# taz.de -- Städtebau: Großereignis ohne Barkassen | |
> Hamburg zeigt eine Gartenschau und Bauausstellung in Wilhelmsburg. Eine | |
> Fährlinie dorthin wird es nicht geben. | |
Bild: Barkassen werden nicht zur Gartenschau fahren. | |
Eine Internationale Gartenschau und eine Internationale Bauausstellung | |
sollen in diesem Sommer scharenweise Besucher in den Hamburger | |
Problemstadtteil Wilhelmsburg locken. Zwar ist der Kanal, auf dem Besucher | |
von den St. Pauli Landungsbrücken zum Eingang der Gartenschau fahren sollen | |
können, ausgeschachtet – doch jetzt weigern sich die Barkassenkapitäne, den | |
Liniendienst aufzunehmen. „Uns ist das finanzielle Risiko zu groß“, sagt | |
Klaus Ehlers, einer der Barkassenbetreiber. Da bleibt nur das Auto oder die | |
ohnehin schon ausgelastete S-Bahn. | |
2013 ist in Hamburg das Jahr der Großereignisse. Die vor sechs Jahren | |
angelaufene Bauausstellung (IBA) findet mit einem Präsentationsjahr ihren | |
Abschluss; die Gartenschau (IGS) führt ihre Besucher ab April „in 80 Gärten | |
um die Welt“; dazu werden Anfang Mai Zehntausende Besucher des | |
Evangelischen Kirchentages in der Stadt erwartet. Gartenschau und | |
Bauausstellung richten den Fokus auf Wilhelmsburg, den Hotspot der | |
Stadtentwicklung der vergangenen zehn Jahre. | |
## Kampfhund beißt Kind tot | |
Immer wieder ist der Stadtteil wegen der dort herrschenden sozialen | |
Verhältnisse in die Schlagzeilen geraten: Mann erschießt Ex-Freundin und | |
deren Töchter; Kampfhund beißt kleinen Jungen tot; Mädchen vergiftet sich | |
mit dem Methadon seiner Pflegeeltern. Die Elbinsel ist von Fabriken gesäumt | |
und von Verkehrsadern durchschnitten, doch sie bietet auch ungeheure | |
Chancen – denn hier ist noch Platz. | |
Wilhelmsburg liegt zwischen der City und Harburg und bietet die | |
Möglichkeit, Hamburg aus seiner Mitte heraus wachsen und zusammenwachsen zu | |
lassen. Der Senat hat damit begonnen, indem er am Rande der Innenstadt das | |
Neubauprojekt Hafencity initiierte. Es bildet den Trittstein für einen | |
„Sprung über die Elbe“ nach Wilhelmsburg. Hunderte von Millionen Euro in | |
den Stadtteil gepumpt, gipfelnd in der Bauausstellung und der Gartenschau. | |
Jetzt könnte eine attraktive Zufahrt zu den Großereignissen an ein paar | |
Zehntausend Euro scheitern. | |
## Romantischer Plan | |
Der Plan: Die Barkassen, die die Touristen durch die historische | |
Speicherstadt schippern und unter die haushohen Hecks der Containerschiffe, | |
sollten die Gäste bis mitten hinein in die Elbinsel fahren – direkt vor die | |
Tore der Gartenschau und zu den innovativsten Häusern der Bauausstellung. | |
Dafür wurde ein Kanal aufgeweitet und ein Wendebecken geschaffen. In einer | |
gemeinsamen Absichtserklärung mit dem Büro der Gartenschau erklärten sich | |
sechs Barkassenbetriebe bereit, einen Liniendienst einzurichten. | |
„Es war grundsätzlich so, dass alle das gerne machen wollten“, sagt der | |
Barkassen-Reeder Ehlers. Doch dann wurde den Reedern mulmig, schließlich | |
hält nur zehn Gehminuten vom Gartenschau-Eingang die S-Bahn. Wer werde | |
schon in eine Barkasse steigen, wenn er mit der S-Bahn oder dem Auto direkt | |
vor die Tür fahren könne, gibt Ehlers zu bedenken. | |
Selbstverständlich seien die Reeder bereit, den Verkehr zu übernehmen, wenn | |
die IGS ihre Barkassen chartere. 120 bis 150.000 Euro würde der | |
Liniendienst kosten, schätzt Ehlers, wobei die Gartenschau ja die | |
Ticket-Einnahmen dagegen rechnen könnte. Wenn die zig Millionen Euro | |
umsetzende IGS nicht bereit sei, ins Risiko zu gehen und auch nicht der | |
städtische Fährbetrieb Hadag – weshalb sollten es dann die | |
familiengeführten Barkassen-Reedereien tun, fragt er. | |
„Wir haben einen voll ausgelasteten Schiffspark“, sagt Hadag-Chefin | |
Gabriele Müller-Remer. Die Hadag fährt seit Anfang Dezember bis vor die | |
Tore Wilhelmsburgs. Weiter zu fahren, gebe die Kapazität nicht her. | |
IGS-Sprecher Michael Langenstein zeigt sich überrascht vom Rückzieher der | |
Reeder. „Wir sind wie eh und je überzeugt, es ist attraktiv“, sagt er. Die | |
Gartenschau fühle sich jetzt von der exklusiven Verabredung mit den sechs | |
Reedern entbunden. | |
## Charterverkehr geplant | |
Einer der Reeder, Heiko Buhr, hat angekündigt, er werde zwar nicht im | |
Liniendienst fahren, aber im Charterverkehr. „Ab 20 Personen fahren wir | |
jederzeit“, kündigt er an. Auch die Bauausstellung hat einen Charterverkehr | |
geplant. Perspektivisch, sagt IBA-Sprecher Rainer Müller, müsse ein | |
Linienverkehr eingerichtet werden, schließlich gehe es städtebaulich darum, | |
die Elbinsel mit der Innenstadt zu verknüpfen. Zwar plant der Senat, die | |
Hafencity-U-Bahn bis nach Wilhelmsburg zu verlängern. Aber noch ist sie | |
nicht einmal an den Elbbrücken angekommen. | |
16 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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könnten sie immer noch einen Liniendienst anbieten. |