# taz.de -- Streik der Lehrer in Berlin: „Irgendwann kracht es dann“ | |
> Rund 1.000 Lehrer haben zwei Tage gestreikt für eine Angleichung der | |
> Bezahlung von Angestellten und Beamten. Er fühle sich diskriminiert, so | |
> Konrektor Herrera. | |
Bild: Streikende Lehrkräfte vor einer Schule in Mitte am Donnerstag. | |
taz: Herr Herrera, warum streiken Sie an Ihrer Schule? | |
Raúl Herrera: Weil wir uns seit 20 Jahren diskriminiert fühlen. Wir sind | |
Europaschullehrer, nicht verbeamtet und verdienen noch weniger als die | |
normalen Angestellten, weil wir woanders studiert haben oder keine | |
Deutschen sind. Ich zum Beispiel bin Konrektor, aber ich bekomme meine | |
Amtszulage nicht, die in dieser Position eigentlich fällig ist, weil ich | |
kein Beamter bin. | |
Können Sie beziffern, wie viel weniger Sie verdienen? | |
Im Vergleich zu einem einfachen Beamten verdienen wir zwischen 800 und | |
1.000 Euro weniger im Monat. Bei einem Beamten in meiner Position ist es | |
noch mehr. | |
Und im Vergleich zu einem Angestellten? | |
Ich, der 30 Jahre Berufserfahrung hat und seit 13 Jahren Konrektor ist, | |
verdiene etwa so viel wie ein junger Angestellter. | |
Wie viele Lehrer an Ihrer Schule sind denn im Streik? | |
Etwa 25 bis 30. Die Mehrheit ist ja verbeamtet. Hier arbeiten also Menschen | |
zusammen, deren Lohn für die gleiche Arbeit bis zu 1.500 Euro differiert. | |
Was sagen Ihre verbeamteten KollegInnen dazu? Verstehen die Ihren Streik | |
oder sind sie sauer, weil sie jetzt Mehrarbeit haben? | |
Es gibt solche und solche. Es ist ja auch ein Problem, dass die Beamten | |
nicht streiken dürfen. Die Kinder werden von den Beamtenlehrern auch dann | |
unterrichtet und betreut, wenn wir Angestellte streiken. Daher gibt es | |
keinen Druck. Die Stadt, die Eltern merken unseren Streik gar nicht. Aber | |
wir arbeiten jeden Tag von Montag bis Freitag und manchmal, wir bei mir, | |
mehr als zehn Stunden am Tag – und bekommen trotzdem weniger als die | |
Beamten. Ich bin damit bis zur Senatorin gegangen. | |
Und was hat sie gesagt? | |
Na ja, ein Oberschulrat aus ihrer Verwaltung hat mir geantwortet. Er hat | |
sehr darauf abgehoben, dass ich in Chile studiert habe – kein Wort davon, | |
dass ich hier promoviert habe und hier in Berlin ein voll anerkannter | |
Lehrer bin. Und am Ende des Briefs steht, dass die Eltern und Schüler der | |
Joan-Miró-Grundschule sich bei mir bedanken, weil ich so engagiert bin. So | |
ist eben Berlin! Nur: Die jungen Leute machen das nicht mehr mit – so | |
laufen der Stadt die Lehrer weg. Sie gehen nach Hamburg oder Brandenburg. | |
Nun möchte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) diese Verbeamtung auf | |
Umwegen künftig verhindern. Lehrer, die in anderen Bundesländern Beamte | |
werden, können diesen Status nur dann mitbringen nach Berlin, wenn sie | |
mindestens fünf Jahre verbeamtet sind. Ist das nicht sinnvoll? | |
Für mich heißt das nur, dass wir die Probleme in dieser Generation nicht | |
mehr lösen. Wir haben in Berlin verbeamtete Lehrer, die noch keine 40 sind. | |
Sie haben noch 20 Jahre zu arbeiten. Diese Ungerechtigkeit bleibt. Wir sind | |
3.000 angestellte Lehrer von insgesamt 28.000 und es geht darum, wie wir | |
alle bezahlt werden – und nicht darum, künftig keine Beamten mehr aus | |
Brandenburg reinzulassen. | |
Haben Sie Hoffnung, dass Ihr Streik etwas bewirkt? | |
Hoffnung habe ich schon, denn man kann das nicht so weiterlaufen lassen. | |
Aber die Politiker haben Angst, es sich mit den Beamten zu verscherzen, | |
weil die Wähler sind und eine starke Lobby haben – im Gegensatz zu uns. | |
Trotzdem: Die Zukunft unserer Schulen hängt davon ab. Am Dienstag etwa gab | |
es ein Casting, bei dem 45 KollegInnen für verschiedene Schulen gesucht | |
wurden – es kamen aber nur 20 Bewerber. Das heißt, es gibt 25 Stellen, die | |
gerade nicht besetzt werden können. Es gibt Schulen, an denen fünf Lehrer | |
fehlen. Und irgendwann kracht es. | |
17 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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