# taz.de -- Öffentlicher Dienst: Senat will nicht diskriminieren | |
> Der Passus, der Schwerbehinderte von Bewerbungen ausgrenzt, wird in einer | |
> Senatsdrucksache gestrichen. Die Grünen bleiben trotzdem erst mal | |
> misstrauisch. | |
Bild: Sollen laut Senat doch eine Chance auf Bewerbung erhalten: Menschen mit B… | |
Der Hamburger Senat hat in seiner Drucksache „Personalwirtschaftliche | |
Maßnahmen“ einen umstrittenen Passus zur Ausgrenzung von Schwerbehinderten | |
als Bewerber im öffentlichen Dienst gestrichen. Das geht aus der | |
verabschiedeten Fassung hervor, die nicht öffentlich ist, der taz und dem | |
Abgeordneten Anjes Tjarks (Grüne) jedoch vorliegt. Demnach dürfen Hamburgs | |
Behörden im Jahr 2013 zwar erstmalig nur hausintern ausschreiben, aber | |
davon, dass diese freien Stellen nicht mehr von der Arbeitsagentur an | |
schwerbehinderte Interessenten gemeldet werden, ist nicht mehr die Rede. | |
Dieser Passus war dem Grünen-Politiker Tjarks im September übel | |
aufgestoßen, als er eine interne Entwurfsfassung in die Hände bekam. Die | |
Autoren der Drucksache wiesen dort auf den Widerspruch zum Paragraf 82 des | |
9. Sozialgesetzbuch hin, der Schwerbehinderten das Recht einräumt, von | |
freien Stellen bei öffentlichen Arbeitgebern zu erfahren und auch zum | |
Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Dies soll deren Chancen erhöhen, | |
auf ihre Möglichkeiten und Qualitäten aufmerksam zu machen. Die Drucksache | |
wies lakonisch auf ein „rechtliches Risiko“ hin, dass die Stadt wegen | |
Diskriminierung verklagt werden könne. Dies, so hieß es zynisch, sei | |
„hinnehmbar“. | |
Der auf Behindertenrecht spezialisierte Jurist Oliver Tolmein kritisierte | |
das im taz-Interview als „rechtlich im hohen Maße bedenklich“ und politisch | |
nicht akzeptabel. Gebe es doch wichtige Behörden in der Stadt, die nicht | |
einmal die gesetzlich vorgeschriebene Quote von fünf Prozent | |
schwerbehinderter Beschäftigter erreichten. Auch der Sprecher der „Aktion | |
Mensch“, Martin Georgi, mahnte an, die Stadt habe als Arbeitgeber eine | |
Vorbildfunktion und müsse die Quote der schwerbehinderten Beschäftigten | |
erhöhen. | |
Öffentliche Äußerungen des Senats gab es zu dieser Drucksache nicht. Doch | |
auf eine schriftliche Antwort auf eine Anfrage von Tjarks vom Dezember | |
heißt es nun schlicht, dass Stellenausschreibungen nicht mehr an die | |
Arbeitsagentur zur Weitergabe an Schwerbehinderte übermittelt werden | |
sollen, sei „nicht Gegenstand der Drucksache“. Die bisherigen Regelungen | |
würden „nicht verändert“. | |
„Das klingt erst mal positiv“, sagt Tjarks. Doch die insgesamt | |
ausweichenden Antworten und die Geheimhaltung des Beschlusses machten ihn | |
„misstrauisch“. Denn es sei nicht nachvollziehbar, welchen Sinn die neue | |
Regelung der internen Ausschreibung sonst haben soll. | |
In einer neuen Anfrage verlangt Tjarks deshalb noch einmal dezidiert zu | |
wissen, wie die künftige Praxis aussehen soll und ob wirklich alle freien | |
Stellen weiter an Schwerbehinderte gemeldet werden. „Ich möchte | |
ausschließen, dass der Senat hier einfach nur die behindertenfreundliche | |
Begründung gestrichen hat“, so der Grüne. „Denn das wäre ein handfester | |
Skandal.“ Andererseits wäre es erfreulich, wenn die geplante | |
behindertenfeindliche Regelung durch öffentliche Intervention „gekippt“ | |
sei. | |
Das zuständige Personalamt wollte sich am Freitag zu der Frage, was denn | |
nun geplant sei, nicht äußern. Eben weil die Grünen eine Anfrage gestellt | |
hätten, könne man dem nicht vorgreifen. Aus der Behörde hört man aber, man | |
habe den Passus gestrichen, um die daraus resultierenden Einschränkungen | |
für Schwerbehinderte zu beseitigen. | |
Die Möglichkeit einer rein internen Stellenausschreibung, bei der | |
beispielsweise die Wirtschaftsbehörde eine freie Stelle mit einem der 590 | |
verbliebenen Mitarbeiter besetzt, ergebe aber sehr wohl Sinn, da der Senat | |
das Ziel habe, im Jahr 250 Stellen abzubauen. Denn andernfalls würden die | |
Stellen nach dem Prinzip der „Bestenauslese“ oft mit Bewerbern aus | |
Nachbarbehörden aufgefüllt, sodass der Einspareffekt ausbleibe. | |
Auch Rechtsanwalt Tolmein sieht in der neuen Drucksache ein Einlenken des | |
Senats. Gleichwohl befürchtet er, dass eine bereichsinterne Ausschreibung | |
es Behörden ermögliche, das Profil einer Stelle sehr eng zu fassen. Das | |
führe dazu, dass externe schwerbehinderte Bewerber „keine echte Chance | |
haben“. | |
4 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Tarif | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Tarifeinigung im öffentlichen Dienst: Lehrer sind gefrustet | |
Die Angestellten der Länder bekommen jetzt mehr Geld. Pädagogen sind | |
dennoch unzufrieden: Sie wollten einen bundesweiten Tarifvertrag. | |
Weniger Chancen: Senat will lieber keine Behinderten | |
Hamburg plant, frei werdende Stellen nicht mehr an die Arbeitsagentur zu | |
melden. Das bringt schwerbehinderte Interessenten um ihr festgeschriebenes | |
Recht auf ein Bewerbungsgespräch. |