herumbrausen. Schaltung? Egal. Gas geben! Brumm,
brumm. Links sind Hochhäuser. Rechts sind Hochhäuser. Ein breiter
Grünstreifen, kein nerviger Bürgersteig in Sicht. Keine Straßenlaternen,
keine parkenden Autos, kaum Verkehr: Wrrrrrrrrrrrrr…um? Wir sind in den
Gegenverkehr geraten.
Die gestrenge Figur vom oberen Bildrand entpuppt sich als Volkspolizistin
und warnt uns: Wir dürfen keine anderen Autos rammen, beim dritten Mal wird
man uns sonst wegen „schlechten Fahrens stoppen“. In ihrem blauen Rock, dem
irgendwo weit über dem Bauchnabel die Dienstjacke zusammenhaltenden Gürtel,
der blauen Krawatte, rot-weißer Armbinde und angewinkelt gehobenem Arm
strahlt sie eine Autorität aus, die nur von ihrer Steifheit übertroffen
wird. Immerhin spricht sie Englisch.
Uns ist ihre Ermahnung egal, wir brausen so schnell weiter, wie wir können
– was nicht besonders flott ist. Vorbei an kleineren Hochhäusern, größeren
Hochhäusern, sehr hohen Hochhäusern und, tja, Hochhäusern. Unterbrochen
wird das Brausevergnügen von kleinen Gegenständen, die auf der Straße
liegen. Gegen die darf man fahren, um sie einzusammeln. Also, das würden
wir gerne. Aber in Wahrheit verbirgt sich hinter den mitten auf dem Asphalt
dahingammelnden Objekten meist eine Beschreibung eines Hochhauses, das dann
auch noch meistens ein Hotel ist. Nun ja. Der Auftraggeber für das Spiel
ist ein Reiseunternehmen namens Koryo Tours – eines, das Menschen nach
Nordkorea bringt.
Manchmal handelt es sich – und das sind dann auch die Abwechslungen im
Spiel – sogar um angepasst dargestellte virtuelle Häuschen am Wegesrand,
die die Weisheit der großen Führer der Demokratischen Volksrepublik
darstellen, Stadien, Vergnügungsorte, einfach toll hier. Unsere Aufpasserin
erklärt uns dann, was dort zu sehen ist. Multifunktional, diese
Volkspolizistin – Touristenführerin, Mahnerin und Warnerin in einem. Aber
irgendwie scheint hier alles etwas eintönig und kahl.
Da, plötzlich. Vor uns. Der Triumphbogen! „Ohne den Stau von Paris!“
schwärmt die Multifunktionsregimerepräsentantin vor. Toll. Brumm, weiter
geht’s. Kaum ein Auto stört unsere Kreise, kein Fußgänger, Rad- oder
Kinderwagenfahrer in Sicht, nicht einmal ein Müll- oder Polizeiauto will
sich blicken lassen. Über Brücken, durch Einbahnstraßen, an Denkmälern
vorbei – Pjöngjang ist wirklich die Autorennstadt schlechthin, wenn man das
Spiel als Maßstab nimmt. Hier kann man nur gewinnen.
Die bezaubernde Begleitung gibt einem das Gefühl, dass einem gar nichts
passieren kann und dass man einen stetigen automatisch anwesenden Beifahrer
hat. An einem 150 Meter hohen Aussichtsturm überlegen wir, einfach
auszusteigen und hochzufahren. „Tolle Aussichten“, verspricht die
Staatsbeifahrerin. Aber auf was? Plattes Gelände mit vielen Hochhäusern?
Wir fahren weiter. Bis wir auf dem Kim-Il-Sung-Platz direkt vor der „Großen
Studienhalle des Volkes“ stehen. Schön. Fertig. Tschüss, Nordkorea. Dann
lieber doch Stau.
25 Dec 2012
## LINKS
[1] http://www.koryogroup.com/Pyongyang_racer/racer.html
## AUTOREN
Falk Lüke
## TAGS
Nordkorea
Computerspiel
Nordkorea
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